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XIII

Marie hatte im Französischsprechen ansehnliche Fortschritte gemacht. Zwar klang ihr Idiom noch lange fremdartig genug, aber sie konnte darin nun schon immer mehr sagen und nützte das aus. Eleonora, der wenig an einem allzu guten Einverständnis zwischen ihrer Herrin und dem Könige gelegen war (die sich ja leicht hätten dann auch über sie verständigen können), trug der Königin sorglich jede Äußerung zu, die Henriette wirklich oder angeblich über Marie, ihre Ehe und den Dauphin getan hatte. Und Marie konnte üppig in galligem Groll und wehleidigen Bitternissen schwelgen. Aber seit sie den Thronerben geboren hatte, schrumpfte die Bescheidenheitsmaske mehr und mehr ein, und ihre täglichen Aufhetzer bliesen ihr den Mut ihres Hochmuts ein, bis sie endlich dem Gatten gegenüber recht kräftig als das aufzutreten begann, was sie sich unter einer großen Königin vorstellte. Vor allem wollte sie mit der Verneuil fertig werden, dieser puttana arrogante, die sich im Louvre mehr zu Hause fühlte als sie selber, die bei jeder Gelegenheit von ihren älteren und weit vorzüglicheren Rechten sprach und andeutete, sie würde sie schon noch zur Geltung bringen. Marie wußte, daß die d'Entragues noch immer das törichte Heiratsversprechen Heinrichs in Händen hatten und daß sie, wie in den Zeiten, da Henriette noch in den Königingemächern von Fontainebleau ihren toten Bastard zur Welt gebracht hatte, damit allerlei dunkle Unternehmungen in Gang hielten, als ob es in Frankreich keine Königin und keinen Erben nach heiligstem Recht gäbe. Im Januar des Jahres 1602 erklärte Marie dem Könige, sie wolle und werde die Marquise von Verneuil nicht wiedersehen. Das klang entschiedener, als Heinrich noch irgend etwas von seiner Gattin zu hören bekommen hatte. Er bat, beschwor, ja er soll sogar auf den Knien um die Rücknahme dieses Wortes gefleht haben – Marie aber, die so viel in ihrem Leben zurückgenommen und wieder hervorgeholt hatte, blieb weiter trotzig fest, auch Sully gegenüber, den Heinrich, wie nun stets, als Mittler zu ihr geschickt hatte. Das war der erste von vielen großen Ehezwisten. Heinrich ließ sich sein Bett aus dem Gemache der Königin holen und in sein Arbeitszimmer bringen; es ist hernach noch oft genug von hier abgeholt und wieder zurückgebracht worden. Sully, der Vertraute aller dieser Ehestreitigkeiten, erzählt, daß sie nie sehr lange gedauert hätten, denn Heinrich sei leicht zu versöhnen gewesen. Aber nach jedem solchen kleinen ertrotzten Sieg machte sich übellaunige Verstocktheit in Maries Wesen um ein Stückchen weiter breit, und es bedurfte immer mehr von Heinrichs bestem Willen zur Gutmütigkeit, damit er immer wieder nach einer Versöhnung suchen konnte.

Marie hatte große Möglichkeiten bei Heinrich gehabt. Er war so heftig und immer wieder in sie verliebt gewesen, daß er einmal sogar geäußert hatte, er hätte alles dafür gegeben, sie zur Geliebten zu haben, wenn sie nicht eben seine Frau gewesen wäre. Aber ihre maßlose Eifersucht ohne Liebe, ihre Hoffart, ihr ewig verdrossenes Wesen und endlich ihre völlige Abhängigkeit von der Heinrich recht übelgesinnten Eleonora, machten dem Könige das Leben schwer. Dazu kam noch, daß sie alles aufbot, um seine Eifersucht auf ihren Vetter Don Vergilio Orsini, auf Concini und sogar auf Bellegarde wachzurufen. Aber selbst wenn diese Eifersucht begründet gewesen wäre, hätte Heinrich sich damit abgefunden, wie mit der Untreue der Gabriele und hernach Henriettens – denn, so hatte er einmal gesagt, er habe es lieber, wenn eine Frau Liebeleien habe, als daß ihr der Kopf voller Schlechtigkeiten stecke. Was aber Heinrich eigentlich und immer von Marie wegtrieb, war ihre eingeborene Unfreudigkeit, ihre Humorlosigkeit in jedem Sinne, wie wir das heute nennen würden. Hierin war auch nach den schlimmsten Erfahrungen noch Henriettens Anziehung für ihn begründet, daß er lachen durfte und lachen hörte, oft freilich auch hier nur noch zwischen Gehässigkeiten und Zornausbrüchen. Und wie oft auch er sich verleiten ließ, Marie von Regierungsdingen zu sprechen, er fand nicht nur wenig Verständnis, sondern es blieb ihm auch aus jeder solchen Stunde der Vertrautheit ein kleiner übler Nachgeschmack, in Gedanken daran, wo er wohl seinen Geheimnissen alsbald wiederbegegnen würde. So hatte er recht eigentlich seit Gabrielens Tode nicht mehr jenes Gefühl genießen können, »eine Person seines Vertrauens zu haben, um ihr seine Geheimnisse und seine Sorgen mitzuteilen und für diese eine vertrauliche und sanfte Tröstung zu empfangen«. Seine immer wieder unternommenen Versuche, die durch Verstand und politischen Sinn dazu geeignet scheinende Henriette zu seiner Vertrauten zu machen, wurden stets teuer bezahlt. Aber diese Erfahrungen an Marie und Henriette sind so sehr ein Teil dieser Geschichte und tauchen in ihr auf, sooft von den beiden Frauen noch die Rede sein wird, daß dieses Stückchen Zusammenfassung besser nicht weiter ausgedehnt wird. Wir lassen also Marie und Henriette für eine Weile in ihrer ersten »brouillerie«, diesem zwischen den beiden ja natürlichsten Zustande, und beginnen von Ereignissen zu erzählen, deren Aufdämmern schon angedeutet worden ist und die in diesem Jahre 1602 über Heinrich, den König und den Mann, kamen.


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