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Sechstes Buch.
Sarg und Wiege.


Erstes Kapitel.
Das Rendezvous

Die Stimme, welche Angelica so plötzlich in der Dunkelheit angeredet, hatte Niemanden anders gehört als – Herrn von Lehfeldt.

Ich bin unglücklich, sagte er, theure Miß, daß Sie nach mir verlangt haben in einer Zeit, wo ich durch eine höchst verdrießliche Angelegenheit verhindert war, Ihren Befehlen zu folgen. Aber die erste Nachricht, welche mir der Zufall von Ihnen gebracht, hat hingereicht, mich zu Ihren Füßen zurückzuführen; verfügen Sie ganz über mich, ich werde stolz, ich werde glücklich sein, wozu Sie mich auch machen werden, ob zu Ihrem Sklaven, oder zu Ihrem Ritter.

Bei aller Anmuth, mit welcher der junge Mann diese Anrede hervorbrachte, lag doch in seinem Ton etwas Gezwungenes, etwas Lauerndes, das jedem Andern, der ein aufmerksameres Ohr gehabt hätte, als es in diesem Augenblicke mit Angelica der Fall war, nothwendig hätte auffallen müssen. Diese dagegen war durch den hastigen und unfreundlichen Abschied des Justizraths zu erschüttert, die Begegnung selbst kam ihr zu unerwartet, zu willkommen in diesem Augenblick, als daß sie auf dergleichen hätte merken sollen.

Ach in der That, rief sie, indem sie ihm herzlich die Hand darreichte, Sie sendet mir der Himmel! Ich habe mich eines Unrechts gegen Sie anzuklagen, Herr von Lehfeldt, eines Unrechts, das man allemal begeht, wo man blos das Gute, nicht auch das Böse mit seinen Freunden theilen will und zu stolz, vielleicht auch nur zu zaghaft, zu ungeschickt ist, sich ihrem Rath, ihrem Beistand anzuvertrauen. Jetzt seh' ich, daß der Himmel selbst es so haben will; er läßt mich Sie finden, in demselben Augenblicke, da ich von aller übrigen Welt verlassen bin, und da selbst Diejenigen, die ich bisher für meine treuesten, meine aufrichtigsten Freunde hielt, sich in Zorn und Verkennung von mir kehren.

Die herben, spitzigen Worte, welche Reinhold vorhin an sie gerichtet, brannten noch in der Seele des jungen Mädchens nach und machten sie entgegenkommender gegen Herrn von Lehfeldt, als sie es ohne dies gewesen sein würde.

Ich bin ganz Ohr, erwiderte Herr von Lehfeldt, indem er ihr den Arm bot: aber in das Schloß darf ich Sie nicht begleiten, meine Gnädige, wenigstens heute nicht, ich bin überhaupt nur Ihretwegen hierher zurückgekommen, ganz allein nur Ihretwegen, und es ist vielleicht nicht ohne Gefahr für mich, daß ich es gethan habe.

Angelica sah ihn fragend an.

Ich weiß, was Sie sagen wollen, fuhr der junge Mann mit Lächeln fort, und habe Ihren Vorwurf verdient. Ja freilich gehe ich noch immer mit Geheimnissen um: aber mein Wort darauf, dies soll das letzte sein. Und haben Sie denn, meine schöne Freundin, nicht auch Ihre Geheimnisse? Wohlan denn, tauschen wir Geheimniß um Geheimniß – das heißt, wenn Sie mich dessen würdig halten, gnädiges Fräulein …

Herr von Lehfeldt sagte diese letzten Worte wiederum in einem so zurückhaltenden, so ehrerbietigen Tone, daß jede Besorgniß über das Eigenthümliche, vielleicht sogar Unziemliche dieses Zusammentreffens verschwinden mußte, vorausgesetzt, daß Angelica in ihrer jetzigen Stimmung überhaupt noch Rücksichten dieser Art genommen hätte. Auch sah sie selbst ein, daß ein vertrauliches Gespräch mit Herrn von Lehfeldt in den Sälen des Schlosses unmöglich war, wenigstens jetzt und zu dieser Stunde; sie hielt es noch immer für besser, ihm ein Gespräch auf freier Straße zu verstatten, als ihn etwa insgeheim in ihr Zimmer zu laden. Ueberdies schien der Mond hell und die Stunde war noch keineswegs so spät, daß die Straße schon völlig vereinsamt gewesen wäre. Sie ließ ihm also gutwillig den Arm, den er ergriffen hatte, und schritt, wenn auch nicht ohne innere Befangenheit, an seiner Seite dahin, abwärts vom Schloß, in das Dorf hinein.

Auch Herr von Lehfeldt schien von einer plötzlichen Befangenheit befallen, oder sagen wir besser, Schüchternheit; er führte Angelica so vorsichtig und zeigte in seinem ganzen Wesen ein solches Gemisch von Aufregung und Ergebenheit, Bestürzung und Freude, als könnte er sich in das Glück, das ihm zu Theil ward, noch gar nicht recht finden.

Indem sie an eine Seitengasse gelangt waren, die am Gehöft des Meisters entlang ins Innere des Dorfes führte, begegnete ihnen eine finstere, wüste Gestalt, den Kopf lauschend vornüber gebeugt. Kaum konnte Angelica einen hellen Aufschrei unterdrücken – es war wiederum der Tolle! Angelica's Knie bebten und ängstlicher schmiegte sie sich an ihren Begleiter an, der den Tollen gar nicht zu bemerken schien und sie fragend anblickte, woher diese plötzliche Besorgniß. Auch war dieselbe wirklich ohne Grund gewesen; der Tolle schritt an ihnen vorüber, ohne sie nur eines Blickes zu würdigen.

Waren die beiden jungen Leute gegenseitig mit ihren eigenen Gedanken so sehr beschäftigt, oder wollte Herr von Lehfeldt es Angelica absichtlich überlassen, das erste Wort zu ergreifen, genug, auf die erste lebhafte Begrüßung war ein desto tieferes Stillschweigen gefolgt; nur einzelne abgebrochene Aeußerungen über ziemlich gleichgiltige Gegenstände verkürzten die lange, einsame Wanderung.

In der That war Angelica unschlüssig geworden, ob sie nicht dennoch Unrecht thäte, Herrn von Lehfeldt allein, ohne Reinhold, in ihr Vertrauen zu ziehen, und ob es nicht geeigneter wäre, sie suchten das Haus des Meisters auf, um die Angelegenheit daselbst sogleich gründlich zu besprechen und alle die Misverständnisse zu lösen, die sich zwischen Reinhold und ihr zu entspinnen drohten. Ohne die Begegnung des Tollen würde sie ihren Begleiter auch ganz gewiß ersucht haben, beim Meister einzutreten; aber diese Nachbarschaft war ihr zu unheimlich, und willig daher ließ sie sich weiter führen, sie wußte selbst nicht wohin.

Plötzlich blieb Herr von Lehfeldt stehen. Der Wind geht schärfer als ich dachte, sagte er, und ich kann es nicht verantworten, theure Miß, Sie dieser unfreundlichen Witterung noch länger auszusetzen; auch scheint dieser Spaziergang zu so später Stunde Ihnen doch nicht ganz nach Wunsch zu sein. Hier, wir sind am Hause Ihres Freundes Leonhard; wenn Sie erlauben, so poche ich ihn heraus, und bitte um Einlaß für uns …

Und siehe da, bevor das Engelchen noch hatte Ja oder Nein antworten können, ging die Thür auf, und Anna, des Schulmeisters Schwester, leuchtete ihnen entgegen. Sie hatte sich sorgfältiger gekleidet als gewöhnlich; auch schien sie über die plötzliche Erscheinung ihrer Freundin nicht im mindesten verwundert. Das Zimmer war leer und von behaglicher Wärme durchflossen; zwei Stühle waren an das Kamin gerückt.

Es war aus allen diesen Einrichtungen ganz offenbar, daß sie keineswegs durch bloßen Zufall oder einen bloßen plötzlichen Einfall des Herrn von Lehfeldt hierher kamen: sondern dieser Besuch war ohne Zweifel vorbereitet und sogar von Anna selbst erwartet worden. Auch hatte Anna etwas so seltsam Befangenes, Feierliches in ihrem Wesen; sie vermied es Angelica ins Gesicht zu sehen, und ihre Stimme war leis und ängstlich.

Unschlüssig blieb Angelica auf der Schwelle des Zimmers stehen: Und dein Bruder Leonhard? fragte sie hastig; wo ist Leonhard?

Ich gehe schon, ihn zu holen, sagte Anna, indem sie die Lampe auf den Tisch setzte und die Thür hinter sich zuwarf. Erschöpft sank Angelica auf den Stuhl. Herr von Lehfeldt blieb in bescheidener Entfernung vor ihr stehen; sein halb fragender, halb vorwurfsvoller Blick erinnerte sie an den Zweck, warum sie ihm eigentlich diese Zusammenkunft gewährt –

Ich bin ein sehr thörichtes Mädchen, sagte sie, indem sie sich zu lächeln zwang: und es scheint in der That mein Schicksal zu sein, alle meine Freunde durch meinen Unverstand von mir zu scheuchen. Auch Sie, Herr von Lehfeldt, was müssen Sie von mir denken? da ich Sie erst selbst um diese Unterredung gebeten habe – und nun, da es Zeit zum Sprechen wäre, verschließt mir, ich kann es nicht leugnen, eine kindische Furcht den Mund …

Herr von Lehfeldt hatte sich ihr zwei Schritte genähert. O, rief er, mit einer Leidenschaft, die um so deutlicher in seiner Stimme nachzitterte, je mehr er selbst sie zu verbergen suchte: O, theures Fräulein, wenn Sie wüßten, wie schön diese Furcht sie kleidet! Zürnen Sie mir nicht, wenn ich in diesem Augenblicke, wo so ernste, so schmerzliche Interessen Ihre Brust bewegen, mich dem Eindruck Ihrer Schönheit nicht entziehen kann; – wer kann auch das Auge in die Sonne gerichtet halten und würde nicht blind für alles Uebrige?

Er hatte sich vorn übergebeugt, ihre Hand an die Lippen zu drücken. Aber mit so viel Ehrerbietung und so viel ritterlichem Anstand es auch geschah, so zog Angelica ihre Hand doch mit Heftigkeit, wie verletzt, zurück.

Erlauben Sie, sagte sie, daß ich meine Erzählung verschiebe, bis Leonhard kommt. Er ist ein verständiger Mann, mein alter Freund und Lehrer; auch seine Meinung wird mir von Nutzen sein in der verwickelten und traurigen Angelegenheit, welche ich Ihnen anzuvertrauen habe.

Sie haben mir nichts mehr anzuvertrauen, rief Herr von Lehfeldt, ich weiß bereits Alles, Alles, theure Freundin –!

Sie wissen? rief Angelica, indem sie überrascht in die Höhe fuhr.

Sie haben mich ja so oft einen Hexenmeister gescholten, theure Miß, entgegnete der junge Mann, indem er sie mit bittender Geberde auf ihren Sessel zurück nöthigte: was für ein Mensch wäre ich denn, sechs Monate in Ihrer bezaubernden Nähe gelebt zu haben, und mein Herz hätte mich nicht längst gelehrt, was ja selbst für die Neugier des Publicums nur noch ein offenes Geheimniß ist?

Ein offenes Geheimniß? stammelte Angelica …

Gewiß, wiederholte der junge Mann: es ist nur noch ein offenes Geheimniß, daß ein Testament Ihrer verstorbenen Mutter existirt, durch welches Sie genöthigt werden, sich bis zum Ablauf Ihres zwanzigsten Jahres, das heißt also binnen wenigen Tagen, einen Gemahl unter Zustimmung Ihres Herrn Stiefvaters zu wählen …

Angelica erröthete. Nun wahrlich, sagte sie, nicht ohne Empfindlichkeit: Sie scheinen sehr genau unterrichtet von meinen Verhältnissen, Herr von Lehfeldt.

Ganz genau, versetzte er, ohne sich durch diese Empfindlichkeit irre machen zu lassen: genauer vielleicht, meine schöne Freundin, als Sie selbst. Ich weiß auch, daß im Hause des sogenannten Meisters eine Schrift existirt von der Hand Ihrer Frau Mutter, durch welche allem Vermuthen nach das ganze, für Sie so verhängnißvolle Testament entkräftet wird; ich weiß auch, daß Ihr Herr Stiefvater sich um jeden Preis in den Besitz dieses Documentes setzen will – weiß, daß auch der Prediger, dieser gleißnerische Betrüger, mit ihm im Complote ist – weiß, daß das Document vielleicht diese Nacht noch in ihre Hände fällt …

Angelica schrie laut auf: Um des Himmels willen, welche Spione haben Sie?!

Nur einen einzigen, erwiderte Herr von Lehfeldt mit trübem Lächeln – mein Herz. Aber allerdings bin ich von diesem besser bedient als Ihr gelehrter Freund, der Justizrath, von all seiner verrotteten Weisheit. Der Justizrath hat Ihnen seine Dienste aufgekündigt, er will nichts mehr mit Ihrer Angelegenheit zu thun haben; auch dies, gnädiges Fräulein, hat mein treuer, wachsamer Spion mir berichtet …

Die junge Dame rückte den Stuhl an die Wand zurück, so unheimlich ward es ihr. Und doch wieder, wenn sie Herrn von Lehfeldt anblickte und sah diese zurückhaltende, demüthige Zärtlichkeit, die aus seinem Antlitz leuchtete, und sah, wie der schöne, stolze Mann vor ihr stand, so ergeben, so ehrerbietig, so hängend an einem Blick ihres Auges, so fühlte sie, wie ihr Vertrauen zu ihm zurückkehrte.

Herr von Lehfeldt fuhr fort:

Ich habe Ihnen gesagt, gnädiges Fräulein, Geheimniß um Geheimniß. Sie überzeugen sich, daß ich die Ihren weiß, wenigstens so viel davon, wie meine Freundschaft mich zu wissen verpflichtet und meine Ehrfurcht mir gestattet; darf ich Ihnen auch die meinen anvertrauen? Fürchten Sie nicht, setzte er hinzu, indem er bemerkte, wie Angelica unruhig nach der Thür schaute: für das Geheimniß, das hier ruht (die Hand aufs Herz pressend), ist die Stunde noch nicht gekommen; das darf sich erst ans Licht wagen, wenn ich etwas gethan habe, dieses Glück zu verdienen, erst wenn Ihr Lächeln mich ermuthigen, Ihr Mund mir zum Voraus Verzeihung gewähren wird! – Sie sind nicht glücklich, Angelica, und ich bin es auch nicht; Ihnen fehlt nur der äußere Friede, mir mit dem äußern zugleich der innere. O wenn Sie ahnten, Angelica …

Der junge Mann sagte dies Alles mit einem solchen Ausdruck von Wahrhaftigkeit und tiefster, innerster Erregung, das sonst so kalte Auge schwamm in so weichem, feuchtem Glanz, um den herben Mund spielte so aufrichtige, innige Wehmuth – nein, wie es auch war, sie hatte ihm Unrecht gethan, er konnte nichts Böses gegen sie im Schilde führen!

Herr von Lehfeldt, als läge das Herz des jungen Mädchens unter einer Glasscheibe vor ihm, las deutlich jede Empfindung, die sie bewegte, und jeden Gedanken, der ihr durch die Seele flog.

Ich bin sehr unglücklich, wiederholte er: unglücklich, Angelica, weil ich schlecht bin – oder doch nicht so gut, nicht so rein, wie ich sein müßte, um dich zu verdienen, reines, himmlisches Wesen, rief er, von plötzlicher unwiderstehlicher Leidenschaft bewältigt, indem er vor ihr in die Knie sank und die Hände, wie anbetend, zu ihr emporstreckte: Sei du meine Beichtigerin, holde, fromme Heilige! Warum halt' ich es noch zurück? Ja, ja – ich liebe dich! habe dich geliebt mit verzehrender tödtlicher Leidenschaft, von dem ersten Augenblick an, da ich dich erblickte! Was denkst du, flüsterte er, auf beiden Knien zu ihr heranrutschend und die Hände immer heftiger, immer schmerzlicher zusammenpressend – was denkst du, daß es gewesen ist, was mich hierher geführt hat und mich so lange in dieser Oede gehalten? Nicht Oede für mich – Paradies, Himmel, Seligkeit, weil ich die Luft trinken durfte, die du trankst, meinen Fuß setzen durfte, wo du wandeltest! Angelica, bei allen Mächten des Himmels und der Hölle, ich will jetzt ganz wahr sein, ganz wahr – zum ersten Mal in meinem Leben! Ich bin nicht vom Hofe verbannt, ich bin nicht hierher verwiesen – es ist eine ungeheuere, verbrecherische Intrigue – eine Intrigue, die von dem Minister in der Hauptstadt ausgeht, meinem unwürdigen Pflegevater, und deren Fäden in diesem Augenblick noch in meiner Hand ruhen! Sie bedroht euch Alle, Alle, rief er in drohendem Ton, indem er mit trotziger Geberde vom Boden sprang: Sie auch, Angelica! Ihren Vater, Ihren Bruder, Ihre Freunde, Alle, Alle!! Zwei mal vierundzwanzig Stunden noch und diese friedliche Gegend ist verwandelt in ein Schlachtgefild, und die armen, elenden Menschen, für deren Unglück Ihr Herz so weich schlägt, Angelica, netzen mit ihrem Blute die harte, unfruchtbare Erde! Ein Wort von Ihnen, Angelica, schrie er und stürzte sich aufs Neue leidenschaftlich zu den Füßen des erstarrten jungen Mädchens: ein Wort von Ihnen, und der Pfeil, der schon von der Sehne schwirrt, kehrt in den Köcher zurück – sagen Sie, daß Sie mich lieben, mich lieben wollen, mich lieben werden – o Angelica, schluchzte er unter laut vorbrechenden Thränen, in dem anspruchslosen bittenden Tone eines Kindes: ich will ja gut werden, Angelica! ich werfe alle diese Netze und Intriguen hinter mich und will nichts, nichts mehr, Angelica, als dich! dich ganz allein! nur dich! nur dich, Angelica!!

War Herr von Lehfeldt wahr in diesem Augenblicke? War es vielleicht ein Moment wie jener, da er in der Mondscheinnacht die einsame Gebirgsgegend, den Schauplatz seiner Kinderjahre, durchstrich? Oder waren es auch jetzt nur leere Luftblasen, und sein Herz empfand auch jetzt nichts von dem, wovon sein Mund überströmte? – Wir wagen nicht, dem Urtheil des Lesers vorzugreifen.

Er hatte sich leise wieder erhoben, schlang den Arm um das fast bewußtlose Mädchen, und zärtlich zu ihr niedergebeugt, indem seine Lippen fast schon die ihren berührten: Willst du das Wort sagen, Angelica? flüsterte er, willst du es sagen? oder soll ich dich mit starkem Arm davontragen auch wider deinen Willen, bis du es sagen lernst, meine geliebte, meine köstliche Beute?

Angelica's Sinne waren längst geschwunden; nur noch in ganz schwachem Umriß sah sie, wie das Angesicht des jungen leidenschaftlichen Mannes sich immer näher, immer dichter an das ihre drängte, fühlte nur noch die heiße, verzehrende Flamme seines Athems – wollte aufspringen, schreien – vermochte es nicht mehr …

Aufgemacht! aufgemacht!! donnerte es in demselben Augenblick an die Thür, mit einem gewaltigen Ruck flog der Riegel zurück – der tolle Heiner, mit triumphirendem Gelächter ein Heft Papiere in die Höhe haltend, hinter ihm Reinhold, standen vor dem überraschten Paare.


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