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Neuntes Kapitel.
Die Begegnung

Der lange Karrenschieber hatte, während er draußen auf Konrad wartete, den Lärm im Schloßhof recht gut gehört, da es indessen ein für alle mal sein Grundsatz war, nicht nur für seine Person jede Prügelei zu vermeiden, sondern namentlich auch sich in keine fremde zu mischen, so hatte er sich bedächtig davon gemacht. Als Konrad, wohl zerprügelt, ins Freie kam, suchte er seinen Freund vergebens. Die Prügel hatten seine Wuth noch vermehrt, zähneknirschend ging er um das Schloß herum – hätte er nur gleich Stein und Schwefelfaden bei sich gehabt und wären nur die alten dicken Mauern aus Holz gewesen, statt aus Stein! Er dachte, wie die Wirthin jetzt mit langem Halse und höhnischem Blick nach ihm ausschauen würde, dachte, wie der lange Karrenschieber es gewiß schon ausgeplaudert hatte, daß er keinen Heller im Sack; auch an seine Frau dachte er und an das Kind, das in drei Stunden getauft werden sollte, er wußte noch nicht wovon! Alles, was er dachte, trieb ihm das Blut immer mehr zu Kopfe; wie ein gereiztes Thier im Käfig, lief er um das Schloß herum – er mußte dem Commerzienrath einen Streich spielen, mußte sich rächen für die Mishandlungen, die er empfangen, mußte sich Geld verschaffen, Geld! Geld!!

Endlich – hier ging es – hier sah ihn Niemand, hier war die Gartenmauer niedrig – ein Sprung – er ist im Park!

Alles um ihn her war still, keine menschliche Spur weit und breit. Vom Schloß her tönte schallende Musik. Er knickte vor Wuth die jungen Büsche, die zu beiden Seiten am Wege standen – Blast! blast! murmelte er, daß euch der Athem ausgeht, ihr Hallunken! Wenn ich ein reicher Mann wäre, wollte ich auch blasen lassen; aber ich bin ein Bettler und habe nicht einmal Geld, mein Kind taufen zu lassen, mein Kind, das so gut ist, wie die Kinder der Reichen, und von demselben Fleisch! Verflucht! schrie er, warum kann dieser Spitzbube seinem schwindsüchtigen Balg ein solches Fest geben – und ich soll [meinen] armen kleinen Rothkopf taufen lassen, als wäre er hinter dem Zaun geboren?!

Da er mit der Einrichtung des Parkes nicht bekannt war und nur so auf geradehin den nächsten Gang verfolgt hatte, der sich ihm darbot, so war er, ohne es zu wissen, immer weiter vom Schloß abgekommen. Zu spät merkte er seinen Irrthum, er stand still, um nach dem Schall der Musik die Richtung zu prüfen, reckte den Kopf in die Höhe, um besser zu hören …

Wer war denn das da? auf der Felswand dort über ihm? das junge blasse Herrchen, in dem prächtigen Anzug und die blanke goldene Kette prahlerisch über die Weste gelegt? Ei alletausend, das war ja der junge Herr, der Sohn des Commerzienraths, mutterseelen allein –!

Mit zwei Sprüngen war Konrad in seiner Nähe; eine entsetzliche Gier befiel ihn, er mußte aufjauchzen wie ein wildes Thier, wie er so auf den Knaben lossprang. Heda, junges Herrchen, rief er, ein armer Mann! schenken Sie einem armen Manne eine Gabe! Ich habe auch so einen jungen Herrn zu Hause, nur noch ein bischen kleiner; er möchte auch gern solche goldene Kette tragen, junger Herr! Schenken Sie mir die Kette für meinen jungen Herrn …!

Julian zitterte an allen Gliedern; er war derartige Begegnungen so wenig gewöhnt, daß er alle Fassung verloren hatte. Ich habe hier kein Geld bei mir, stammelte er, guter Mann: aber kommt nur mit mir ins Schloß, mein Vater wird Euch geben …

Ins Schloß? hohnlachte Konrad, zu deinem Vater? damit Eure verfluchten goldbeklecksten Lakaien mich noch einmal durchprügeln? Nein, junger Herr – indem er sich dichter und dichter zu ihm heran arbeitete, und schon die Hand nach der schimmernden Kette streckte –: hier heißt's, wie unsere Wirthin sagt: gleich und auf der Stelle! Was nützt Euch das Kettchen? Aber ich kann meinen Sohn davon taufen lassen –

Ihr werdet doch nicht –?! schrie Julian entsetzt …

Ganz gewiß werd' ich, schöner junger Herr! erwiderte Konrad: ich bin gerade in der Stimmung, solchen vornehmen Herrenschädel zu untersuchen, wie er inwendig aussieht …

Und dabei bückte er sich, einen Stein vom Wege aufzuheben.

Julian versuchte zu entfliehen; er rannte, so schnell seine schwachen Kräfte erlaubten – glitt – fiel – stürzte den steilen Abhang hinab, den entsetzlichen fremden Mann immer dicht hinter sich …


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