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Künstlerleben.

Erhabner, seliger Beruf,
Zu dem der Geist, der alles schuf,
Mich vor der Zeit und Ewigkeit
Als seinen Priester eingeweiht!

Ein Tempel, wo der Künstler lebt,
Wo rings um ihn die Gottheit webt,
Die er, wohin sein Fuß auch dringt,
In ihrer Fülle mit sich bringt!

Sie nahm ihn früh auf ihren Schoß,
Sie herzte ihn, sie zog ihn groß,
Und wo er geht und wo er steht,
Ihr Lebensatem ihn umweht.

Wie lächelt ihm die grüne Flur,
Er liest im Sanskrit der Natur;
Wohin er fällt, sein Schöpferblick,
Entströmt ihm Leben, Freud' und Glück.

Wenn abends er zur Zelle flieht,
Mit ihm hinein die Göttin zieht,
Es kommt der sanfte Mondenschein,
Zum Heiligtum den Ort zu weihn.

Der Jüngling sinkt aufs Lager hin,
Und hoch und höher strebt sein Sinn,
Ihm öffnet sich das Himmelstor,
Im Traume steigt, sein Geist empor.

Wer singt es, was er dort erblickt?
Wer ward ins Paradies entrückt?
Wer je von Hebes Becher trank,
Entweiht ihn nicht durch Erdensang.

Frühmorgens ihn Aurora küßt,
Mit Dichtergruß er sie begrüßt,
Drauf naht er seinem Hochaltar
Und bringt sich selbst zum Opfer dar.

»Fleug himmelan, mein Genius,
Und schwelge dort im Überfluß
Der Gottheit, die dich zu sich nimmt
Und dir die goldne Leier stimmt.

Entbrenne dort in Schöpferkraft,
Die Leben aus dem Tode schafft,
Und stell' es dar in Wort und Bild,
Das Heilige, das dich erfüllt!«

Wer naht sich ihm im milden Glanz,
Bringt Lorbeer ihm und Myrtenkranz?
Das Ideal, das ihn umschwebt,
Hat es ein Gott für ihn belebt?

»Willkommen auf der Erde hier!
Bist willkomm' und gesegnet mir!
Nimm Altar gleich und Tempel ein,
Füll' ihn mit deinem Heil'genschein.«

Die Himmlische, sie lacht, sie winkt,
Und er an ihren Busen sinkt
Und schmilzet hin in ihrer Glut
Und fließet in die ew'ge Flut.

O Liebe, Liebe, Dämmerung
Von schönerer Verherrlichung,
Des goldnen Tages Morgenrot,
Dein Friedensherold ist der Tod.

Von dir erquickt, von dir gelabt,
Mit einem höhern Sinn begabt,
Von deinem Leben angehaucht,
Dem Wonnemeer der Geist enttaucht.

Von Stolz und Eigendünkel fern
Schwebt er; so schwebt der Morgenstern,
Wenn er des Meeres Schoß entsteigt
Und jeder Stern um ihn erbleicht.

Von dir gestählt, von dir beschwingt,
Er kühn durch alle Schöpfung dringt,
Er späht und er erspäht den Geist,
Den Quell, draus alles Leben fleußt.

Wie flieht des Wahnes Schein und Dunst,
Wie lächelt ihm die ew'ge Kunst,
Und in der Kunst sieht er nur dich,
Und Leben rings entfaltet sich!

O nimm mich traulich in den Arm,
Hier ist es still, hier ist es warm.
Da draußen ist's so kalt und rauh.
Hier Mondenschein, dort Nebelgrau!

Erhabner, seliger Beruf,
Zu dem der Geist, der alles schuf,
Den Künstler vor der Ewigkeit
Als seinen Priester eingeweiht.

Umfächle stets mich Himmelsluft,
Verweh' nicht Paradiesesduft  
Mit Leib und Seele ganz und gar
Weih' ich mich deinem Hochaltar.


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