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Das wundertätige Almosen

Man erzählt, daß ein gewisser König seinem Volk folgendes befahl: Wenn jemand von euch fürder Almosen gibt, so wird ihm die Hand abgehackt. Und von demselben Tage an gab es im ganzen Reich niemand mehr, der Almosen gab.

Da kam eines Tages ein Beduine zu einem Weib und flehte, von Hunger gequält: »Gib mir ein Almosen!« Das Weib aber antwortete: »Wie könnte ich dir ein Almosen geben, da der König befohlen hat, jedem die Hand abzuhacken, der künftig Almosen gibt!« Der Bettler aber flehte: »Ich beschwöre dich bei Gott, dessen Name gepriesen sei, daß du mir eine Wohltat erweist; denn ich sterbe vor Hunger.« Und als das Weib hörte, wie er sie bei Gott beschwor, ging sie hin und gab ihm zwei Brote.

Solches wurde dem König berichtet. Er ließ das Weib vor sich führen und ihr beide Hände abhacken. Und sie kehrte zurück in ihre Hütte. Nach einiger Zeit sagte der König zu seiner Mutter: »Ich möchte eine Gattin nehmen. Verschaffe mir eine unter den schönen und sittsamen Frauen meines Landes.« Und die Mutter antwortete: »Unter unsern Sklavinnen ist ein Weib, so schön, daß keine ihr gleichkommt; aber sie hat ein schweres Gebrechen.« »Und welches ist dies Gebrechen?« fragte der König. »Es fehlen ihr beide Hände«, antwortete die Mutter. Der König sprach: »Ich wünsche sie zu sehen.« Und als der König sie gesehen hatte, war er berauscht von ihrer Schönheit und nahm sie zur Gattin. Jenes Weib aber war dieselbe, die dem Beduinen das Almosen gegeben hatte und deshalb ihrer Hände beraubt worden war.

Als der König sie zur Gattin erhoben hatte, wurden die andern Frauen eifersüchtig. Und sie sandten ihm ein Schreiben, worin sie erklärten, jenes Weib sei dem König nicht treu und habe bereits einen Sohn geboren. Der König schrieb einen Brief an seine Mutter und befahl ihr, seine Gattin in die Wüste zu führen und dort ihrem Schicksal zu überlassen.

Die Mutter vollführte den Auftrag und ließ die Unglückliche hinausführen in die Wüste. Da fing das Weib an zu weinen und über ihr Schicksal zu jammern. Und während sie des Weges wanderte, ihr Kind in einem Bündel, gewahrte sie ein Wasser und stieg hinab, um den brennenden Durst zu löschen. Und als sie das Haupt zurückbog nach ihrem Kind, sah sie, daß es ins Wasser gefallen war, derweil sie getrunken. Da weinte sie heftiger und jammerte lauter über ihr Schicksal.

Wie sie weinend da saß, kamen zwei Männer und fragten sie: »Warum weinst du?« Sie antwortete: »Ich hatte ein Kindlein in einem Bündel, und es ist in diesen Bach gefallen.« Sie sprachen: »Willst du, daß wir das Kind dir frisch und gesund zurückgeben?« Sie rief aus: »Ja.« Und die zwei Männer flehten zu Gott, dessen Name gepriesen sei, und das Kind entstieg frisch und gesund dem Wasser. Und die Männer sprachen: »Wünschest du, daß Gott dir die Hände zurückgebe, die du besessen hast?« Und sie rief aus: »Ja.« Und sie flehten zu Gott, dessen Name gepriesen sei, und das Weib erhielt plötzlich seine Hände wieder, die es vorher besessen. Hierauf sprachen die Männer: »Weißt du, wer wir sind?« Sie antwortete: »Gott weiß alles.« Und die Männer sprachen: »Wir sind die beiden Brote, die du als Almosen dem Bettler gegeben hast und die Ursache waren, daß dir die Hände abgehauen wurden. Deshalb lobe Gott, dessen Name gelobt und dessen Allmacht gepriesen sei; denn er hat dir das Kind und deine Hände zurückgegeben.« Und sie lobte Gott, dessen Name gepriesen sei, und rühmte seine Allmacht.

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