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X

Die Fürsten sind für gewöhnlich den häuslichen Streitigkeiten nicht unterworfen, welche das eheliche Leben der Privatleute stören, aber der König erfuhr deren ohne Unterlaß.

Histoire de Marie de Médici 1774. Anonym.

 

Trotz des kalten Empfanges durch die Königin und der einer Züchtigung gleichkommenden Zurechtweisung durch Heinrich lag Henrietten nichts ferner, als den Hof und die Nähe der Königin zu meiden. Mochte sie »die plumpe Bankierstochter, die ihr ihren Platz gestohlen hatte«, auch noch so hassen und verachten, Marie war nun einmal die Königin, und solange sie es war, blieb nichts übrig, als sie in die Rechnung einzubeziehen, die ohne Königtum und Hof gar nicht aufzustellen gewesen wäre. In allerkürzester Zeit hatte sich Henriette, nun klug umfragend, horchend und schauend, ein recht genaues Bild von den neuen Hofverhältnissen gemacht, wie sie durch das Kommen einer so gearteten Königin und der sie Umgebenden entstanden waren. Die Bekanntschaft mit Eleonora und Concini und was man ihr von deren Einfluß auf Marie, von deren Gier nach Hofrang und dem in Lyon Geschehenen erzählte, hatten hingereicht, sie klar sehen zu lassen, welchen Mißgriff Heinrich begangen hatte, indem er die beiden nicht entweder eilends und für immer entfernt oder ihnen sogleich die angestrebte Stellung gegeben hatte. Ihr war freilich wenig daran gelegen, Mißgriffe des Königs wieder gutzumachen. Wenn aber Heinrich in dem, was sie nun zu unternehmen sich anschickte, solch eine Mithilfe erblicken wollte, um so besser. Ihr ging es vor allem darum, der Medici zu zeigen, daß auch sie ihre Macht habe, mit der zu rechnen rätlich sein mochte, und sich dabei zugleich die kleine Galigai und ihren Galan zu verpflichten, welche beiden auch ihrerseits Henriette schon als beachtenswerten Posten in ihrer kleinen Mathematik erkannt hatten. So verständigte sie sich alsbald mit Eleonora über einen Handel: sie wolle beim Könige bewirken, daß Eleonora sowohl den Rang der Ehrendame als auch die Bewilligung zur Verheiratung mit Concini erhielte, während diese dafür ihren Einfluß auf die Königin aufböte, um sie gegen Henriette freundlicher und entgegenkommender zu stimmen. Als dann Heinrich, der nahezu bei jedem Zusammensein mit der Gattin von Eleonora und Concini reden hören mußte, diese verdammten Namen nun auch noch von seiner Geliebten zu hören bekam, wurde er schnell schwankend. Sei es, daß er den begangenen Fehler selbst einsah, sei es, daß er der schwangeren Henriette um so weniger eine Bitte abschlagen wollte, als er sich aus allerlei schon bekannten und mindestens einem noch zu nennenden Grunde ihr ein wenig verschuldet fühlte: er gab nach. Was Marie in Monaten des Bittens und Schmollens nicht erreicht hatte, war Henrietten in Tagen gelungen. Eleonora hatte ihren Titel der Ehrendame und die Bewilligung zur Ehe mit Concini, der zum Kammerherrn ernannt wurde. Und als ob Heinrich eingesehen hätte, daß er für eine so verspätete und auf Umwegen erlangte Gnade von den beiden, die nun in aller Form zum Hofe gehörten, wenig Dank zu erwarten haben würde, fügte er als ein Hochzeitsgeschenk noch die höchst beträchtliche Summe von zwanzigtausend Talern hinzu.

Henriette hatte mit diesem Erfolge der Königin in der Tat bewiesen, daß ihr Einfluß auf Heinrich wohl zu bedenken sein möchte. Die Vorteile aber, die sie sich von dieser Einsicht erwartet hatte, wollten sich nicht einstellen. Sie hatte, im Glauben an die Redlichkeit der Spitzbuben untereinander, ihr Geschäft mit Eleonora abgeschlossen und erwirkt, was sie versprochen hatte. Nun aber Eleonora Ehrendame und Concini, der sich neuerdings Marquis nennen ließ, Kammerherr war und die Heirat nahe bevorstand, sah Eleonora keinerlei Vorteil mehr darin, die Geliebte des Königs ihrer Herrin zu empfehlen. Denn für Eleonora gab es jetzt schon klare Gewißheit, daß Gegnerschaft gesetzt sei zwischen den Ihrigen und den Anderen: die Ihrigen waren Marie und Concini und wer sich sonst erprobt als verwendbar erwies. Marie aber war Eleonoras Machtquelle, und daß daraus keiner von den anderen schöpfen sollte, dafür würde sie schon sorgen. Da Henriette nun das einzige, was sie für Eleonora und Concini zu tun imstande gewesen war, getan hatte, bestand keinerlei Grund mehr dazu, auch nur den Anschein irgendwelcher Bemühungen zu ihren Gunsten zu erwecken. So wurde Henriette für ihren großen Dienst einzig mit der Erfahrung bezahlt, daß die Florentiner Spitzbubenmoral von der französischen ein wenig verschieden sei. Im übrigen hätte Henriette aus der Art, wie das Florentiner Paar gegen die eigenen Landsleute verfuhr, erraten können, wie unrecht sie gehabt hatte, sich von Eleonora irgend etwas zu erwarten. Jeden Tag wurden bei Hof neue Gehässigkeiten Concinis gegen den alten Giovannini erzählt, von den Stockhieben, mit denen der Kammerherr über den greisen Priester hergefallen war, und daß diese Streitigkeiten, Klagen und Verleumdungen nicht nur zu Marie, sondern nur zu oft vor den König gelangten, in dessen anfängliche Heiterkeit über das schlechte Zusammenleben der Italiener sich bald die größte Behutsamkeit gegenüber Maries Empfindlichkeit mischte. Außerdem wußte Henriette, worüber der ganze Hof sich empörte, zu dessen Eigenschaften sonst Mitleid mit den Mißhandelten und Unrechtleidenden gewiß nicht gehörte: daß die Florentiner Burschen, welche die Königin mit der fortschreitenden Schwangerschaft täglich in der Sänfte trugen, keinen Pfennig Lohn erhielten, sondern ohne die gelegentlichen Geschenke von Herren und Damen des Hofes Hunger gelitten hätten. Denn Concini hatte diese Zahlungen übernommen, und ihm war jeder Taler recht, woher er auch kommen mochte. Seit er und Eleonora Rang und Würde bei Hof inmitten von lauter Leuten hatten, die ihren beträchtlichen Aufwand aus den Einkünften ihrer Güter weit mehr als aus den Bezügen ihrer Hofämter bestritten, wuchs die Gier des Paares von Tag zu Tag: sich so schnell als möglich ein gut Stück Geld zu machen und es nutzbringend anzulegen, Häuser und Land zu kaufen, aber auch viel Schmuck, der sich leicht wegtragen ließe, wenn, Gott behüte, eines Tages irgendein Schicksalsschlag käme. Die Einkünfte aber aus der Mitgift, die Eleonora in die Ehe gebracht hatte, und aus ihrer Stellung bei Marie, wollten nicht nach Wunsch wachsen; denn so freigebig die Königin auch gegen ihre Vertraute war, ihre eigenen Einkünfte betrugen vorerst nur zwölftausend Taler im Jahr, die zu erhöhen Heinrich sich mit der Begründung geweigert hatte, er wolle nicht, daß noch mehr Geld in Concinis Tasche fließe. Aber es floß dennoch dessen mehr und mehr; das einmal gegrabene Bett wurde breiter und breiter, und immer neue Rinnsale, Bäche und Flüsse mündeten hinein. Hätte Sully damals in Lyon, da er sich gegen die Ausgaben für die Florentiner wehrte, gewußt, was Concini und Eleonora Frankreich kosten würden, so hätte er eilig sein Amt als Oberintendant der Finanzen von sich geworfen.


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