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VIII

Marie hatte aus Florenz klare und handliche Verhaltungsmaßregeln mitbekommen. Wie sehr auch ihr königlicher Stand ihr allmählich zu Kopfe steigen mochte, hielt sie sich doch anfangs recht genau an die ihr angeratene Bescheidenheit dem Gatten gegenüber. Und da sie im übrigen eine hübsche Haut, ein trotz seiner Unbelebtheit angenehmes Gesicht und zu anderen Reizen noch den schöner Brüste hatte, wofür Heinrich besonders empfänglich war, konnten diese ersten Ehewochen gar kein anderes Gefühl als das voller Genugtuung in ihm hinterlassen, der er dann auch freigiebigst Ausdruck gab. Wie hätte er, der Henriettens gerissene Schlechtigkeit für etwas Gelegentliches und nicht zu ihrer eigentlichen Natur Gehöriges hielt, Verstand und Wesen seiner so bescheiden sich gebenden Gattin zu beurteilen imstande sein sollen, mit der er nur durch Dolmetscher Gespräche führen konnte? Und wie hätte er, da die Übersetzungen der Äußerungen Maries von einer so höfisch klugen alten Frau wie der Herzogin von Nemours für ihn stilisiert wurden, daraus anderes heraushören sollen, als was ihm lieb war? War schon in den besten Fällen die Menschenbeurteilung dieser Zeit sehr ferne von dem, was wir heute (noch immer so vieldeutig) Psychologie nennen, so kam in Heinrichs Fall auch dort, wo nicht entzündete Sinnlichkeit oder Bequemlichkeit ihn drängten, alles gut zu finden, eine besondere Eigentümlichkeit hinzu: die nämlich, daß Heinrich, gemessen an Maßstäben seiner Epoche, in all seiner Geistesschärfe und seiner raschen Klugheit, durchaus ungelehrt oder, wie man es heute nennen möchte, unliterarisch und durchaus kein »Intellektueller« war. Daß die vielen Tausende seiner Briefe und Schreiben zum Teil noch heute als Kostbarkeiten einer allerpersönlichsten, allen Konventionen sich entwindenden Sprache sind, hängt wohl mit diesen »unliterarischen« Eigenschaften zusammen: wo er Art und Höhe eines Verstandes nicht aus Taten und Wirkungen beurteilen konnte, blieb ihm nur die Sprache als Maßstab, aber nicht ihr Bildungsmäßiges, sondern ihre Lebendigkeit, die Genauigkeit des Ausdruckes, die sinnliche Vermittlungskunst ihrer Prägungen, die Improvisationsgabe, kurz alles das, was er selber im höchsten Maße besaß. Und da noch eine lange Zeit verging, ehe die, ach, so unbegabte Marie auch nur erträglich Französisch sprechen konnte, blieb es Heinrich zu seinem Glücke versagt, aus dem Ausdrucke auf das Wesen seiner Frau zu schließen. Als aber dieses Wesen sich immer unzweideutiger in Handlungen und Unterlassungen kundgeben wollte, hielt er, was ihn daran verdroß, wie an Henriette, für etwas lediglich einer Laune der Stunde oder des Tages Entspringendes. Ungeachtet dessen, daß solcher Verdruß oft sehr tief aus ihm kam, dorther, wo sonst lebensstark Ja oder Nein in ihm erwuchsen, richtete er weder sein Urteil noch sein Grundverhalten zu Marie nach solchen Erfahrungen ein. Dazu trug freilich auch bei, daß er, ungeachtet der Vielfalt von Frauen, die es in seinem Leben gab, von einer großen Beständigkeit war und es mit Menschen wie mit Plänen so hielt, daß die wenigen, die er ganz und gar in sein Dasein aufgenommen hatte, bleiben und weiter da sein mußten, solange das in seinen Kräften des Tuns und des Ertragens stand. Und diese Kräfte waren sehr groß.

Marie hatte Heinrich gebeten, ihre Schwangerschaft erst bekanntwerden zu lassen, bis ein weiterer Monat sie zur Gewißheit gemacht hätte. Aber Heinrich hielt sich so wenig daran wie Marie selber, die eifrig und eilends davon nach Florenz berichtet hatte. So bekam Henriette diese Nachricht gleich beim Wiedersehen von Heinrich aufgetischt. Die Wirkung solcher Kunde auf die Frau, die sich schon in die Hoffnung hineingesteigert hatte, Marie werde kinderlos bleiben und sie selber würde dann ihren Platz einnehmen, läßt sich erraten. Aber Henriette war nach ihren Erfahrungen nun doch vorsichtiger geworden. Sie ließ sich vorerst nicht wieder auf eine Weise gehen, die zu einem neuen Bruche hätte führen können. Da alles, was sie von Marie gehört hatte, sie überzeugte, daß sie in ihrem Witz und ihrer Schlagfertigkeit die Waffen habe, mit denen sie am ehesten Marie besiegen könne, bot sie wieder wie anfangs all ihre Künste auf, den König recht fröhlich zu machen und zu erhalten. So waren die paar Wintertage in Verneuil für Heinrich so gute, daß sich seine Neigung zu Henriette frisch und kräftig neben der zu Marie einrichtete. Aber auch Henriette meinte dann, sich diese Tage loben zu können, als sie verspürte, daß sie aus ihnen wieder schwanger geworden war.

Die muntere Rolle, die Henriette bisher gespielt hatte, lag ihrer Natur sehr, und ihre Fröhlichkeit wuchs nur noch, als Heinrich wieder fort war und die Entdeckung neuer Mutterschaftsverheißung so viele prächtige Hoffnungen wieder in ihr aufkommen ließ. Wie wenig hingegen die Rolle der Sanften und Bescheidenen Mariens Wesen entsprach, konnten etliche von Heinrichs Würdenträgern erfahren, sobald nach des Königs Aufbruch die Vorbereitungen für die Reise der Königin begonnen wurden. Für diese häufige Übellaunigkeit, für die erregten und geflüsterten italienischen Gespräche, die langen Beratungen der Königin mit dem toskanischen Gesandten, für die recht unfreundlichen Blicke, die Sully wie den Kanzler trafen, gab es in Maries Gefühl und mehr noch im Gefühle derer, die das alles anging, einen Grund und viele Untergründe dazu. Wenige Tage nach Heinrichs Ankunft in Lyon nämlich hatten, von dem toskanischen Gesandten geführt, lange Verhandlungen in betreff des für die Königin zu bildenden Hofstaates begonnen. Der Sprecher, von Marie sowohl wie von bald zu nennenden Personen instruiert, legte dem König im Auftrage seines Herrn, des Großherzogs, Maries Wohl recht ans Herz. Da aber zu diesem Wohle vor allem auch gehörte, daß die Königin in dem ihr noch so fremden Lande nicht Heimweh leide, sondern erst allmählich an das neue Leben sich gewöhnen lerne, sei es nötig, daß sie eine Reihe von ihr vertrauten Gesichtern um sich sehe und die heimatliche Sprache noch zuweilen hören und sprechen könne und daß sie auch manche lebenslang gewohnt gewesenen kleinen Dinge der Lebensführung nicht vermissen müsse. Die dann Heinrich zur Aufnahme in den Hofstaat vorgeschlagenen Personen waren jedoch nur zum geringen Teil vom Großherzoge bestimmt worden, dem ja nur daran lag, einige zuverlässige Leute zur Berichterstattung sowohl über Maries Ergehen wie auch über alles sonst Wissenswerte am französischen Hofe zu haben. Die Auswahl stammte vielmehr von Marie selber oder, besser gesagt, aus Entschließungen, die als die ihren zu gelten hatten, wenngleich sie ihr, wie früher und später unzählige andere »Entschließungen«, fertig geliefert wurden. – Nun muß aber dieses recht folgenreiche Gespräch zwischen Heinrich und dem toskanischen Beauftragten unterbrochen werden, um in Kürze zwei Personen einzuführen, deren Namen schon genannt worden sind und in dieser Erzählung häufig genug wiederkehren werden. Es sind dies Eleonora Galigai und Concino Concini.

Die in den alten Historien und Theaterstücken kaum je fehlenden Figuren der weiblichen und männlichen Intriganten können wahrscheinlich aus der menschlichen Schlechtigkeit allein und der Gier nach Rang, Ehren und Besitz gar nicht begriffen werden. Obwohl es gelegentlich rechte Prachtexemplare von naturhaften Intriganten gegeben haben mag, die aus reiner Lust an der kunstvoll geübten Bosheit ihrem schwierigen Berufe gelebt haben, sind zum Wachstum und vollem Erblühen dieses ein wenig antiquiert anmutenden und doch weiterbestehenden Typus ganz besondere Lebensbedingungen nötig. Die wesentlichste dafür dürfte sein, daß es eine sehr konzentrierte Macht geben muß, die Hocherstrebenswertes nach freiem Ermessen und ohne Rücksicht auf Verdienste zu vergeben hat. Dann, daß unter den vielen Anwärtern auf dieses Erstrebenswerte sehr dichte, naturferne, verwickelte Gesetze einer Zivilisation herrschen, denen die Raubinstinkte sich anpassen müssen, so daß sie im verschnörkelten Labyrinth engen gesellschaftlichen Zusammenlebens das rechte Kriechen und Schleichen um die Machtmitte lernen. Höfe waren von jeher ein guter Nährboden für diese Menschenspezies; aus allen Schichten und Landschaften der Menschenwelt wurden die Gierigen durch die Hoffnung auf Besitz und Genüße, die Verbogenen durch die Sehnsucht nach Ehren, die ihren inneren Makel zudecken könnten, die schlechten Schwachen durch das Verlangen nach Macht, an der sie selber stark würden, nach jeder solchen irrationalen Machtmitte gelockt, nach solcher irdischen Göttlichkeit, die Gnaden zu vergeben hat, ohne, wie die himmlische, die Seelen zu prüfen. Der Medici-Hof, mit seinen ungeheuren Reichtümern, seinem Fehlen eines natürlich zugewachsenen Hofadels und der Skrupellosigkeit seiner Praktiken, war eine sprichwörtliche Brutstätte und hohe Schule des Intrigantentums geworden; seit den Tagen der Katharina Medici wußte man auch in Frankreich ein bitteres Liedlein davon zu singen. Zwei gelungenere Exemplare dieser Spezies jedoch als Eleonora und Concini hat kein Tragödienschreiber erfunden, und nicht viele gleichwertige sind im Raritätenkabinett der Geschichte aufzufinden.

Als der toskanische Gesandte Heinrich seine Liste der für Maries Hofstaat erwünschten Personen vorlegte, fand sich darunter auch Eleonora Galigai, die – ursprünglich unter dem Gefolge Maries einfach als Cameriera, Kammerzofe, aufgeführt – nun für das Amt einer Hofdame für besondere Verwendung vorgeschlagen wurde. Auf Heinrichs Frage, ob die zu solchem Ehrenamte ausersehene Galigai denn adligen Standes sei, hatte der Florentiner erst nicht mit der Sprache herausrücken wollen, sondern nur gesagt, sie sei guter Herkunft. Doch auch die war recht zweifelhaft. Eleonora hieß mit Familiennamen Dori und hatte den Namen Galigai, der in Florenz einen guten Klang hatte, wie sie selber sagte, mit einer Erbschaft erhalten, wahrscheinlicher aber durch eine bezahlte Adoption. Sie soll die Tochter eines Tischlers und einer Wäscherin gewesen sein. Vermutlich aber hat sie, mit ihrem wachsenden Ehrgeiz, die Spuren ihrer Abkunft nach der Namensänderung schon für die Zeitgenossen erfolgreich verwischt und nur immer wieder die Tatsache hervorgekehrt, daß sie mit Marie aufgewachsen sei. So werden die Angaben wohl richtig sein, daß sie die Milchschwester, das heißt die Tochter von Maries Amme gewesen sei. Sie war ein oder zwei Jahre älter als Marie und wird wohl, wie ihre Natur vermuten läßt und es die Umstände forderten, weit früher gereift sein als Marie, sofern dieses Wort Reife auf Marie überhaupt anwendbar ist. Im Bewußtsein, daß die Fortsetzung der Herrlichkeit des Lebens an einem Hofe einzig von ihrem Verhältnisse zu Marie abhinge, hatte Eleonora, mit den verfeinerten Instinkten der von Kindheit an gefährdet Lebenden, es sich von früh an angelegen sein lassen, diese Prinzessin Marie, an der ihr Heil hing, kennenzulernen, aus ihren Schwächen Nutzen zu ziehen und sich ihr mehr und mehr unentbehrlich zu machen. Während Maries träges Herz sich allmählich, trotz des frühen hoffärtigen Bewußtseins ihres Ranges, an die Jugendgefährtin gewöhnte, hatte diese mit ihrer größeren Lebhaftigkeit, ihrem beweglicheren Verstande und der Zähigkeit ihres Behauptungswillens in den Mängeln Maries schon ihre Vorteile entdeckt. Da war zum Beispiel von der Kindheit an eine außerordentliche Eitelkeit auf ihr Äußeres in der Prinzessin, und dabei fehlten ihr alle Gaben, Gesicht und Wuchs zur Geltung zu bringen. Die kostbarsten Kleider hingen an ihr wie nicht ihr gehörig, die kunstvollsten Haartrachten wollten nicht zur Wirkung kommen, der viele edle Schmuck schien an falschen Platz geraten. Marie wußte das, und daß Eleonora es auch wußte, aber darüber hinaus immer klüglicher kleine Künste der Abhilfe entwickelte, gab der Niedriggeborenen die erste Überlegenheit über die Prinzessin. Und Eleonora machte sich klein, nutzte ihren immer sicherer werdenderen Geschmack, sich möglichst unscheinbar zu kleiden, und spielte die Farblose, Unbedeutende neben der Schönen und Herrlichen. Sie versäumte dabei keine Gelegenheit, Marie merken zu lassen, daß ohne die »arme« Eleonora die ganze Herrlichkeit sich schnell in all ihrer erfindungsarmen Ungesegnetheit zeigen würde. Wenn Marie dann, heranwachsend, etwas wie Bewunderung einheimsen konnte, wußte sie selber schon, welcher Anteil daran von Eleonora eingefordert werden könnte. Das machte sie nur noch abhängiger. So kam es immer mehr dahin, daß alle Fragen, Sorgen und Schwierigkeiten zu Eleonora getragen wurden. Diese hatte das matte Instrument Marie so vollendet spielen gelernt, daß sie ihm stets die überraschendsten Gedanken und unerwartetsten Lösungen zu entlocken verstand, immer mit Lob und Bewunderung für die Gaben der Herrin; die vermischte dann, auf eine wunderliche Weise, eine Art Selbstbewußtsein mit dem Gefühl, das ein Pferd während einer über seine Kräfte gehenden Geschwindigkeit für seinen Reiter haben mag. So war es für Marie wie für den ganzen Florentiner Hof außer jeder Frage gewesen, daß Eleonora mit nach Frankreich käme. Der Großherzog hatte nur darum nicht von Anfang an für die Vertraute eine entsprechende Stellung am Pariser Hofe verlangt, weil ihm Eleonoras Verbundenheit mit Marie in den Jahren eine so selbstverständliche geworden war, daß er wohl annahm, sie müßte dem Könige von Frankreich ebenso einleuchten wie ihm, worauf er ja Eleonoren den angemessenen Rang im Hofstaate gar nicht würde versagen können.

Concini war schon vor der Heirat Maries von Florenz aus für ein Amt im Hofstaate der Königin vorgeschlagen worden. Die Empfehlung hatte folgendermaßen gelautet: »Concino Concini, Graf de la Penna« (von diesem Titel ist hernach nie mehr die Rede gewesen!) »ist ein junger Mann voll ehrenwertesten Eigenschaften, aus einem Hause stammend, das dem Großherzog und der Königin Dienste geleistet hat. Sein Vater ist oberster Auditor und sein Bruder, Monsignore Cosimo, ist Gesandter des Großherzogs bei seiner kaiserlichen Majestät. Er kommt alles in allem aus einer bei Ihren Hoheiten wohlgelittenen Familie und möchte sich in Frankreich niederlassen und in Treuen und mit Eifer dienen, um die Huld seiner Majestät zu erwerben und einen Rang zu haben unter den Edelleuten, welche Seine Majestät zu dero Gefolge und Dienste an jeglichem Orte und selbst im Kriege unterhält. Nichts wäre dem Großherzog angenehmer, als ihn aufgenommen und begünstigt zu sehen.« Trotz dieser Anpreisung ist es verbürgt, daß Heinrich, der genug Mühe hatte, die Glücksjäger und Abenteurer aus seinen eigenen kriegerischen Läuften sich von Hof und Beutel fernzuhalten, die Zulassung Concinis zum Hofstaat der Königin entschiedenst abgelehnt hat. Da Marie selber damals an ihm noch keinerlei Interesse nahm, wäre er wohl zu Frankreichs Glück nicht nach Paris gekommen, hätte sich nicht zuletzt eine mächtige Fürsprecherin für ihn gefunden. Eleonora, die übrigens fern von Marie weit weniger unscheinbar aussah und deren schöner Wuchs gerühmt wurde, hatte sich in den jungen, gewandten und nicht übel aussehenden Concini verliebt und, in ihm eine verwandte Seele entdeckend, so nachhaltig von Marie seine Mitnahme erbeten, daß er eben mitgenommen wurde, freilich vorläufig ohne Rang am königlichen Hofe.

Nun diese beiden eingeführt sind, um die es in der Audienz des toskanischen Gesandten bei Heinrich wesentlich gegangen war, muß deren Inhalt und ihr Ergebnis, das so viele Bitterkeit für Marie und die Ihren brachte, berichtet werden. Dieser florentinische Gesandte, im übrigen Staatssekretär und Vertrauensmann des Großherzogs, hatte mit seinem Bemühen um Aufnahme seiner Landsleute in den Hofstaat kein leichtes Amt übernommen. Heinrich sah diesen ganzen italienischen Klüngel an sich schon recht ungern, denn seine feine Witterung warnte ihn davor, in seiner nächsten Umgebung eine fremde Insel entstehen zu lassen, auf der die Königin, die er baldmöglichst in Frankreich völlig eingelebt wünschte, ihr Stück Toskana nur allzu nahe hätte. Dazu kam Sully, der nie wußte, wie er auch nur die unvermeidlichsten Ausgaben aufbringen sollte, und der in den König drang, angesichts aller dieser Gierigen der elenden Finanzen des Landes zu gedenken. Und da Heinrich, wo es nicht um sein Vergnügen, um unausweichliche Pflicht oder um für die Zukunft versprechungsvolle Ausgaben ging, die Schnur des Geldsäckels lieber dreimal knotete als einmal, fand Sully ein geneigtes Ohr bei seinem Herrn und Freund.

Der erste unter den von dem Gesandten Vinta Vorgeschlagenen war der Domherr Baccio Giovannini, der nun schon dem dritten Großherzoge diente und die Vorteile des Priestergewandes bei der Handhabung von Menschen für den Dienst seiner Herren wohl zu nutzen verstanden hatte. Dieser, der zugleich vom Großherzoge als vertrauter Pariser Berichterstatter ausersehen war, wurde Heinrich als Maries erster Beichtvater und italienischer Sekretär vorgeschlagen. Zu dieser Stellung aber forderte Giovannini selber das höchst einträgliche Amt des Maître des Requêtes der Königin; dem Inhaber dieses Amtes oblag die Sichtung und Weiterleitung der eingehenden Bittschriften und er entschied über deren Schicksal. So viele Forderungen auf einmal verdrossen den sparsamen Sully ebenso, wie sie den König erheiterten. Dann folgte eine Reihe von Vorschlägen geringerer Bedeutung, das Personal betreffend, das der Königin dienen sollte, auf daß sie heimatlich Gewohntes – an dem Heinrich doch gar nichts lag – nicht missen müsse. Da sollten ein florentinischer Koch, ein Arzt, ein Apotheker, ein Beschließer, ein Mundschenk, ein Schneider, etliche Kammerfrauen und Zofen in Dienst und Sold genommen werden, die allesamt schon zur Stelle waren. Endlich kam der Hauptpunkt, der der schwierigste war: die Frage der künftigen Stellung Eleonoras. Daß die Vertraute der Königin nicht einfach im Range den Dienstleuten gleichgestellt sein könne, erschien den Florentinern selbstverständlich. So war für Eleonora ein ansehnliches Hofamt gefordert worden, das der Hofdame zu persönlichen Diensten der Königin. Aber mochte Heinrich in den Jahren seiner Kämpfe um das Königtum auch ein Abenteurer genannt worden sein: daß dieser abenteuerliche Weg ihn schließlich zum anerkannten Könige von Frankreich gemacht hatte, dankte er außer seinen persönlichen Gaben seiner Herkunft aus dem Stamme des heiligen Ludwig. Dieses Stammes in Jahrhunderten gewachsenen Brauch hatte er mit der Krone als geheiligtes und unantastbares Gut übernommen, und daran glaubte er wie an sein Gottesgnadentum, seitdem ihn das heilige Salböl berührt hatte. Zu diesem Brauche aber gehörte die völlige Sonderung der traditionell festgelegten Hofämter von jeder Art von Dienstleuten. Es war wie in manchen Heeren, wo zwischen dem Offizier und dem Unteroffizier etwas Unüberbrückbares lag. Der Dienst des Königs, der Würde war, gehörte dem Adel, und Heinrich, der vom Adel hart einforderte, was Königsrecht war, war nicht gesonnen, an solcher Grundeinrichtung in Staat und Herrschaft etwas zu verändern um der Italienerin willen. Das geforderte Hofamt war an die Gräfin de l'Isle vergeben worden, und so sollte es bleiben. Heinrich, der in all seiner Freundlichkeit dem Toskaner jetzt sehr königlich erschien, erklärte: »Die Königin sei im Begriffe, Französin zu werden, so werde sie sich geschwind an die französische Küche gewöhnen, die übrigens besser als die ihrige sei. Werde sie krank oder schwanger, so würde man sie selber zu pflegen wissen. Dennoch wolle er das Geforderte gewähren. Was aber Eleonora betreffe, wolle er, daß sie der Königin Haartracht besorge und keine andere deren Kopf berühre. Seine Absicht sei, daß sie die Erste sei im Gemache der Königin, er werde sie begünstigen, mit Wohltaten überhäufen und großmachen ... Was aber den Titel der Hofdame anlange, könne er ihn nicht gewähren, doch möge Eleonora ansonsten Amt und Bezüge haben. Die Hofdame dieses Grades müsse verheiratet sein. Sie sei diejenige, die mit der Königin im Wagen fahre, und das gehe mit der Eleonora nicht an.« Auf diese Absage hin wagte der Gesandte gar nicht mehr, auch noch von dem bereits einmal zurückgewiesenen Concini zu beginnen, sondern erwiderte nur, der König und die Königin würden sich darüber schon verständigen, und stellte damit Heinrich gerade das in Aussicht, was dieser so gerne vermieden hätte.

Daß aber diese Unterredung, deren Zugeständnisse Heinrich wie Sully genug verdrossen, unter den Florentinern, Marie inbegriffen, übelste Laune schuf, hing mit dem allerdings nicht erfolgreichen Versuche des Königs zusammen, das ganze Problem Eleonora-Concini mit einem Schlage aus der Welt zu schaffen. Als ihm nämlich zugetragen wurde, wie leidenschaftlich verliebt Eleonora in Concini sei und wie entschlossen dieser auf eine Heirat mit der mächtigen Vertrauten der Königin hinarbeite, stellte er die Forderung, daß Concini und Eleonora sich baldmöglichst verheirateten und dann mit einem Stück Geld als Mitgift nach Florenz zurückkehrten, oder daß Eleonora von Concini lasse, der dann umgehend heimgeschickt würde, und sich mit einem vom Könige vorgeschlagenen französischen Edelmann vermähle. Zwar geriet dieses unbefristete Ultimatum mit Heinrichs Abreise aus Lyon einigermaßen in Vergessenheit, aber die bloße Möglichkeit solcher Zumutung empörten Eleonora wie Concini aufs tiefste, was sich entsprechend auf Marie übertrug. Diese Übellaunigkeit wuchs noch, vermöge einer Spaltung unter den Florentinern selber, hervorgerufen durch Eleonoras Vorwurf, Vinta habe ihre und Concinis Sache nicht nachdrücklich genug vertreten, und Giovannini habe Concini dem Könige als einen Neugeadelten, vom Elternhause verwiesenen Taugenichts dargestellt. Marie aber konnte Giovannini, ihres Oheims Vertrauensmann, freilich nicht einfach wegschicken, wie es wohl gewünscht wurde. So gab es Groll und Verdrossenheit rundum, und die Königin hatte ihr kräftiges Teil daran. In solcher Stimmung erfolgte der Aufbruch von Lyon und begann die Reise, die sich in kleinen Tagesstrecken auf Fontainebleau zu bewegte.


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