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Vier und fünfzigster Brief.

Berlin –

Bis tief in die Mittelklasse herab herrscht unter den hiesigen Einwohnern eine Aufklärung, die man selten anderstwo findet: Allein der hiesige Janhagel Janhagel – holländisch: Pöbel, Gesindel ist dagegen auch abscheulicher, als irgend in einer andern grossen Stadt.

Alles, was die Schwärmerey nur lächerliches ausbrüten kann, findest du hier im Kontrast mit der aufgeklärtesten und philosophischesten Religion, die je nur an einem Ort herrschte. Es gibt hier Pietisten, Pietismus – protestantische Bewegung des 17. Jahrhunderts innerhalb des Protestantismus (»Kirche in der Kirche«), die lebendige Frömmigkeit, verbunden mit den »christlichen« Tugenden der Nächstenliebe verband Herrnhuter, Herrnhuter – Herrnhuter Brüdergemeine, eine ev. Freikirche, 1722 in der Oberlausitz vom Grafen Zinzendorf begründet. Sie pflegen christliches Gemeinschaftsleben, die Tageslosungen gehen auf sie zurück. Inspirierte, Inspirirte – Inspirationsgemeinden, eine aus dem Pietismus hervorgegangene christliche Freikirche. Sie betrachtet neben der Bibel das durch die Wirkung des Heiligen Geistes erfolgte Zungensprechen (Stammeln unverständlicher Worte) als göttliche Offenbarung. Wunderwirker, Teufelbanner und alle Gattungen von Narren, die es auf ihre eignen Kosten oder auf Kosten andrer Leute geben kann. Es gibt hier fromme Gesellschaften, worin ausgediente Buhlschwestern Priesterinnen oder gar Orakel sind. Man könnte ihnen ihr Psalmsingen nicht verargen, wenn sie es dabey bewenden ließen, mit David welke Lenden – Psalm 38.4 ff: »Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe wegen deines Drohens und ist nichts Heiles an meinen Gebeinen wegen meiner Sünde. Denn meine Sünden gehen über mein Haupt; wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. Meine Wunden stinken und eitern um meiner Torheit willen. Ich gehe krumm und sehr gebückt; den ganzen Tag gehe ich traurig einher. Denn meine Lenden sind ganz verdorrt; es ist nichts Gesundes an meinem Leibe. Ich bin matt geworden und ganz zerschlagen; ich schreie vor Unruhe meines Herzens.« über ihre welken Lenden und Rückschmerzen zu klagen, die eine Folge von ihren jugendlichen Ausschweifungen sind; wenn ihnen die Andacht nicht zum Deckmantel der abscheulichsten Verführungen und zur Befriedigung ihres Geldgeitzes diente. Oft werd' ich versucht, von meinem Stock Gebrauch zu machen, wenn mir eine Vettel von der Art, das Psalmbuch unter dem Arm, und die in Gesellschaften mit gen Himmel erhobenen Augen von nichts als Salbung, Heiligung und den Auserwählten spricht, eine Unschuld zum Kauf anbietet, die sie mit dem Garn der Andacht gefangen hat. In den beyden Extremen von Paris, in St. Marceau in Süden und in der Gegend der Porcherons Porcheron – Pariser Stadtviertel am Montmatre, Kneipengegend in Norden sieht es noch viel besser aus, als unter dem hiesigen Volk. Glaubst du wohl, daß ein neues Gesangbuch, welches einige patriotische Geistliche unter dem Schutz des Königs anstatt der alten unsinnigen Liederbücher einführen wollten, beinahe eine Rebellion hier veranlaßt hat?

Die Unzucht ist einer der Hauptvorwürfe, die man dem hiesigen Publikum macht. Unter andern Monopolien sind hier auch öffentliche privilegirte Bordels, die Kraft ihrer Privilegien das Recht haben, das Publikum ausschließlich mit dem Bedürfnis zu versehen, welches bey gesunden Leuten nach dem Essen und Trinken gemeiniglich das erste ist; und gegen allen Unterschleif Unterschleif – Unterschlagung; hier: Schwarzhandel zu klagen, der in den Wirthshäusern oder auch in Privathäusern mit dieser kostbaren Waare getrieben werden könnte. Die Polizey läßt die Mädchen regelmäßig visitiren, um die Ausbreitung der Lustseuche Lustseuche – Syphilis zu hemmen, und wenn sie auch nur im geringsten verdächtig sind, so müssen sie die Quarantäne halten. Es sind der öffentlichen Magazine dieser Art gegen 12 bis 15. Auch Leute, die über dem Pöbel sind, machen öfters Lustparthien in die vornehmern unter denselben, nicht eben um auszuschweifen, sondern blos eine Bouteille Wein oder einen Kaffee in Gesellschaft muthwilliger Mädchen zu trinken. Die Sache hat hier gar nichts anstößiges, und ich habe junge Herren sogar in Gesellschaften von Damen von ihren Expeditionen in diesen Häusern ohne allen Scheu sprechen hören. In den meisten derselben soll ziemlich viel Reinlichkeit herrschen, und die Priesterinnen der Venus sollen hier nicht so unverschämt und so ganz ohne sittliches Gefühl seyn, als sie sonst gemeiniglich zu seyn pflegen. Da die Sache öffentlich und unter den Augen der Polizey geschieht, so mögen diese Ausschweifungen freylich nicht das Gepräge der viehischen Wildheit und Abscheulichkeit haben, welches die Wollust an den Orten, wo man sie ins Dunkel verscheucht, auszuzeichnen pflegt. Die Mädchen behalten ohne Zweifel noch einiges Selbstgefühl, weil sie sich von der Polizey geschützt und sich vom größten Theil des Publikums, wo nicht geehrt, doch nicht so verachtet sehn, als sie es an andern Orten sind.

Es ist hier nichts Seltenes, daß fremde oder auch eingeborne Zelibatärs Zelibatärs – franz. Célibataire: Junggeselle mit einem Mädchen und dem Eigenthümer desselben, nämlich dem Wirth, auf eine bestimmte Zeit einen förmlichen Kontrakt schließen. Man hat selten ein Beyspiel, daß dieser Kontrakt von dem Mädchen gebrochen wird. Es bleibt gemeiniglich während der bedungenen Zeit seinem Käufer getreu. Es faßt auch zu demselben eine gewisse Anhänglichkeit und einen wahren Diensteifer, den man von Kreaturen seiner Art an andern Orten nicht erwartet. Ich habe einige Bekannten hier, die sich mit solchen Mädchen verbunden haben, und, wenn sie unpäßlich sind, sehr regelmäßig von denselben besucht und bedient werden. Da die meisten derjenigen, die nicht aus den Hölen sind, worin sich die Grenadiers herumtummeln, etwas Lekture und Erziehung haben, so sind sie keine schlechten Trösterinnen und Aufwärterinnen am Krankenbette. Ein Irrländer, mit dem ich vertraut bin, und der sich seit einigen Jahren hier aufhält, erzählte mir ein Beyspiel, das vielleicht einzig in seiner Art ist. Die Wirthschaft dieses Herrn kam durch verschiedne Ausschweifungen in Unordnung, und eine Krankheit setzte seine Gläubiger noch mehr in Unruhe. Er hatte in einem Bordel ein Mädchen kennen gelernt, das ihn vorzüglich intereßirte. Er fand sich mit dem Wirth ab, und nahm das Mädchen zu sich ins Haus. Dieses wartete nicht nur seiner mit dem größten Fleiß, sondern intereßirte sich auch um seine Wirthschaft. Es fieng für ihn ein so sparsames Menage an und hielt ihm so genaue und getreue Rechnung, daß er in Zeit von einem halben Jahr aus seinen Schulden war, welches er für ein Wunder hielt. Nachdem sich seine Umstände gebessert hatten, führte es seine Wirthschaft noch einige Zeit fort, und er war stolz auf die gute Art, womit es die Honneurs Honneurs – franz. Ehre, hier: die Gäste bei Empfängen willkommen heißen für ihn zu machen wußte, wenn er in seinem Haus Gesellschaft hatte. Eine Reise, die er nach Dresden machen mußte, trennte ihn von seiner Erretterin. Sie wollte sich mit dem begnügen, was er ihr für die Woche bedungen hatte. Allein, er gab ihr so viel Beweise seiner Erkenntlichkeit, als ihm seine Umstände erlaubten, und sie gieng wieder in das Haus, worinn er sie kennen lernte und worinn sie wirklich noch ist. Beyspiele von der Art beweisen offenbar, daß die Maaßregeln der hiesigen Polizey der Natur angemessener und weiser sind, als jener in andern Städten, wo die ins Dunkle verscheuchte Wollust alle gesellschaftlichen Bande trennt, und immer von der Raubbegierde begleitet wird.

Wenn gleich die privilegirten Hurenwirthe so gut, als die Brennholzgesellschaft, ihren Alleinhandel auf alle Art zu vertheidigen berechtigt sind, so ist die Waare doch zu schlüpfrig, als daß man dem Schleichhandel wehren könnte. Jedes alte Weib aus der untern Klasse, jeder Lehnlaquay, jeder Kell[n]er in einem Wirthshaus und fast jeder Wirth selbst kuppelt. Ich kenne auch einige Aerzte, welche sich damit abgeben und vielleicht mehr dadurch gewinnen als durch ihre Kunst. Es ist hier unter andern vortreflichen Polizeyanstalten auch ein Addreßkomptoir für Dienstmägde, welches die frische Waare sowohl in die Privathäuser als auch für die öffentlichen Magazine liefert. Aber alle diese Schleichhändel kommen dem ausgebreiteten Verkehr nicht bey, der mit den Weibern getrieben wird. Das eigentliche Zizisbeat Zizisbeat – Cicisbeat, s. Neun und zwanzigster Brief. ist hier nicht eingeführt, und es ist auch gar nicht nach dem Geschmack der hiesigen Damen. Sie lieben die Abwechslung und den augenbliklichen Genuß zu sehr, als daß sie sich an einen Gegenstand und an eine gewisse Ordnung binden sollten. Hier ist es gar nichts seltenes, daß sich Frauen von Ansehn fast ohne Zurükhaltung um junge Leute bewerben, sie mögen von einem Stand seyn, von welchem sie wollen, wenn sie nur die Miene von wakern Rittern haben. Bessere Ehemänner giebt es in der Welt nicht, als unter einem gewissen Theil der hiesigen Einwohner. Die Leichtigkeit der Ehescheidungen trägt wohl das meiste dazu bey. Die Eheleute sind hier durch nichts zusammengebunden, als durch ihr gegenseitiges augenblikliches Interesse. Sobald ein Theil dem andern zu Last wird, oder einer die Aussicht hat, eine bessere Parthey treffen zu können, so kostet es ihn nur eine Anzeige am gehörigen Ort, um seiner beschwerlichen Hälfte los zu werden. Der förmliche Weibertausch ist hier gar nichts seltenes. Zwey Ehemänner, deren jeder mit des andern Weib bekannt wurden, vertauschen ihre Gattinnen gegen einander mit einer Kaltblütigkeit, die in unserm Welttheil kein Beyspiel hat. Die Frau, welche mit einem neuen Liebhaber eine Parthey treffen will, bespricht sich gar freundschaftlich und offenherzig darüber mit ihrem Mann, und hat, wenn er in keinen guten Umständen ist, öfters noch Mitleiden genug mit ihm, um ihm ihre Baase, Baase – Base: Cousine, d. h. die Tochter meiner Tante oder sonst eine Person von ihrer Bekanntschaft zu verkuppeln, ehe sie sich von ihm scheidet. So rouliert eine Frau in wenig Jahren durch 3 bis 4 Familien und thut in Gesellschaften, wo sie einige ihrer ehemaligen Ehemänner trift, als wenn sie dieselbe nie gekannt hätte.

Durch diese Polizeyverfügungen müssen die Einwohner von Berlin nun freylich mit der Zeit alle zu Bastarden werden. Allein die wesentlichsten Wirkungen rechtfertigen hier wieder des Königs Grundsätze. Berlin ist nach den öffentlichen Listen die einzige grosse Stadt in Europa, und vielleicht die einzige in der Welt, wo die Anzahl der jährlich Gebohrnen jene der Verstorbenen weit übersteigt. Diese unbezweifelte Thatsache wiegt auf der Waage der Philosophie mehr, als alle Deklamationen und das ganze Korpus der geistlichen Rechte, die den Ehescheidungen so gram sind.

So auffallend dieses Verkehr der Liebe jedem Fremden seyn mag, so glaub' ich doch, daß hier nicht mehr noch weniger ausgeschweift wird, als in jeder andern Stadt von gleicher Bevölkerung. In welcher Stadt, die nur den zehnten Theil so groß ist, als Berlin, fehlt es an Gegenständen zur Befriedigung der Wollust? Das Offene und Ungezwungene, welches ganz allein die Sache hier auffallend macht, ist so wenig ein neuer Reitz zu Ausschweifungen, daß es nach der allgemeinen Bemerkung vielmehr die Hitze dämpft, die eine Folge strenger Verbothe ist. Man findet hier auch in den untern Volksklassen noch soviel eheliche Treue, als an irgend einem andern gleich grossen Ort; und würde es zu Paris, London, Madrid und an andern Orten besser seyn, wenn man die Ehescheidungen unter den Leuten der höhern Klasse einführte, als wenn man den Männern erlaubt, im Angesicht ihrer Weiber Mätressen zu halten? Unter den durch eine Scheidung neu gestifteten Ehepaaren herrscht doch wenigstens auf einige Zeit wieder Liebe, Treue und häuslicher Friede, dahingegen der Zwang des Ehebandes den Personen, unter welchen der Hausfriede einmal gestört ist, das Leben zur Hölle macht, die Bevölkerung hemmt, und ein neuer Reitz zu Ausschweifungen wird, den man hier nicht kennt. Die Publicität hat keine andre Wirkung, als daß sie die Wollust unschädlicher macht, und die Laster hemmt, welche die schrecklichsten für die Menschheit sind. Kindermorde, Onanie und der Gebrauch von Sukzessionspulvern Sukzeßionspulver – Sukzession: Thronfolge, hier: Abtreibung sind hier seltener als an irgend einem andern Ort, und die Lustseuche, welche Paris, London, Wien, Madrid, Lisabon und andere Städte zu blossen Spitälern macht, in ganzen Distrikten von Frankreich und Spanien die Lebensquelle verpestet und verstopft hat, und Enkel und Urenkel noch die Ausschweifungen ihrer Ahnen büssen läßt, ist hier nach dem Verhältnis noch sehr wenig eingerissen. Die Frauen, die hier ihrem Temperament nachhängen, bringen doch noch Kinder zur Welt, dahingegen die von Paris und Wien entweder ganz unfruchtbar sind, oder nach Art der römischen Damen zu Juvenals Juvenal – Decimus Junius Juvenal, römischer Redner und Dichter, schuf maßgebend die literarische Form der Satire, † 128 Zeiten, nicht gebären wollen. Die Zahl der Todtgebornen zu Wien beläuft sich jährlich auf mehr als 400, und jene der Kinder, die im ersten Jahre sterben auf ohngefähr 5.000. Wer zählt die, an welchen die Gewaltthätigkeiten der unnatürlichen Mütter, die ohne Zweifel viel zu der grossen Zahl derjenigen beytragen, welche im ersten Jahre ihres Alters sterben, früher und wirksamer anschlagen? Die Damen von Madrid, wie mich einer meiner Bekannten versicherte, abortiren, wenn's ihnen beliebt. Auch die von Lisabon sollen es in dieser unmenschlichen Kunst sehr weit gebracht haben. Hier ist sie fast ganz unbekannt, und ich glaube, man braucht sonst keinen Beweis, daß hier die Polizey weiser und die Wollust nicht so abscheulich und menschenfeindlich ist, wie in andern Städten, als die oben erwähnte Thatsache, nämlich, daß die Anzahl der Gebohrnen jene der Gestorbenen jährlich um einige hundert übersteigt, dahingegen zu Paris und London jährlich drey bis vier tausend, zu Wien aber ein bis zwey tausend weniger gebohren werden als sterben.

So gerne ich dem hiesigen Publikum seine Paillardise Paillardise – von franz. paillasse: Hure abgeleitet; Hurerei, Unzucht verzeihe, so wenig kann ich in andern Stüken mit ihm zufrieden sein. Der Engländer Sherlok Scherlok – Martin Sherlock, englischer Reiseschriftsteller, veröffentlichte 1782 eine Reisebeschreibung Neue Briefe eines Engländers auf seiner Reise nach Italien, Genf, Lausanne, Strasburg, Berlin, Deutschland, Senlis und Paris sagt, wenn die Sachsen die deutschen Athenienser seyen, so seien die Preussen die deutschen Spartaner. Die Verfassung der Armee, die Frugalität des hiesigen grossen Haufens, die eine Folge seiner Armuth ist, die Gemeinschaft der Weiber, vorzüglich aber der allgemeine Hang desselben zum Stehlen und Betrügen, den die Staatskunst der Lacedämonier begünstigt haben soll, um den Witz der Jugend zu schärfen, sind freylich spartanische Karakterzüge. Gegen öffentliche Räubereyen setzt einen die hiesige Polizey sicher genug; allein man kann sich nicht genug in Acht nehmen, um nicht auf eine Art betrogen zu werden, welche die Polizey nicht rächen kann. In der ersten Woche gab ich einen der feinsten Lyoner Hüte, den ich erst kurz zuvor zu Leipzig gekauft hatte, einem hiesigen Hutmacher zum Ausputzen, weil er mir auf der Reise staubigt geworden war. Auf den bestimmten Tag holte ich ihn selbst bey ihm ab, und schrieb das Rauhe, welches er bekommen hatte, der schlechten Farbe zu, die er gebraucht haben mochte. Ich trug ihn einen Tag, ohne einen Betrug zu ahnden; allein schon den zweyten Tag hatte mein Hut alle Steife verloren, war lumpigt, und so mürbe und zerfetzt, daß ich überall mit dem Finger durchstossen konnte. Ich sah nun, daß mein Huth, der einen Louisdor gekostet, gegen einen Lumpen vertauscht war, den der spartanische Hutmacher mit einem Geschmiere von Leim und Schwärze für einen Augenblick aufgesteift hatte. Ich sprach mit ihm; er wußte aber von keinem andern Hut, den ich ihm gegeben hätte. Du bist in Gefahr, täglich auf diese Art betrogen zu werden, und du wirst es gewiß am ersten, wenn du deine Maaßregeln recht sorgfältig genommen zu haben glaubst. Du mußt dich in alle Mausereyen und in alles, quod suasisset egestas, vile nefas quod suasisset egestas, vile nefas – »was der Mangel angeraten hat, als ein allgemeines Übel«, Zitat aus einem Gedicht über den römischen Bürgerkrieg von Marcus Annaeus Lukan »Bellum civile sive Pharsalia«, † 39, von Nero zum Selbstmord gezwungen resigniren.

Da hier Licht und Schatten durchaus sehr stark sind, so ist der bessere Theil des hiesigen Publikums von eben so edler Denkensart, als niederträchtig der Janhagel in seinem Betragen ist. Zur tiefen Beschämung des ungeheuer reichen Wiens hat man hier Armenanstalten, welche dem Anschein nach alle Kräften der Einwohner übersteigen sollten, da man hingegen zu Wien keine Spur davon findet. Jede Gemeinde der verschiedenen Glaubenssekten hat ihre beträchtliche Kasse, welche zur Unterhaltung ihrer Hausarmen hinreicht. Man hat Beyspiele von schönen Handlungen einzelner hiesigen Bürger, die man zu Wien kaum glauben würde, und wenn man bedenkt, daß unter dem hiesigen Janhagel eine ungeheure Menge zusammengelaufener Fremden ist, so kann man die Niederträchtigkeit desselben um so weniger für einen Zug des Nationalkarakters halten, da sie in den andern Städten, Potsdam ausgenommen, und auf dem platten Lande sehr selten ist.


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