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Fünfzigster Brief.

Berlin –

Durch ganz Deutschland, und besonders durch ganz Sachsen nimmt man es als die ausgemachteste Wahrheit an, der König von Preussen habe falsche Handlungsgrundsätze. In den holländischen Kaffeehäusern, den wahren Pfützen alles politischen Unsinns, spricht man ihm sogar auch die allerersten Begriffe vom Handlungswesen ab. Den auswärtigen Kaufleuten kann ich es nicht übel nehmen, wenn sie den König lästern; denn sie sprechen wie Cicero für sein Haus. Sie können mit den Grundsätzen des Königs, die ihnen alle Wege verschliessen, seinen Unterthanen das Geld abzunehmen, unmöglich zufrieden seyn.

Aber auch hier und in den übrigen preußischen Städten hört man die nämlichen Klagen. Man schreyt über die Akzise, Zölle, Monopolien, und preist allgemein die Freyheit als die Seele der Handlung an. Es ist wahr, die Akzise machen die Verarbeitung in den Fabricken so kostbar, daß verschiedne preußische Manufakturen, deren Produkte von der ersten Güte sind, mit andern Nationen nicht konkurriren können. Es ist wahr, die Monopolien versperren der bürgerlichen Industrie viele Wege. Ich glaube aber, daß alles das eine wesentliche Verbindung mit dem ganzen Regierungssistem des Königs hat, und daß man die politische Wahrheit der Grundsätze, worauf das Akzis= und Monopoliengebäude beruht, wie viele andre Dinge in den preußischen Landen, deßwegen nicht einsieht, weil sie zu einfach ist, und zu nahe vor unsern Augen liegt.

Weder die Handlung, noch die Manufakturen, noch irgend sonst ein Fach der bürgerlichen Industrie, welches eine grosse Ungleichheit in dem Nationalvermögen machen, und einem Theil der Unterthanen zu einem schnellen und unmäßigen Reichthum verhelfen könnte; sondern bloß der Feldbau ist der Hauptgrundstein des preußischen Staatsgebäudes. Auf diesem Standpunkt muß man die Politik des Königs betrachten, die in allen ihren Theilen die schönste Symmetrie hat.

Es war also diesem Hauptgrundsatz gemäß, daß der Theil der Unterthanen, welcher der unzahlreichste ist, die leichtesten Beschäftigungen hat und sehr geneigt ist, auf Kosten des arbeitenden Landmanns zu schwelgen, nach dem Verhältniß das meiste zu der Staatskasse beytragen sollte. Wer sich die Mühe nimmt, die preußischen Akzise mit einander zu vergleichen, der findet leicht, daß sie mit dem Luxus in dem genauesten Verhältniß stehn, und wie es ihre Natur erfodert, immer desto schwerer sind, je weiter sich der Konsumtionsartickel, worauf sie liegen, von den einfachen Bedürfnissen des Lebens entfernt, die der inländische Feldbau liefert. Die Akzise sind daher auch veränderlich, und müssen es seyn. Der König bekömmt die genauesten Tabellen von den Sachen, welche der Luxus aus der Fremde bezieht. Sieht er, daß ein Artickel unmäßig steigt, so erschwert er durch die Erhöhung der Akzise die Konsumtion desselben, wie er es vor kurzem mit dem Kafee machte, der nach seinen Listen in den leztern Jahren einige Millionen Livres aus seinen Landen zog. Er empfahl dafür seinen Unterthanen warmes Bier, welches das Inland liefere, das eine gesundere und wirklich auch schmakhaftere Nahrung sey, als der Kafee, und bey welchem er sich selbst in seiner Jugend sehr wohl befunden habe. Er bemerkte sogar, daß aus Sachsen jährlich für ohngefähr 12.000 Gulden Eyer nach Berlin gebracht wurden, und um seinem Land diese Abgabe zu ersparen, belegte er die sächsischen Eyer mit einer grossen Abgabe, und munterte seine eignen Bauern zur Hühnerzucht auf. Doch dieser Grundsatz ist einer der einfachsten in der Staatswirthschaft, der in allen aufgeklärten Ländern, nur nicht mit der preußischen Genauigkeit und Billigkeit, beobachtet wird. Das Zoll= und Akzissistem der Engländer und Holländer ist gegen das Essen und Trinken viel unbarmherziger, als das preußische. Es ist ein Sprüchwort, daß man in Holland eine Schüssel Fische fünfmal dem Staat, und einmahl dem Fischer bezahlen müsse.

Die Klagen, welche einigen Schein von Grund haben, beziehen sich auf die nothwendigsten Bedürfnisse des Lebens, deren Auflagen immer auch sehr hoch sind, und wodurch der Arbeitslohn so erhöht wird, daß die preußischen Manufakturen darunter leiden müssen, und dann auch die Monopolien. Diese Abgaben betreffen also nur die Städtebewohner, die Künstler, Handwerker, Fabrikanten, Kaufleute und die, welche vom Dienst des Staates leben.

Um das Verhältniß der Auflagen auf die Konsumtion der ersten Lebensbedürfnisse genau abzuwiegen, muß man die bürgerliche Industrie erst nur in so weit betrachten, als sie mit dem Innern des Landes in Verbindung steht, ehe man ihren Bezug auf den auswärtigen Handel Rücksicht nimmt. Der König, welcher in allen Dingen die Ordnung der Natur strenge befolgt, arbeitete lange nicht so sehr daran, Geld vom Auslande zu gewinnen, als vielmehr die Kanäle zu stopfen, wodurch aus seinen Staaten Geld in die Fremde ausfliessen könnte. In diesem Betracht waren die Auflagen auf die nöthigsten Bedürfnisse des Lebens der bürgerlichen Industrie nicht hinderlich. Der Arbeitslohn des Fabrikanten, Künstlers und Handwerkers gleichte sich mit dem Preis der Viktualien Viktualien – Lebensmittel ab, und die Akzise waren nur ein neuer und grosser Kanal, um den Umlauf des Geldes zu befördern. Der König, welcher den Plan, sein Land von der Industrie der Fremden unabhängig zu machen, mit Macht betrieb, sorgte dafür, daß dieses Geld aus der Staatskasse wieder durch die sichern Kanäle zurükfloß. Alles, was der Soldat braucht, und auch, alles was der Civilbediente zu einem gemächlichen Leben nöthig hat, liefert der inländische Feldbau und die inländische Industrie. Die Auflagen auf die Fremden, z. E. Tuch, Leinwand u. dgl. waren so hoch, daß nur der höchste Luxus die inländischen Manufakturen von der nämlichen Art hintansetzen konnte, und es war billig, daß er dafür gestraft wurde.

Was den auswärtigen Absatz der preußischen Manufakturen betrift, der wirklich zum Theil durch die Akzise erschwert wird, so muß man bedenken, daß das kleinere Uebel allezeit dem grössern vorgezogen werden muß. »Der Luxus untergräbt den Staat. Unmäßiger Genuß ist die größte politische Sünde. Ungleiche Vertheilung des Nationalvermögens ist ein Beweis, daß der eine Theil des Volkes aus Sklaven, und der andre aus Tyrannen besteht,« so schreyen alle unsre Philosophen, und sie haben Recht. Noch mehr: Alle englische Parlamentsdebatten sind mit der Bemerkung angefüllt, daß die brittische Freyheit durch den unmäßigen Reichthum eines Theils seiner Bürger und durch die Leichtigkeit, zu diesem Reichthum zu gelangen, unterdrückt worden sey. Daß Wohllust, Bestechung, Ehrgeitz, kriechende Armuth des untern Theils des Volkes u. s. w. die Nation entkarakterisirt hätten. Wie ist es aber anderst möglich, dem Luxus und unmäßigen Reichthum Schranken zu setzen, als durch preußische Akzise? Je mehr Einer verzehrt, und je reicher Einer ist, desto mehr muß er dem Staat bezahlen, welcher diesen Ueberfluß des einen Theils unter die [be]dürftigere Klasse vertheilt, und das Nationalvermögen dadurch so viel als möglich abzugleichen sucht. Einmal angenommen, daß Frugalität, Frugalität – Einfachheit Fleiß und verhältnißmäßige Vertheilung des Nationalvermögens hauptsächlich die Stärke eines Staates ausmachen; so muß man sich über die Inkonvenienzen Inkonvenienz – Unbequemlichkeit hinaussetzen, welche aus der Beobachtung dieses politischen Axioms Axiom – als richtig erkannter Grundsatz für einen kleinen Theil der Bürger entspringen können.

Welche Nation, die ihre Stärke hauptsächlich auf die Handlung stützt, hat sich je lange erhalten können? Der unmäßige Reichthum, welcher eine Folge der Handlungsfreyheit war, zog immer nothwendigerweise den Luxus, die Verschwendung, die Weichlichkeit, Tyranney und dann endlich den Umsturz des Staates nach sich. Der nämliche Herr Wraxall, der das Murren einiger in= und ausländischer Kaufleuthe über das preußische Finanzsistem aufgefangen hat; aber in den Hütten der preußischen Bauern sich gar leicht hätte überzeugen können, daß nicht alle Unterthanen des Königs gegen ihn aufgebracht sind, wie er behauptet; der nämliche Herr Wraxall ist der heftigste Deklamateur gegen die Ueppigkeit und Tyranney, welche der ungeheure Reichthum in England eingeführt hat. Zeige er uns nur ein anderes Mittel, als jenes ist, welches der König von Preussen zu einem Damm gegen die Ueppigkeit und die Tyranney gemacht hat.

Es ist ein seltsamer Kontrast politischer Räsonnements, Räsonnement – Vernünftelei, Mäkelei wenn man in England klagen hört, überwiegender Reichthum der Grossen habe die Freyheit und die Stärke des Staates untergraben, und wenn man daneben die Bemerkungen einiger preußischen Adelichen liest, welche behaupten, der Wohlstand der Bauern sey dem preußischen Staat gefährlich. Die Geschichte hat kein Beyspiel, daß der Wohlstand der Bauern den Staat mit dem Umsturz bedroht hätte; aber sie ist voll von Beyspielen, daß die Macht des Adels und die Freyheit der Handlung Staaten umgestürzt haben.

Das preußische Akzissistem vergreift sich im geringsten nicht am Eigenthum der Unterthanen. Es wirkt bloß auf die Konsumtion und den unordentlichen, geilen Geil – gierig Handel. Es hat keine andere Absicht, als die Unterthanen sparsam zu machen, und Sparsamkeit ist die Mutter der Industrie. In keine Wissenschaft haben sich so schädliche Sophistereyen eingeschlichen, als in die Staatswirthschaftslehre. Man glaubt, die Handlung überhaupt mache einen Staat reich, und doch ist nichts weniger wahr als das. Kadix, Neapel, Smirna, Aleppo und viele andere Plätze sind auf Kosten der Staaten, denen sie zugehören, blühende Handelsstädte. Wenn man in den preußischen Landen klagt, die Handlung habe abgenommen, so heißt das weiter nichts als die Konsumtion hat abgenommen. Es ist natürlich den Kafeekrämern unangenehm, daß sie nicht mehr so viel Kaffee verkaufen können als ehedem. Allein diese Art Leute, welche den König ganz allein ins Geschrey gebracht haben, sollten bedenken, daß ein Judenstaat (von modernen Juden, versteht sich) der elendeste unter allen ist, und daß der Regent wohl daran thut, wenn er sie auf [auf sie] die wenigste Rücksicht nimmt.

Wenn der geile Handel in den preußischen Staaten abgenommen hat, so hat dagegen die Industrie zugenommen. Man hat den augenscheinlichen Beweis davon an dem erstaunlichen Wachsthum der Städte und der Volksmenge. Kein Staat in Europa von gleicher Grösse hat in 50 Jahren, die eroberten Provinzen abgerechnet, seine Volksmenge verdoppelt, wie der preußische. Dieses einzige Faktum widerlegt hinlänglich das Geschrey über die preußische Despotie; denn die Wirkungen müssen den Ursachen entsprechen, und unter einer menschenfeindlichen Regierung können sich die Menschen nicht auf eine so ausserordentliche Art mehren.

Die Monopolien stimmen auch mit dem allgemeinen, menschenfreundlichen System des Königs überein. Ich will mich in keine umständliche Untersuchung einlassen, sondern nur das ausheben, was unter ihnen am meisten Aufsehens macht, nämlich das Brennholz=Monopolium. Die Gesellschaft, welche im Besitz dieses Monopoliums ist, bezahlt dem König, oder welches hier Eins ist, dem Staat (denn der König hat weder einen Marstall von 6.000 Pferden, noch eine Wagenremise, Wagenremise – die Garage für die Kutschen worunter Kutscher von 100.000 Livres sind, noch eine Mätresse, noch eine Tafel von 50 Trachten, noch macht er Jagden und Reisen, die Millionen kosten u. s. w. sondern alles wird für den Staat verwendet) eine beträchtliche Summe Geldes. Die Gesellschaft kann keinen willkürlichen Preis machen, sondern das Holz ist taxirt, und sie muß es in der besten Qualität liefern. Der hohe Preiß des Holzes kömmt bey dem Arbeitslohn des Künstlers und Handwerkers mit in den Anschlag. Niemand empfindet ihn im Grunde, als der Rentier, und der vom Hof Besoldete. Wenn der erstere arbeiten wollte, so würde er natürlich den Artickel des Brennholzes wie der übrige Theil des industriösen Publikums mit im Arbeitslohn anschlagen. Er wird also billigerweise für seinen Müßiggang gestraft. Die Besoldung des letztern ist zwar knap, doch zum ordentlichen Unterhalt des Lebens hinlänglich, und des Königs Hauptgrundsatz ist: Jeder soll genug, aber keiner zu viel haben. Durch das Monopolium gewinnt der Bauer. Die Gesellschaft muß ihm das Holz nicht nur theuer bezahlen, als wenn kein Monopolium da wäre, sondern es ihm auch erlauben, eine gewisse Menge Holz in die Stadt zu Markte zu führen, welche er desto besser versilbern kann. Es werden dem zufolge in die verschiedenen Dörfer zu gewissen Zeiten Scheine ausgetheilt, die den Bauern zu Pässen für ihr Holz in die Stadt dienen. Das Monopolium dient auch dazu, die Waldungen zu schonen, über deren Abnahme ganz Europa schon seit langer Zeit klagt. Man geht, wegen der Kostbarkeit des Holzes, sparsamer mit dem Aushauen und Verbrennen um. Das Monopolium trift auch nur die Bewohner der Städte Berlin und Potsdam, die durch die Residenz und die vielen Staatsbedienten grosse Vortheile vor dem übrigen Lande voraus haben, wo das konzentrirte Gewühl der Menschen den Erwerb des Geldes erleichtert, und wo die Verschwendung am ersten einreissen kann. Die Fremden, welche sehn, daß die Brennmaterialien zu Berlin und Potsdam wie Brasilien= oder Kampecheholz Brasilien= und Kampecheholz – Tropenhölzer; Kampescheholz: Blauholz aus Mexiko verhandelt werden, fassen nun freylich aus Gründen, die in ihrer Börse sind, kein günstiges Vorurtheil für die preußischen Monopolien. Allein, wenn sie deswegen mit Herrn Wraxall den König geradezu für einen Tyrannen erklären, so ist es, um den gelindesten Ausdruck zu gebrauchen, gewiß doch unartig – Die übrigen Monopolien sind überhaupt solche, wie man sie in den meisten andern Ländern hat; nämlich von Tobak, Salz, Spielkarten, Kalendern u. dgl. m.

Der König beschützt zwar alle Gattungen von Handel und Manufakturen, insoweit sie dem ganzen Staatswirthschaftssistem nicht entgegen sind; allein er sucht den auswärtigen Handel seiner Lande hauptsächlich auf solche Produkten zu fixiren, die dem Land einen sichern Vortheil versprechen, und deren Absatz nicht leicht durch die Konkurrenz andrer Staaten, und die Mode gehemmt werden kann, und die zugleich mit dem innern Feldbau in Verbindung stehn. Von der Art sind die hiesigen Wollenzeuge, die schlesischen Leinwande und Tücher; der Tobak und verschiedne andre Artikel, die überall einen leichten Abgang finden, weil sie das Bedürfniß des grossen Haufens sind, und wozu das Land die ersten Materien liefert. Nebst diesen ansehnlichen Artikeln ziehn die Manufakturen von Seidenzeugen, verarbeiteten Eisen und Stahl, Spiegeln, Porzellän, Zuker, Zuker – Zucker: Der Anbau von Zuckerrüben begann erst gegen Ende dieses Jahrhunderts, es wird Honig gemeint sein und dann besonders der Holzhandel grosse Summen Gelds aus der Fremde in das Land. Polen muß der preußischen Industrie schrecklichen Tribut bezahlen, und die Preussen haben vorzüglich wegen ihrer Sparsamkeit und Nüchternheit, die eine Folge des königlichen Akzissistems sind, ein grosses Uebergewicht im Handel überhaupt.

Für eines der größten Hindernisse des Handels in den preußischen Landen hält man gemeiniglich den Schatz des Königs, der alljährlich eine gewisse Summe Geldes außer der Zirkulation setzt. Natürlich ist dieß nur von dem gewöhnlichen Judenhandel zu verstehn, welcher der Trägheit und der Geldgierde schmeichelt, aber einem Staat im Grunde so schädlich ist, als der Verkehr der Marktschreyer und Quacksalber; denn der solide, wohlthätige, industriöse Handel ist in den preußischen Landen nichts weniger als im Stocken. Nach meinem Bedünken ist der Schatz des Königs eine seiner weisen Verfügungen. Er legt jährlich eine Summe Geld zurück, die mit dem, was seine Staaten jährlich von den Fremden durch das Uebergewicht der Handlung gewinnen, in einem gewissen Verhältnis steht. Man nimmt allgemein für zuverläßig an, daß die Summe ohngefähr eine Million Gulden, oder beynahe eben so viel betrage, als er jährlich verbaut, jährlich den Armen schenkt, und jährlich zum Anbau des Landes verwendet, von welchen verschiednen Ausgaben eine jede sich auf 700.000 Thaler belaufen soll. Ueberhaupt ist die ganze Staatseinnahme nach einer vesten und unabänderlichen Ordnung in die verschiednen Fache der Ausgabe vertheilt, und menus plaisirs menus plaisirs – kleine Freuden machen hier keine Aenderung. Nun beträgt aber das Uebergewicht der preußischen Handlung nach dem mäßigen Anschlag 2 ½ Millionen Gulden, und der König legt also nicht die Hälfte von dem jährlichen Zufluß des Geldes aus der Fremde in den Schatz zurück.

Es ist eine der unsinnigsten Staatsmaximen, daß der Staat alles Geld in den Umlauf setzen, und nichts für den Nothfall zurücklegen soll, welche Maxime sich wie viele andere Radoterien, in dem zu unsern Zeiten so gewöhnlichen Deklamationston in eine Menge politischer Theorien und Romanen eingeschlichen hat. Bloß dem Schatz des Königs hat es das Land zu verdanken, daß in Kriegszeiten die Abgaben nie erhöht wurden, und es ist auch bloß zu dieser Absicht angelegt. Die Erhöhungen der Auflagen in dem jetzigen Krieg der jetzige Krieg – 1778 hatte Frankreich mit den sich für unabhängig erklärenden Vereinigten Staaten von Nordamerika ein Bündnis geschlossen. Daraufhin herrschte zwischen Großbritannien und Frankreich der Kriegszustand. Dieser wurde im Frieden zu Paris 1783 beendet. sind für die französische und englische Nation drückender, als die unmittelbaren Drangsalen des Krieges selbst. Einer der ältesten und gewiß auch einer der klügsten Statistiker Deutschlands, Schröder, Schröder – Wilhelm Freiherr von Schröder, siehe Ein und zwanzigster Brief. hat den Ungrund dieser Maxime längst schon gezeigt. Nebstdem daß die ordentlichen Abgaben zur Kriegszeit den Unterthanen lästiger seyn müssen, als zur Friedenszeit, so können sie auch alsdann nie mit der nöthigen Eile zusammengebracht werden. Nun kommen noch, wenn kein Schatz da ist, ausserordentliche Auflagen dazu, und dann wird manche Provinz, wie wir jetzt in Frankreich traurige Beyspiele genug haben, in 3 bis 4 Kriegsjahren so erschöpft, daß sie sich in einem Menschenalter kaum wieder erholen kann. Man nimmt dann seine Zuflucht zu Staatslotterien, Anleihn u. dgl. m. welche die Drangsalen eines Krieges auf Enkel und Urenkel ausdehnen, und endlich das schöne Schuldensistem zur Welt bringen, welches die Hälfte der Einkünfte von Großbrittanien und Frankreich jährlich verschlingt, und welchem Herr Neker Neker – Necker, s. Neunter Brief. gewiß gegen seine Ueberzeugung in seinem Compte rendu Compte rendu – Bericht (über die Finanzlage des Staates) zur Aergerniß aller denkenden Menschen das Wort geredet hat. Hätte der König von Preussen keinen Schatz gehabt, so hätten sich seine Lande nach dem so verheerendem Krieg von 1756 bis 1763 Krieg von 1756 bis 1763 – der Siebenjährige Krieg, s. Fünfter Brief. nicht nur so leicht wieder erholen, sondern sogar in kurzer Zeit noch blühender werden können, als sie beym Ausbruch des Krieges waren. Für die Lage der preußischen Lande ist auch ein Schatz ganz besonders nothwendig. So unarrondirt arrondirt – arrondiert: flächenmäßig zusammenliegend wie sie sind, stehn sie auf allen Seiten dem Feind offen, der auf einmal sich in den Besitz einer ansehnlichen Provinz setzen, und dem Staat den Zufluß von Geld auf dieser Seite abschneiden kann. Dem vorräthigen baaren Gelde hatte der König in dem Krieg, der ihn unsterblich macht, einen guten Theil des Nachdrucks und der Lebhaftigkeit seiner Operationen zu verdanken.

Der Schatz des Königs ist auch nicht ganz müßig. Er hat den Ständen einiger seiner Provinzen gegen sehr unbeträchtliche Zinsen erstaunliche Summen vorgeschossen, die im Lande zirkuliren, nur mußten sie ihn sicher setzen, daß er in einer bestimmten Zeit nach Aufkündigung das Kapital haben könnte.

Der preußische Staat ist, als Staat, der reichste in Europa. Es ist eine platte Unmöglichkeit, daß er wegen Geldmangel je in Verlegenheit komme. Sein Finanzsistem ist auch so vest gegründet, daß wenn der Nachfolger des Königs eine Hauptänderung vornehmen wollte, daß [das] ganze Staatsgebäude in einem Augenblick zusammenstürzen müßte. Du wirst es nicht wohl glauben können; aber ich versichre dich, es ist die Wahrheit, daß man sich die hiesigen Bankobillets Bankobillet – Schuldschein als eine Gefälligkeit ausbittet. Man hat gar keinen Begriff davon, wie sie ihren Kredit verlieren könnten. Die Holländer sind froh, wenn man ihr Geld in der hiesigen Bank annimmt. Sie wissen, daß sie es, ungeachtet des Geschreys über die preußische Despotie, in der Welt doch nicht sicherer anlegen können, als hier. Welche Bank in der Welt, ausser der hiesigen bekömmt Kapitalien zu 2 ½ Prozent in Ueberfluß?

Ueberhaupt ist es leicht zu bemerken, daß viele unserer hochweisen Deklamateurs die preußische Regierung bloß deswegen tadeln, weil ihr Gang mit dem gewöhnlichen politischen Schlendrian unserer aufgeklärten europäischen Staaten nicht übereinstimmt, und hier alles neu und unerklärlich für sie ist. Unterdessen, wenn sie sich die Mühe geben wollten, die Augen aufzuthun, und den Gegenstand etwas näher und starrer zu beschauen, so würden sie bald ihr Urtheil zurücknehmen, wenn sie ihre Eigenliebe nicht aller Ueberzeugung unfähig macht. Ich kenne keinen dieser Herren, der nicht an andern Stellen grade die Grundsätze predigte, worauf der preußische Staat wirklich gebaut ist, und die er bloß deswegen in diesem Staat übersah oder verkannte, weil ein erstaunlicher Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist, und man besonders in philosophischen Deklamationen gemeiniglich bloß auf den Zweck sieht, ohne auf die Mittel Rücksicht zu nehmen, wodurch dieser Zweck erreicht werden kann. Gar oft verabscheut man die Mittel, wodurch ganz allein dieser Zweck zu erreichen ist, und so ist es ziemlich natürlich, daß die Leute, welche so heftig gegen den Luxus, die Ueppigkeit, Schwelgerey, die Trägheit und Ungleichheit des Nationalvermögens deklamiren den preußischen Akzisen nicht hold sind, die doch der einzige sichere Damm gegen all diese Staatsgebrechen sind. Alle die prächtigen Grundsätze vom Wohl der Völker, welche uns Abbe Raynal in seiner berühmten Histoire philosophique & politique Histoire philosophique ... – Geschichte der Philosophie und Politik predigt, worinn er auf den König von Preussen, ohne ihn im geringsten gekannt zu haben, einen so unhöflichen Ausfall that, wurden in den preußischen Landen und vielleicht nirgends sonst auf der weiten Welt, schon längst ausgeübt, ehe er noch eine Feder zu seiner Histoire schnitt. Vielleicht gesteht er mirs, wenn ich, wie ich hoffe, in einigen Tagen die Ehre habe, ihn hier zu sprechen. – Ein andrer Theil dieser Herren Deklamateurs tadelt bloß der Singularität halber. Unter diese Klasse gehört, glaub' ich, auch Herr Guibert Guibert – Jacques Antoine Hippolyte, Graf von Guibert, französischer General und Militärschriftsteller, † 1790 nebst einigen andern unserer Landsleute. Diese Herren thaten sich etwas damit zu gut, daß sie unserm Publikum einen König, welcher seit so langer Zeit schon der Abgott desselben ist, umgekehrt, die Füsse oben und den Kopf unten, durch eine Laterna magika Laterna magica – Bildwerfer zeigen konnten. Ohne Zweifel war die Gelassenheit, womit der König solche Possen gegen ihn anzusehen pflegt, noch ein besonderer Reitz für sie.

Der König von Preussen, und zum Theil schon sein Vater, hat die drey schwersten Staatsprobleme aufgelöset, und die Geschichte hat kein Beyspiel, daß sie je so schnell, so glücklich und so allgemein aufgelöset wurden. Er hat ein träges, verschwenderisches und dummes Volk fleißig, sparsam und klug gemacht; er verschaffte einem von der Natur ganz vernachläßigten Land einen Werth, den viele der Länder nicht haben, gegen die sie mit ihrer Güte verschwenderisch war; und er setzte eine kleine Nation in den Stand, nicht nur in einem günstigen Augenblick über die verbundenen mächtigsten Völker der Erde zu siegen, sondern auch jeden derselben zu aller Zeit die Spitze bieten zu können.


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