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Sechs und fünfzigster Brief.

Hamburg –

Der Körper, lieber Bruder, befindet sich durchaus in Norddeutschland grade um so viel schlechter, als sich der Geist überhaupt besser befindet, dann in Süddeutschland. Jenseits des Erzgebürges sind die Wirthshäuser, Strassen, Postwägen und alle Dinge, die auf den Thiermenschen wirken, in dem besten Zustand. Diesseits des Erzgebirges sind die Wirthshäuser auf dem Lande nicht viel besser als die spanischen. Die Strassen sind wie die hungarschen, und anstatt der Postkutschen hat man hier eine Art grosser und plumper Bauernwagen, ohne Dach und Fach, worauf sich die Passagiers aufs Stroh hinlegen, wie die Schweine, und allem Ungemach der Witterung ausgesetzt sind. Dagegen findet man hier überall die besten Gesellschaften, fast in jeder noch so kleinen Stadt einige merkwürdige Fabriken, Sammlungen von Kunstsachen, Bibliotheken, Mäurerlogen, u. dgl. m. und fast jeder Landpfarrer hat hier mehr Welt= und Menschenkenntniß, als mancher Hofmann in Süddeutschland.

Die Natur hat im physischen Betracht beyde Hälften Germaniens schon sehr verschieden gemacht. Sachsen, welches der beste Theil vom nördlichen Deutschland ist, kömmt in Rücksicht auf natürliche Fruchtbarkeit doch mit Böhmen, Oestreich, Bayern und Schwaben in keinen Vergleich, und der Boden von Brandenburg, Pommern und Meklenburg hat nicht halb soviel natürlichen Werth, als der von Süddeutschland in gleicher Grösse.

Das Herzogthum Meklenburg ist ohngefähr so groß als das Herzogthum Würtemberg. Dieses zählt 560.000 Einwohner, und trägt seinem Fürsten beynahe 2 Millionen Reichsthaler ein, da jenes kaum 220.000 Menschen enthält, und nicht viel über 400.000 Reichsthaler abwirft, wovon die Schwerinische Linie der Herzoge drey, und die Strelitzische Ein Viertel zieht. Bey der so ungleich stärkeren Bevölkerung könnte das Würtembergische doch noch sehr gemächlich alle Einwohner Meklenburgs mit seinem Ueberfluß ernähren. Wenn man einen Kalkul machte, so würde sich finden, daß das Herzogthum Würtemberg fünf bis sechsmal so viel natürlichen Werth hat als das Meklenburgische, ungeachtet der vortheilhaftern Lage des letztern an der See.

Im malerischen Betracht ist das Meklenburgische schöner und mannichfaltiger als die Mark Brandenburg, ob man schon in beyden Ländern keine eigentlichen Berge zu Gesicht bekömmt; denn die Dinge, welche man in diesem ganzen Strich mit dem Titel von Gebirgen beehrt, sind im Vergleich mit wahren Gebirgen nur Maulwurfhaufen. Unterdessen sah ich doch in Meklenburg einige sehr reitzende Landschaften, wo sanfte mit mannichfaltigem Gehölze bekränzte Hügel, wogigte und mit Getraide vergoldete Anhöhen und prächtige Wiesen mit einigen Bauernhütten rings um einen kleinen See her, ein vortrefliches Gemählde ausmachten.

Die meklenburgischen Bauern sind ein schöner und starker Schlag Menschen. Ihr lockigtes und blondes Haar erinnert den Reisenden an die alten Germanier, die dem römischen Luxus ehedem die auream caesariem auream caesariem – blondes Haar, ein wichtiger Exportartikel der Germanen, besonders begehrt war Frauenhaar lieferten, welche auf dem Kopf eines dünnbeinigten, bleichgelben und hustenden jungen Senators oder einer hohlaugigten Liebhaberin der Thiere mit den langen Ohren, Liebhaberin der Thiere mit den langen Ohren – eine Sodomitin wofür Juvenal einen Theil der Damen seiner Zeit ausgiebt, die größte Satyre auf das Verderben Roms in den Augen des Denkers seyn mußte.

Alle Bauern in Meklenburg sind zwar Leibeigne; allein ihr Schiksal ist eben so hart nicht, weil der Adel menschlich, aufgeklärt und sehr gesittet ist. Dieser genießt nebst den Bürgern einiger Städte hier eine Freyheit, die er schon vor langer Zeit im ganzen übrigen Deutschland verloren hat. Die Herzoge von Meklenburg nebst dem Kurfürsten von Sachsen sind die eingeschränktesten Fürsten des Reiches, und keine Reichshofrathsreskripte, Reskript – amtliche Verfügung, Erlaß die sie in den vielen Streitigkeiten mit ihren Landständen schon ausgewirkt haben, konnten bisher noch den Adel demüthigen, der seine Eifersucht auf die Gewalt der Regenten oft bis ins Lächerliche treibt. Die Herzoge erhielten durch den Teschner Friedensschluß Teschner Friede – beendete 1779 den Bayrischen Erbfolgekrieg zur Befriedigung ihrer Ansprüche auf die Landgrafschaft Leuchtenberg das sogenannte lus de non appellando us de non appellando – Recht der letzten Instanz oder das Recht, kraft dessen keine Streitigkeit von ihren Gerichten an die Reichstribunalien Reichstribunal – höherstehendes Reichsgericht gezogen werden kann. Sie glaubten nun, ein entscheidendes Uebergewicht über ihre Landstände zu haben; allein diese protestirten gegen dieses Privilegium, weil dadurch ihre Freyheiten vernichtet würden, und die Sache ist noch nicht ausgemacht. Wahrscheinlicher Weise werden sich die Herzoge im Besitz eines Rechtes erhalten, welches ausser den Kurfürsten wenige andre Reichsstände besitzen, und dadurch eine vollkommne Souveränität in ihren Landen erhalten.

Wenn ich Euch Leuten in der grossen Welt sage, daß man an der Loknitz, Stör, Reknitz, Warne und an andern Flüssen, die ihr in euerm Leben nicht habt nennen gehört und die nichts desto weniger so gut als die Somme, Schelde, Sambre u. s. w., und zum Theil auch schiffbare Flüsse sind, sehr gute Gesellschaften findet, so sprecht ihr einstimmig das Urtheil, mein Geschmak sey durch die grobe deutsche Luft verdorben worden. Unterdessen versichre ich Euch, Ihr würdet die Gesellschaft selbst gut heissen, wenn ihr auch, warm in Euern Betten parfümirt, und wohl eingeschlossen in Euern Kabinetchen durch den Schlag eines magischen Stabes in einen Zirkel von meklenburgischem Adel versetzt würdet, ohne nur ein Drachma Drachma – antikes Gewicht, etwa 5 g deutsche Luft unterwegs einzuathmen, und wenn ihr auch gleich keine Academiciens, Academicien – Akademiemitglied keine Abbes, keine Virtuosen, keine Journalisten, keine Komödianten und keine von den Personen findet, welche Ihr zur Würze Eurer Gesellschaften braucht. Die Natur, der gesunde Menschenverstand und die reine Gutherzigkeit geben dem Umgang hier eine kräftigere und nahrhaftere Zubereitung, als Eure Histoires und Anekdotes du jour, Histoires ... – Geschichten und Anekdoten vom Tage Eure Komödien, fliegende Broschüren und alle Eure künstlichen Brühen, worunter ihr auch so viel Assa fötida Assa fötida – Asa foetida: Heilpflanze (Doldengewächs), riecht und schmeckt widerlich zu mischen pflegt. Geselliger und gastfreyer fand ich noch keinen Adel, als den von Meklenburg, besonders in und um Güstrow. Er ist auch mit der feinen Lebensart und der grossen Welt so unbekannt nicht, als Ihr wohl wähnt. Die Tafeln sind hier vortreflich besetzt, und man findet viele Leute mitunter, die eine grosse praktische Kenntniß vom Hofleben haben. Die Litteratur ist durch alle Stände, die über dem Pöbel sind, ausgebreitet. Die Frauen wissen nichts davon, was Ton geben heißt. Sie haben nichts von dem Vordringlichen und Herrischen, und auch nichts von Eroberungssucht unserer Landsmänninnen. Sie sind sanft, nachgiebig gegen ihre Gatten, still und züchtig. Allein alles, was sie reden, ist so naiv und so herzig, daß mir der Witz unserer berühmtesten Gesellschafterinnen im Kontrast damit anekeln würde.

Ich fand es sehr natürlich, daß ich auf meinen deutschen Reisen durchaus sehr viel von dem jetzigen Krieg der jetzige Krieg – der amerikanische Unabhängigkeitskrieg sprechen hörte. Die Nation nimmt wenigstens in Rücksicht auf ihre Miethtruppen Miethtruppen – die deutschen Fürsten verkauften dem englischen König 30.000 Soldaten. Vgl. »Kammerdienerszene« in »Kabale und Liebe« von Schiller einigen Theil daran, und da sie seit einem Jahrhundert der Mittelpunkt aller europäischen Kriege war und überhaupt sehr kriegerisch ist, so wundert es mich eben nicht, daß über hundert inländische Zeitungen kaum hinreichend sind, ihren Hunger nach Kriegsneuigkeiten zu stillen. Unerklärlich ist mir aber die große Partheylichkeit der Deutschen für die Engländer. Unter hundert Deutschen findest du kaum Einen, der unsre Parthey nimmt. Besonders sind die Meklenburger bis zur Schwärmerey für die Britten eingenommen. Ich war an vielen Orten, wo man kleine gesellschaftliche Feste giebt, wenn die Göttin mit den zwo Trompeten, Göttin mit den zwo Trompeten – Fama, die antike Göttin des Gerüchts one before and one behind, one before and ... –ob sie »eine Trompete zuvor und die andere danach« bläst, wissen wir nicht ein den Engländern günstiges Gerüchte verbreitet. Man findet etwas grosses in den Thaten und dem Karakter der Britten, welches man auf unsre Kosten bis zur Abgötterey verehrt und bewundert. Auch ausser den Kriegsoperationen sind die Deutschen bis zur Ausschweifung gegen uns unbillig. Man hält unsre Regierung für die Quintessenz des Despotismus, und uns überhaupt für ein tükisches und betrügerisches Volk, da wir doch Bonhommie Bonhommie – Bonhomie: Gutmütigkeit und Offenherzigkeit für unsre Hauptnationaltugenden halten, die uns auch viele Ausländer zugestanden haben. Die Projekteurs und Avanturiers, welche Frankreich ausgeworfen hat, und die in Deutschland ihr Glück zu machen suchten, mögen das meiste zu diesem Vorurtheil beygetragen haben. Ich könnte es den Deutschen nicht verzeihen, unsre ganze Nation nach diesem Auswurf so einseitig zu beurtheilen, wenn ich nicht wüßte, daß man bey uns ebenso ungerecht gegen sie ist, und den Baron, der mit seinem bordirten Rok und seiner bordirten Weste in Paris manchmal eine drolligte Figur spielt, als das Muster vom deutschen Adel betrachtet. Die Nationen müssen überhaupt einander viel verzeihen, und es ist auch sehr leicht zu verzeihen, wenn die Vorurtheile dieser Art wie in Frankreich und Deutschland, den Individuis unschädlich sind, so sehr auch die Nationalehre darunter leiden mag. In England, Holland und einigen andern Ländern haben sie für den Partikularen öfters schlimme Folgen, und dieß ist unverzeihlich.

Der erste Anblick des Innern der Reichs= und Hansestadt Hamburg ist sehr eckelhaft und abschrekend. Die meisten Strassen sind enge, dumpfigt und schwarz, und das gemeine Volk, welches sie durchwühlt, ist grob, wild und im ganzen auch nicht sehr reinlich. Sobald man aber in einigen der bessern Häuser bekannt ist, bekömmt man einen vortheilhaftern Begriff von der Stadt. In den Häusern der reichern Kaufleute herrscht Gemächlichkeit, Reinlichkeit, Pracht und zum Theil auch Verschwendung. Die Hamburger sind die ersten Protestanten, die ich sah, welche im Essen und Trinken gut Deutschkatholisch geblieben sind. Ihre Tafeln übertreffen noch jene der Wiener, Grätzer, Prager und Mönchner, und vielleicht wird nirgends in der Welt so viel auf den sinnlichen Geschmak raffinirt, raffinirt – abgeleitet von Raffinement: durch Geschicklichkeit erreichte höchste Verfeinerung als hier. Die Gärtnerey ist in wenig Städten Deutschlands so blühend als hier, und doch begnügt man sich nicht mit den vortreflichen Zugemüsen, welche der vaterländische Boden liefert, sondern beschreibt sich manche Gattungen derselben aus England, Holland und einigen Gegenden Deutschlands, bloß weil die Mode den ausländischen Gewächsen einen Vorzug beygelegt hat. Aus Norden, Osten, Süden und Westen treibt man alles zusammen, was nur jedes Land Eigenes und Kostbares für den Tisch hat. Es würde deinen Glauben übersteigen, wenn ich dir ein vollständiges und getreues Gemählde von der hiesigen häuslichen Lebensart machte. Du kannst dir einigen Begriff davon machen, wenn ich dir sage, daß man in den guten Häusern hier zu jeder Speise einen besondern Wein giebt. Nach der hier allgemein herrschenden Grundlehre des Essens und Trinkens hat der Burgunder, der Schampagner, der Malaga=Porto=Madera=Rhein= und Moselwein, jeder seine besonders angewiesene Speise, auf welche er paßt, und so wie die Tracht kömmt, für welche die Natur nach dem Ausspruch des weisen Hamburgers diese oder jene Gattung Wein geschaffen hat, so werden frische Gläser mit der gehörigen Sorte gekredenzt. Zu jungen grünen Bohnen die Schüssel oft für einen Dukaten, mit neuen Häringen das Stück oft um Einen Gulden, trinkt der Hamburger gewiß keinen andern als Malagawein, und zu neuen grünen Erbsen ist der Burgunder das anständige Vehikulum. Austern müssen notwendiger weise im Schampagner schwimmen, und ihre köstlichen gesalzenen Fleische werden bloß mit Porto oder Maderawein konvoyiert. konvoyiren – begleiten Du must nicht glauben, dieß geschehe bloß bey Feyerlichkeiten. Nein; es ist die alltägliche Art der hiesigen Reichen. Die ganze übrige Lebensart stimmt mit diesem Geschmack überein. Ich mußte schon einige Besuche in den Landhäusern vor der Stadt machen, die unzälig sind. Equipage, Meublen, Spieltische, kurz, alles entsprach dem Reichthum der Tafel. Eine gewöhnliche Gesellschaft von Leuten von Stand zu Paris ist selten glänzender, als die hiesigen Partheyen in den Sommerhäusern sind, und schwerlich wird in Paris im Ganzen so hoch gespielt, als hier. Häuser, die jährlich 20 bis 30 tausend Livres verzehren, gehören noch unter die mittelmäßigen, und wenn sich gleich die Familien bloß durch ihre Industrie erhalten müssen, und fast gar kein Adel hier ist, der seine gewissen Revenüen von liegenden Gründen hat, so sind doch der Häuser, die 40, 50 bis 60 tausend Livres zu ihrer Wirthschaft brauchen, sehr viele.

Bey dem Hang zur Sinnlichkeit vernachläßigt man aber hier doch den Geist nicht, wie in Süddeutschland. Die Hamburger von der höhern Klasse sind noch munterer, geselliger, gesprächiger und wiziger als die Sachsen. Man findet hier viele Gelehrte vom ersten Rang. Besonders steht hier die Naturgeschichte Naturgeschichte – Naturkunde in großer Achtung, wie denn auch ein Hamburger dem Ritter Linne Linne – Carl von Linné, schwedischer Naturwissenschaftler, entwickelte die moderne biologische Systematik, † 1778 die Grundidee zu seinem Natursistem gegeben hat. Da viele der hiesigen jungen Leute, meistens des Handels wegen auf einige Zeit nach London, Petersburg, Bordeaux, Kadix und nach andern Seeplätzen gehn, wo sich Aeste von hiesigen Handelshäusern angepflanzt haben, so trift jeder Fremde hier Leute an, die mit seinem Vaterland bekannt sind. Ueberhaupt reisen die Hamburger viel, welches die hiesigen Gesellschaften besonders lebhaft und unterhaltend macht.

Das hiesige Frauenzimmer ist schön, artig, und freyer im Umgang, als es in protestantischen Städten gemeiniglich zu seyn pflegt. Ueberhaupt herrscht hier eine Lebhaftigkeit, die man so tief in Norden nicht suchen sollte, und welche mit den holländischen Handelsplätzen stark absticht. Ohne Zweifel trägt die gute Tafel das meiste dazu bey. Eine dieser Stadt ganz eigne Belustigungsart bietet der Alsterfluß dar. Er fließt von Norden fast mitten durch die Stadt, und bildet in derselben einen See, der wohl seine 1000 Schritte im Umfang haben mag. An den jetzigen schönen Sommerabenden ist dieser See fast ganz mit einer Art Gondeln bedekt, die aber nicht so traurig aussehn als die venetianischen. Man speißt Familien= und Parthienweise fahrend in diesen Gondeln mit der gewöhnlichen Niedlichkeit der Hamburger zu Nacht, und ein mit Musik beseztes Fahrzeug schlängelt sich öfters durch die gedrängte Reihen dieser Gondeln durch. Das Ganze hat eine unbeschreiblich gute Wirkung, besonders da nahe bey dem See ein öffentlicher, starkbesuchter Spazierplatz ist, dessen Lebhaftigkeit jene des Sees noch sehr erhebt.

Nahe über der Stadt liegen an der Elbe einige Dörfer, die vier Lande genannt, die im Sommer auch ein besonderer Tummelplatz des öffentlichen Vergnügens sind. Die Bauern dieser Dörfer sind sehr wohlhabend, und ziehn durch ihre vortreflichen Gemüse, besonders ihre berühmten grünen Erbsen, eine unglaubliche Summe Geldes aus der so lekerhaften Stadt. Täglich findet man im Sommer Lustparthien von Stadtleuten in diesen Dörfern, wo eben so viel Reinlichkeit als Ueberfluß im Essen und Trinken herrscht. Die unvergleichlich schönen Bauernmädchen, deren Kleidung die schönste ist, die ich je unter Landmädchen gesehn, locken auf Kosten ihrer Unschuld, die jungen Herren schwarmweise aus der Stadt, von denen sich mancher auch auf einige Wochen unter dem Vorwand einer Milchkur in einem der Dörfer einquartirt, um seiner Liebe nachhängen zu können. Läßt dieselbe sichtbare Spuren zurück, so haben die Bordels und die Zuchthäuser der Stadt eine neue Acquisition Acquisition – Akquisition: Erwerbung gemacht, die sie immer wechselsweis einander abtreten, bis die Waare ins Hospital muß. Diese sogenannten vier Lande liefern der Stadt nebst den Zugemüsen, der Butter, Milch, den Heu u. dgl. m. auch die meisten Freudenmädchen und die meisten öffentlichen Spinnerinnen. – Das hart an der Stadt gelegene Altona bietet den Hamburgern noch unzälige Gelegenheiten sich zu belustigen dar. Der König von Dänemark, welcher diesen Ort aus Eifersucht auf Hamburg auf alle Art blühend zu machen sucht, scheint den Bordels und Wirthshäusern dieser Stadt eben so viel Abbruch, als der Handlung derselben thun zu wollen. Durch seine Bemühungen ist Altona wirklich in kurzer Zeit aus einem Dorf eine Stadt von ohngefähr 35.000 Einwohner geworden, unter denen aber freylich sehr viel Gesindel ist.

Die Gegend um Hamburg ist sehr reitzend, ob sie schon eben ist. Der mannichfaltige und fleißige Anbau giebt sehr viel Leben. Das meiste trägt aber das Gewässer zu ihrer Schönheit bey. Der Fluß, welcher der Stadt unsägliche Vortheile verschaft, und den sie als die äusserste Zollstadt größtentheils beherrscht, hat vor derselben 7/4 [¼?] Stunden in der Breite, und bildet verschiedene Inseln, auf welche man auch häufige Lustparthien macht. Der Anblik dieses mächtigen, starkbeschiften und zum Theil mit schattigten Inseln bedeckten Stromes hat viel Majestät.

Ungeachtet des vielen Gewässers und der tiefen Lage der Stadt ist die Luft hier doch sehr gut, weil sie immerfort und von allen Seiten von starken Winden gereinigt wird. Der Nordwestwind ist der Stadt sehr gefährlich. Er hemmt den Ausflug des Stromes, und verursacht ungeheure Ueberschwemmungen, welche oft den untern Theil der meisten Häuser mit Wasser anfüllen, und auf dem Lande umher unbeschreibliche Verheerungen anrichten.


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