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An die Königin Luise von Preußen.

1. Zueignung.

In diesem Lande haust und waltet
    Ein fremder, kalter Schreckensgeist,
Der alles teilt und alles spaltet
    Und jede schöne Form zerreißt.

Verderben brütet auf der Erde,
    Am höchsten Leben zehrt der Tod,
Der auch der Glut auf Vestas Herde
    Den Untergang im Sturme droht.

Soll auch das Heil'ge von uns weichen?
    Wird unser Köstlichstes ein Raub?
Kann nichts der Götter Ohr erreichen,
    Und sind sie jedem Flehen taub?  

Da fühlt ein überirdisch Wehen
    Der frommen Beter kleine Schar:
Es naht, erzeugt in Äthers Höhen,
    Ein Götterbild sich dem Altar!

Die Heil'ge, die des Herdes pfleget
    Wann in den Krieg die Götter ziehn,
Die Herz und Seele sanft beweget,
    In neuen Flammen zu erglühn  

Sie ist es, die ein junges Leben
    Den schon erstarrten Formen beut,
Sie ist es, der sich jedes Streben
    Fürs Heiligtum der Menschheit weiht.

2. Die Befreiung.

Ich lag gefangen
Im engen Raum
Und träumte bangen
Und schweren Traum.

»Die Mordgesichter
Rund um mich her  
Was soll der Dichter
Beim Kriegerheer,

Beim fremden Volke,
Das er nicht liebt?
Wer hebt die Wolke,
Die mich umgibt?

Wann sink' ich wieder
In Lieb' und Lust,
O Flur der Lieder,
An deine Brust?

Wann werd' ich hören
Den teutschen Laut,
Wie Klang der Sphären
So voll, so traut?

Doch was mir raube
Der Feinde Wut,
Mir bleibet Glaube,
Mir bleibet Mut!

In meinem Herzen
Ist Ewigkeit.
Bei jenen Kerzen
Ist Freiheit weit!«

Ich sann und wachte
Die sechste Nacht,
Als plötzlich lachte
Des Morgens Pracht.

Da schaut' ich betend
Zur Sonn' hinan.
Die hocherrötend
Den Lauf begann  

Es war der zehnte
Im Monat März
 
Ich hofft' und wähnte
Voll süßem Schmerz.

O Lebensahnung,
Die Leben schuf,
Und du, o Mahnung,
O Freiheitsruf!

O süße Spende,
Wer gab dich mir?
Die freien Hände
Heb' ich nach ihr!

Es will dich preisen,
Du Herrliche,
Mit Harfenweisen
Der Selige.    

Kann ich's erwägen?
Mit Liedsgewalt
In Fesseln legen
Die Urgestalt?

Verstummen, schweigen
Vor Lust will ich,
Anbetend neigen
Zur Erde mich!  

Ich feire dankend
Das Fest auch heut,
Von der nicht wankend,
Die mich befreit!

3. An ein Gemach.

O schmücke dich mit heiligem Geräte,
Gemach, das einen Himmel bald umhüllt,
Das bald, wie Duft an einem Rosenbeete,
Die Herrliche mit ihrer Gottheit füllt.
Die Königin von allen Königinnen,
Sie will hier schlummern, will dich liebgewinnen.

Noch größern Ruhm, Gemach, sollst du erringen,
Den keine Zunge, kein Gesang erreicht,
Ein Lichtglanz soll aus deinen Mauern dringen,
Der einzig ihr an Götterschönheit gleicht.
Es schaut in stillem, gläubigem Entzücken
Ein treues Volk nach dir mit Hoffnungsblicken.

Wohl tausend Ritter möchten dich bewahren,
Dein beßrer Hüter ist der Geist in dir;
Es fliehen fern die Schrecken, die Gefahren,
Des Ortes Heiligkeit verjagt sie hier,
Und alle Genien und Götter stellen
Als Wächter sich an dieses Tempels Schwellen!

4. Die Rosenknospen an ihre Königin.

Die Stürme durchwüten
Im Winter den Baum,
Doch schlummern wir Blüten
Im seligen Traum.

Von Blättern umgeben,
Von Göttern bewacht,
Gedeiht unser Leben
In Winter und Nacht.

Wollst, Göttin, uns pflegen
Mit sonnigem Blick
Und spenden uns Segen,
Als unser Geschick.

Bald naht, uns entfaltend,
Der Lenz, unser Freund,
Ein Leben gestaltend,
Das selten erscheint.

O Wesen, gesendet
Von himmlischer Au,
Dein Vaterland spendet
Dir Sonne, dir Tau.

Ob wir auch vergehen,
So schnell als der Mai,
Wir duften, wir wehen
Von Lieb' und von Treu'.

5. Auf den Tod der Königin.

Rose, schöne Königsrose,
Hat auch dich der Sturm getroffen?
Gilt kein Beten mehr, kein Hoffen
Bei dem schreckenvollen Lose?

Lippen, welchen Trost entflossen,
Augen, die wie Sterne funkeln,
Muß euch Grabesnacht umdunkeln,
Hat euch schon der Tod geschlossen?

Seid ihr, hochgeweihte Glieder,
Schon dem düstern Reich verfallen?
Haupt, um das die Locken wallen,
Sinkest du zum Schlummer nieder?

Sink in Schlummer, aufgefunden
Ist das Ziel, nach dem du schrittest,
Ist der Kranz, um den du littest,
Ruhe labt am Quell der Wunden.

Auf, Gesang, vom Klagetale!
Schweb' empor zu lichten Hallen,
Wo die Siegeshymnen schallen,
Singe Tröstung dem Gemahle!

Sink an deiner Völker Herzen,
Du im tiefsten Leid Verlorner,
Du zum Martyrium Erkorner,
Auszubluten deine Schmerzen.

Herr und König, schau' nach oben,
Wo sie leuchtet gleich den Sternen,
Wo in Himmels weiten Fernen
Alle Heiligen sie loben.


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