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XXX

Wenn es also auch einem Gläubigen von solcher Art, der weit eher im Sinne des Augustinus als in dem Kalvins ein Christ zu nennen wäre, an christlichen Tugenden reichlich fehlte, so lag doch in seinem Wesen ein Maß, in seiner Erdfreudigkeit eine Vernunft und in seiner Sinnenheftigkeit eine Kreaturfreundlichkeit, die den Mangel an sittlicher Leidenschaft und Innigkeit in der Gottesliebe, zumindest soweit solche Tugenden der Erdenwelt zugute kommen, reichlich ersetzten. Gemessen an der Größe des Wollens und der Kraft des Glaubens ist Philipp II., der doch den Verfall der »frömmsten Monarchie« herbeiführte und selber noch mitansah, eine größere Gestalt als Heinrich IV. Doch wer Geschichte so betrachtet, wie einer, der ein Haus bezieht und nach den vormaligen Bewohnern, dem Pflanzer dieser schönen Bäume, dem Erbauer oder Verfertiger jener wohnlichen Dinge fragt, der wird mit dem gar nicht ehrfürchtigen, ja, ein wenig vertraulichen Lächeln auf Heinrich blicken, mit dem noch heute so viele Franzosen von dem Manne reden, der nicht selten »der Baumeister des neuen Frankreich« genannt wird.

Heinrich war nicht »gut«, doch er war nicht ohne Güte, und er war frei von Bosheit, wenn man von seiner Spottlust und seinem Behagen an der Lächerlichkeit der anderen absieht. Wo er Grausamkeit duldete und zuließ, war sie althergebracht und durch Gesetz und Brauch geheiligt. Daß etwa die Jagd grausam sein könnte, wußte er so wenig, wie es auch heute noch edle und feinnervige Menschen nicht mehr denken, sobald sie ein Gewehr im Arme haben und die menschheitsalte Gier in ihnen fiebert. Heinrich, der ein Krieger und ein Jäger war, ging nicht, wie Philipp II., sich das Schauspiel von Martern und Tod selbst solcher Menschen anzusehen, die ihm nach dem Leben getrachtet hatten, noch von Gotteslästerern. Während manche der getreuesten Kinder der Kirche sich am Anblicke der um des Glaubens willen gebrochenen Glieder und zerrissenen Leiber erlabten, wandte Heinrich den Blick von jeglichem Akt der Grausamkeit ab. Um aber zu ermessen, was es in jener Zeit (und nicht nur in jener) bedeutete, sehr mächtig und dabei nicht grausam gewesen zu sein, das sei besser hier von dem großen Kenner der Höhen und Tiefen Friedrich Nietzsche ausgesprochen, der im Verfolg seiner Untersuchung über die Ideenverhäkelung von Schuld und Leid sagt: »Es widersteht, wie mir scheint, der Delikatesse, noch mehr der Tartüfferie zahmer Haustiere (will sagen moderner Menschen, will sagen uns), es sich in aller Kraft vorstellig zu machen, bis zu welchem Grade die Grausamkeit die große Festfreude der älteren Menschheit ausmacht, ja, als Ingredienz fast jeder ihrer Freuden zugemischt ist; wie naiv andrerseits, wie unschuldig ihr Bedürfnis nach Grausamkeit auftritt, wie grundsätzlich gerade die ›uninteressierte Bosheit‹ (oder, mit Spinoza zu reden, die sympathia malevolens) von ihr als normale Eigenschaft des Menschen angesetzt wird –: somit als etwas, zu dem das Gewissen herzhaft Ja sagt! Für ein tieferes Auge wäre vielleicht auch jetzt noch genug von dieser ältesten und gründlichsten Festfreude des Menschen wahrzunehmen ... jedenfalls ist es noch nicht zu lange her, daß man sich fürstliche Hochzeiten und Volksfeste größten Stils ohne Hinrichtung, Folterungen oder etwa ein Autodafé nicht zu denken wußte, insgleichen keinen vornehmen Haushalt ohne Wesen, an denen man unbedenklich seine Bosheit und grausame Neckerei auslassen konnte ( – man erinnere sich etwa Don Quichottes am Hofe der Herzogin: wir lesen heute den ganzen Don Quichotte mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge, fast mit einer Tortur, und würden damit seinem Urheber und dessen Zeitgenossen sehr fremd, sehr dunkel sein – sie lasen ihn mit allerbestem Gewissen als das heiterste der Bücher, sie lachten sich an ihm fast zu Tode). Leiden-sehen tut wohl, Leiden-machen noch wohler – das ist ein harter Satz, aber ein alter, mächtiger, menschlich-allzumenschlicher Hauptsatz ... Ohne Grausamkeit kein Fest: so lehrt es die älteste, längste Geschichte des Menschen – und auch an der Strafe ist viel Festliches! –«

Zwar hatte auch Heinrich seine kleine grausame Festesfreudigkeit am Leiden anderer, an Narren und armseligen Ungeheuern, über die er an seinem Hof wie auf Jahrmärkten und Messen herzhaft lachte; so wie über den armen Teufel, dem ein Horn mitten aus der Stirn wuchs. Der hatte sich sein Leben lang in der Tiefe der Wälder verkrochen. Nach seiner Entdeckung wurde er vor den König gebracht, der, nachdem er sich tüchtig sattgelacht hatte, den Gehörnten einem seiner Stallknechte schenkte, damit dieser ihn zur Schau stelle und damit Geld verdiene. Von der aktiven Grausamkeit aber, welche die Massen auf alle Marterstätten drängte und das Können der Henker kritisieren ließ, wie heute noch das des Toreadors in Spanien besprochen wird, von dieser Gier nach Leiden-sehen und im Namen von göttlichen und menschlichen Gesetzen Leiden-machen war Heinrich völlig frei. Er war freilich, wie schon gesagt worden ist, kein zum wirklichen Umsturz der Dinge drängender Reformer, noch ein Grübler über die Satzungen der Herrschaft und der Unterordnung, sondern in seiner Vernunft vertrug sich sehr wohl die Erfahrung, daß er sich dieses Königreich erkämpft hatte, mit dem Glauben an sein Gottesgnadentum, und es konnten darin tätige Weltfreudigkeit und unbedenkliches Gewährenlassen, ja, Sinnvollfinden des Widersinnigen sehr gut nebeneinander bestehen. Wenn ihn aber angesichts vieler Gerichtsurteile, wie das im vorhergehenden Kapitel angeführte, das über den Mann mit der Stute gefällt wurde, ein Unbehagen überkommen wollte, dann vertröstete er sich auf die Zukunft, in der er Ordnung in die Rechtsprechung bringen würde: »Vielleicht erweist Gott mir in meinem Alter die Gnade, daß er mir Zeit genug gibt, zwei- oder dreimal die Woche in den Parlamentsgerichtshof zu gehen, ... um an der Verkürzung des Prozeßverfahrens zu arbeiten, das sollten dann meine letzten Spaziergänge sein.«

Diese Zeit war ihm nicht vergönnt gewesen. Er hat freilich dann durch das Erblichwerdenlassen der gekauften Richterämter einen schlimmen Fehler gegen die Rechtsprechung begangen, aber dieser Fehler war ein verwaltungstechnischer, und nicht etwa der, daß er, dem der niedliche Ausspruch vom Huhn im Topfe in den Mund gelegt worden ist, nicht gern für eine menschenfreundliche Justizpflege hätte sorgen wollen. Er hatte den Zweikämpfen zu steuern versucht und tat es nachher noch strenger, er hatte das Tragen von Feuerwaffen verboten und dem Räuberunwesen beinah ein Ende gemacht. Das war ein dringendes Gebot der Zeit gewesen. Was sonst zwischen den Menschen, dem Könige und Gott auszutragen war, stand alles längst aufgeschrieben, und seines Amtes war es nicht, da einzugreifen. Nicht Not noch Gewissen drängten ihn dazu. Von einem hochmütigen Heute aus gesehen, mag seine Zeit als der wunderliche Dämmerzustand anmuten, in dem irrlichternd das Leuchten einer neuen Humanität durch die alte Angstnacht urhafter, außervernünftiger menschheitlicher Zustände geht. Ihm selber aber war seine Zeit voll der Helle, Größe und Vernünftigkeit aller Zeit. Und was in ihr war, war so lange recht, als ihn Natur und Vernunft nicht zur Verbesserung trieben. Er machte aus Wüsten üppig tragendes Land, trocknete Sümpfe aus, baute Straßen und Brücken, die Steuern sanken und das Land wurde reicher. »Er zog das Geld der Fremden herbei durch den Verkauf der Dinge, welche die Fruchtbarkeit Frankreichs in größerer Fülle hervorbringt, als es sie für seine Bedürfnisse nötig hat. Und mit diesem Gelde stärkt es sich gegen die Fremden selbst. Denn man sah in Frankreich nur Pistolen, Doppel- und Halbdukaten aus Spanien, Gulden und Albrechts der Niederlande, Jacobus, Engel und Nobel aus England, Zechinen aus Polen, Dukaten aus Deutschland, mit welchen sich die Koffer des Königs füllten; und auch die Koffer der Privatleute waren reich damit versehen.« Solches war sein Tun, da standen ihm die Fragen und die Antworten auf, da war der Stoff der Zeit, an dem er wirken konnte. Was ging's den Tätigen an, daß diese seine bunte üppige Lebenszeit eine Zeit des Randes und er selber zwischen zwei Menschheitsaltern war!

Alles war ein Scheideweg, doch wo nicht Tun noch Genuß lockten, sah er fort. Liest einer in dreihundert Jahren die kleinen Tagesnachrichten aus unseren Zeitungen, so wird er sie ebensowenig mit der Lebensgeschichte etwa eines großen Ingenieurs oder Kolonisators oder Regierenden unmittelbar in Zusammenhang bringen dürfen, wie hier die Chroniken des Alltagslebens jener Zeit mit Heinrich IV. Der Statistiker oder Sozialhistoriker mag diese Dinge eines Zeitraumes zueinander denken – wer seinen Blick auf eine Menschengestalt richtet, sieht ihren besonderen Lebensraum in ihrer Zeit. Tausend Geschehnisse, die sich, aus der Ferne gesehen, als zeitgenössisch zusammendrängen, liegen nur auf der im winzigen Maßstabe gezeichneten Zeitkarte des Beschauers nahe beieinander und haben nicht mehr miteinander gemein, als etwa die Lynchung eines Negers im amerikanischen Westen und die Verleihung des Nobelpreises in Stockholm, die am selben Tage erfolgen. Daß beides zugleich geschehen kann, geht Gott, und vielleicht einen großen Philosophen unter den Sozialkritikern, an. Dem Ungrüblerisch-Tätigen sind es Partikelchen der unbewältigbaren Fülle, die zusammen das Leben heißt.

Ein großer König wird vermöge seiner Macht und der ihm, wie allen aus den Menschenmassen Emporgetauchten, zugeschobenen Verantwortung freilich zu außerordentlich vielen Dingen und Ereignissen seiner Zeit in Verbindung oder Beziehung gebracht. Aber solche Beziehung läßt sich meist schnell mit dem dunklen Worte Zeitgenossenschaft erschöpfen. Darin ist begriffen, daß etwas von der zeiteinmaligen Art in ihm gewesen sein muß, deren Gemeinsames in allen Lebensformen darzustellen freilich keinem Menschengeiste gelingen kann. Um aber dieses Zeitstigma, das an Heinrich, wie etwa an seinem Porträtisten Rubens, an den Humanisten, wie an der ganzen durch alle Epochen spielenden Mannigfaltigkeit der Menschenarten gewesen sein muß, ahnen zu lassen, mag auch ein wenig von den Dingen des Randes dieses Lebensraumes angedeutet werden: von Geschehnissen, in denen diese Zeit auch war, und die der König dieser Zeit, Heinrich, hinnahm, als zu dem Leben gehörig, zu dem auch er gehörte.

Es ist in diesem Buche das Wort Vernunft zwar sehr oft gebraucht worden, doch das hat seine Rechtfertigung in der Fülle seines Vorkommens, so oft Heinrich von sich selber redete oder schrieb. Der Gegensatz dieser ratio, wie Heinrich sie verstand, ist nicht so oft ausdrücklich gefaßt und mit einem Worte bezeichnet worden, weil sich ja die mannigfaltige Gewalt des Irrationalen in Geschehnis und Sein weit eher ausdrückt als in Worten, sofern diese nicht magische Zeichen und »heilige Namen« sind. Doch hat diese Geschichte schon damit begonnen, daß der König, um Nachkommenschaft besorgt, Brautwerber ausschickte und zugleich einem anderen Mädchen ein Eheversprechen übergab. Im Verlaufe der Erzählung mag auch anderes hervorgetreten sein und wird noch bis zuletzt hervortreten, was sich keineswegs so zugetragen hat, wie es diese überoft genannte Vernunft gefordert hätte. Glaubte man Heinrichs Äußerungen über seine Absichten und sein Vorhaben mit sich selber, so müßte sich sein Leben als ein klares Gewebe mit einfachen, schön geordneten Mustern darstellen. Statt dessen aber zeigte es sich nach der Art, wie Rubens es auf den zehn Jahre nach Heinrichs Tode bestellten einundzwanzig Gemälden gestaltet hat, auf denen seine Erdentaten bunt und kraus mit einem willkürlichen und nur noch aus den Märchengesetzen der Kunst vernünftigen Rankenwerk von Genien und Mythospersonifikationen durchsetzt sind. Denkt man sich diese Allegorien in andere um, in solche aus den alten Erdkulten und -mysterien, in Sendboten der Kybele und des Dionysos, in die Faune und Satyrn des großen Pan oder jahrtausendverwandelt in die Angst und Sehnsuchtsgewalten der Volksmärchen, so hat man eine Art Erdkarte dieses Lebens. In seinem ganzen Lebensraume aber ging es auf gleiche Weise zu, und der ganze festlich-schwermütige Jahr- und Jahrzehntemarkt dieses Zeitalters – wie wohl aller – sieht ein wenig verzerrt wie jene Darstellungen aus.

Wir haben vorhin einmal gleichnisweise der Welt der Grimmschen Märchen Erwähnung getan, in denen eine Art mittleren Lebensgefühl aufbewahrt ist, wie es diesem Zeitalter eigen war. Wir haben Shakespeare genannt als den größten, der diese Umwelt als Stoff zu einem ungeheuren Werke vorgefunden hat. Um aber nun zu Ende zu kommen mit Hinweisen und Andeutungen: dieses Stück Lebensgeschichte hat nicht Recht noch Platz, Geisteshistorie eines Zeitalters zu umreißen, weil es in Hinblick auf Heinrich damit nichts zu schaffen hat, noch kann es den anderen dunklen Urbereich in seinen damaligen Ausdrucksformen aufzeigen oder deuten. Es geht um einen Menschen und einen Augenblick lang auch um die besondere Art, wie sich in ihm und seinem Lebensraume die Vernünftigkeit mit dem Irrationalen vertragen hat. Und weil von Werk und Wirkung seines tätigen Verstandes schon etliches gezeigt worden ist, mag dieses in ein dem Helden recht ungemäßes Abstrahieren geratene Kapitel zuletzt doch wieder ein bißchen Lebensfarbe haben, indem es ein paar kleine Tatsachen und Beispiele aufzeigt, womit diese Vernunft sich prächtig vertrug.

Chroniken, selbst so verständiger, ja, gelehrter Leute, wie L'Estoile einer war, reden immer wieder mit einer solchen Selbstverständlichkeit von dem Zauberwesen, das die Zeit erfüllt hat, daß dem Leser von heute gelegentlich dabei zumute wird, wie bei den Seiten im »Goldenen Esel« des Apulejus, in denen es als eine Art geographischer Besonderheit von Thessalien erzählt wird, daß die meisten Frauen Hexen seien. Angesichts der Sachlichkeit der Berichte und der Überzeugtheit nicht nur der Behexten, sondern oft auch der solcher magischen Taten Geziehenen selber, möchten den Leser Zweifel befallen, ob der kritische Verstand überhaupt als Werkzeug zum Begreifen dieser Phänomene tauge. Der Verfasser erinnert sich einiger Gespräche mit einem alten weltklugen Manne, der jahrzehntelang im Innern Chinas gelebt hatte. Sein ganz mongolisch gewordenes Gesicht hatte den undurchdringlichen Ausdruck kultivierter Chinesen angenommen, und mit seinem gewandten, von mannigfachem Wissen erfüllten Verstande hatte sich die sonderbarste Wandlung vollzogen. Er sprach von Drachen, Füchsinnen und anderem Volke eines die Lebenden umlauernden geisterhaften Zwischenreiches, wie von den alltäglichsten Dingen, behauptete, derer genug gesehen zu haben, nachdem er erst seinen Blick von den blindmachenden europäischen Intellektbrillen befreit hatte, und er meinte schließlich, an alledem sei nichts Sonderbareres, als etwa an dem an sich unbekannten elektrischen Strom, den doch jedes Kind im Lichtschalter handhabe.

Nur die Verödung eines besonderen Sinnes verhindere den Europäer von heute, diese Kräfte, die er doch zuweilen empfinde, auch in ihren jeweiligen Gestalten zu sehen. Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser alte und sonst durchaus vertrauenswürdige Herr solches behauptete, ist in vielen Berichten dieser Zeit. Da steht zum Beispiel: Am zwölften Oktober 1605 hat es eine Sonnenfinsternis gegeben. Während ihrer Dauer verschwanden zahlreiche Menschen, die nie wiedergesehen wurden. Oder es wird, ebenso ohne Kommentar, berichtet, daß vor die neuerschlossenen Bergwerke wohlbewaffnete Wachen gestellt wurden, um das Hervorkommen der bösen Geister aus dem Erdinnern abzuwehren. Oder es wird von einem Manne namens Signol berichtet, der sich dem Teufel verschrieben hatte, welcher ihm dann eines Tages den Hals umdrehte und ihn in den Schloßgraben warf. Daß es beim Begräbnisse dann Blitz und Donner gab, hätten die vielen Zeugen wohl nicht auf Teufelseinfluß zurückgeführt, wäre nicht mit einem Schlage der Sarg verschwunden gewesen und nie wieder zum Vorschein gekommen, was alle Anwesenden zu beeiden bereit gewesen sind. Ereignisse solcher Art werden nicht etwa vereinzelt, sondern sehr zahlreich berichtet, und aus den Aufzeichnungen darüber ist kaum mehr Verwunderung herauszulesen, als etwa in ihrem Schreiber auf dem Jahrmarkt der Anblick einer Frau mit einem Vollbarte hervorgerufen hat.

Was gar das Hexenwesen anlangt, so gehören seine mannigfachen Äußerungen, sowie die Verurteilungen und martervollen Tötungen der Angeklagten zum Alltag der Zeit. Doch über Hexerei und ihre Prozesse mag jeder Leser dieses Buches aus allerlei Lektüre Erinnerungen genug bewahrt haben, daß davon zu erzählen nicht nötig sein mag Der Meinung, daß diese ganze Phänomenwelt des Zauberglaubens und der Hexenverfolgung zum Wesen einer irrationalen, »magischen« Lebensstimmung gehören, setzt Hegel eine ganz gegenteilige entgegen, die anzuführen der Verfasser sich nicht versagen möchte: »... Das aufgegangene Bewußtsein der Subjektivität des Menschen, der Innerlichkeit seines Wollens, hat den Glauben an das Böse, als eine ungeheure Macht der Weltlichkeit, mitgebracht. Dieser Glaube ist dem Ablaß parallel: sowie man sich für den Preis des Geldes die ewige Seligkeit erkaufen konnte, so glaubte man nun, man könne für den Preis seiner Seligkeit durch einen mit dem Teufel gemachten Bund sich die Reichtümer der Welt und die Macht ... erkaufen.
So ist jene berühmte Geschichte von Faust entstanden, der sich aus Überdruß (an) der theoretischen Wissenschaft in die Welt gestürzt und mit Verlust seiner Seligkeit alle Herrlichkeit derselben erkauft habe. Faust hätte dafür, nach dem Dichter, die Herrlichkeit der Welt genossen; aber jene armen Weiber, die man Hexen nannte, sollten nur die Befriedigung einer kleinen Rache an ihrer Nachbarin gehabt haben, wenn sie der Kuh die Milch versetzten oder das Kind krank machten. Man hat aber gegen sie nicht die Größe des Schadens beim Verderben der Milch oder Krankwerden des Kindes usf. in Anschlag gebracht, sondern hat abstrakt die Macht des Bösen in ihnen verfolgt. So sind denn in dem Glauben an diese abgetrennte, besondere Macht der Weltlichkeit, an den Teufel und dessen List ... eine unendliche Menge von Hexenprozessen eingeleitet worden. Man konnte den Angeklagten ihre Schuld nicht beweisen, man hatte sie nur in Verdacht: es war somit nur ein unmittelbares Wissen, worauf sich diese Wut gegen das Böse gründete. Man sah sich allerdings genötigt, zu Beweisen fortzugehen, aber die Grundlage der Prozesse war nur eben der Glaube, daß Personen die Macht des Bösen haben ...« Über die Prozesse selber dann noch: »Die Tortur, welche nur einmal angewendet werden sollte, wurde solange fortgesetzt, bis das Geständnis erfolgte. Wenn die angeklagte Person aus Schwäche bei der Tortur in Ohnmacht verfiel, so hieß es, der Teufel gebe ihr Schlaf; bekam sie Krämpfe, so sagte man, der Teufel lache aus ihr; hielt sie standhaft aus, der Teufel gebe ihr Kraft ...«
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Um aber zu dem Mittelpunkte des Kreises zurückzukehren, den wir mit ein paar kleinen Strichen anzudeuten versucht haben, zu dem so heimischen Bewohner dieses Lebensraumes, zu Heinrich: er war der »gute Nachbar der nächsten Dinge«, den Geheimnissen abhold, kein unbequemer Fragesteller Gottes, er lebte mit, ordnete sein großes Lebenshaus nach dem Sinn seiner Sinne, und was an Fragen zu ihm kommen konnte, fand ihn fröhlich bereit, in Leben ausdrückbare Antwort zu geben. Was er wußte, machte ihn heiß, das Übrige ging, wie gesagt, den anderen König an, der nur das Jenseits hatte und seine Geheimnisse und vom schönen Hier nur die Gebetssteuern, das Kirchenwerk und die Todesstunden.


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