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Die Sklavin

Man erzählt von einem Menschen in El Basra, der hatte eine Dienerin gekauft, die ebenso schön als tugendhaft war. Er fand an ihr sein Wohlgefallen, so daß er sie in mancherlei Fertigkeiten und Künsten unterweisen ließ. Auch scheute er keine Mittel, um ihr das Leben angenehm zu gestalten. Da er aber größere Ausgaben machte, als sein Vermögen erlaubte, geschah es, daß er verarmte.

Als das Mägdlein gewahrte, daß er völlig mittellos geworden war, sprach sie zu ihm: »Herr, dein Geld ist alle, und mich jammert deine Armut, die du mir verschweigst. Darum verkaufe mich, weil wir sonst wohl beide Hungers sterben müssen. Wenn du mich verkaufst, wirst du mit dem Erlös deine Schulden abtragen können und, wenn es Allah gefällt, wieder zu Wohlstand gelangen.«

Darauf entschloß sich ihr Herr, auf ihren Vorschlag einzugehen; denn seine Bedrängnis war groß. Er geleitete sie auf den Marktplatz von El Basra und bot sie dem Statthalter an, der sich Abdullah, Sohn des Moamar El-Teymi, nannte. Sie gefiel diesem, und er erwarb sie um fünfhundert Goldmünzen.

Als der andere das Geld empfangen hatte und im Begriff war, davonzugehen, fing die Sklavin an zu weinen, und sie sagte diese Verse:

»Geliebter Herr, leb' wohl! Dein Bild,
Im Herzen trag' ich's dankerfüllt.
Sei glücklich, Guter, allezeit;
Doch mich begleitet Herzeleid.«

Als ihr vormaliger Gebieter solches hörte, konnte auch er sich nicht enthalten zu weinen, und er antwortete mit diesen Worten:

»Geliebtes Kind, leb' wohl, ich trage
Dein Bild im Herzen alle Tage.
Wie liebeleer wird nun mein Leben!
Oh, wolle mir mein Tun vergeben.«

Als Ibn Moamar ihre Verse vernommen hatte und daraus die Tiefe und Aufrichtigkeit ihres Schmerzes erkannte, sagte er: »Dem Allerbarmer wird es nicht gefallen, daß ich die Ursache eurer Trennung sei. Denn er gab euch ein, daß ihr einander in liebender Hingabe zugetan seid. Darum, Jüngling, nimm dieses Mägdlein und behalte es samt dem Erlös, den du bereits in Händen hast. Und möge Gott, dessen Name gepriesen sei, euren Bund segnen!«

Da küßten die beiden Jugendlichen dem hochherzigen Emir die Hand und gingen glückselig davon. Und sie lebten in liebender Hingabe weiter beisammen, bis der Tod sie trennte.

*

 


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