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XXVI.

»Geben Sie mir Vollmacht, General, einmal mit diesen verruchten Milizlümmeln aufzuräumen, wie sie es verdienen?«

Diese Worte kamen aus den zornig geschürzten Lippen Davenports an den Höchstkommandierenden, General Funston gerichtet, zischend hervor.

Der General antwortete nicht gleich.

»Treiben Sie es denn wirklich so arg, fragte er endlich.

Der Hauptmann stampfte wütend den Boden.

»Es spottet jeder Beschreibung!« antwortete er dann; bei jeder Gelegenheit knallen die Nichtswürdigen, des Schießens gänzlich Unkundigen, blindlings in die Menge hinein, morden unschuldige Weiber und Kinder, – es ist haarsträubend!«

»Wenn die Sache so steht,« erwiderte der Kommandeur, »so haben Sie Ihre Vollmacht! Aber, Davenport, lassen Sie sich dabei nicht von Ihrer mir wohlbekannten Abneigung, Ihrem Haß verleiten! Seien Sie immer gerecht! Und noch eins: übersehen Sie mir nicht, die strengste Justiz an den allerschlimmsten Schandbuben zu üben! Sie wissen schon: den Leichenräubern, die sich ja meist aus Chinesen, Italienern und Negern zusammensetzen sollen, – hören Sie!«

»Ganz ohne Sorge, General!« versetzte der Hauptmann.

»So gehen Sie und walten Sie Ihres Amtes!«

Und der Offizier entfernte sich, den hellsten Triumph in seinen schwarzen Augen, während der Kommandeur anderen Untergebenen Befehle erteilte, die sich meist darauf bezogen, die noch nicht vom Feuer ergriffenen, jedoch gefährdeten Gebäude mit Dynamit in die Luft zu sprengen.

Davenport aber war schon etwa nach zehn Minuten bei seiner unten am Hügel auf ihn harrenden Kompagnie angelangt. Er zog den Degen, ließ die Männer stillstehen und kommandierte mit dröhnender Stimme: Geladen!«

Dann ließ er wieder schultern und nun gings – er an der Spitze seiner Leute – im Eilschritt in die brennende Stadt hinein.

O, wie sie brannte! Ein ungeheures, rotes, loderndes Feuermeer machte vorderhand die ganze Gegend völlig unkenntlich, umhüllte alle noch stehenden Gebäude mit seinem glühenden Mantel und trieb aller Orten die zum Tode geängstigten Bewohner aus den Häusern heraus, die oft dicht hinter ihnen krachend einstürzten. Ein Sausen und Brausen erfüllte die Luft wie die Brandung einer schweren See, und dazwischen donnerten alle Augenblicke die Dynamitexplosionen, unter denen die schönsten Geschäftshäuser, Banken und Regierungsbauten in Schutt zusammenfielen! O, wie sie vor dieser roten, grimmigen Lohe flohen, die gestern noch so fröhlichen, so üppigen Menschen! Krösusse, Sybariten, stolze Cäsaren noch gestern, – heute Bettler, Schiffbrüchige, die jammernd ihr Leben, das ihnen früher unter solchen Umständen ganz wertlos erschienen wäre, zu retten trachteten. Einem riesigen Schwarm gescheuchter Staare ähnlich, flogen sie die Hügel hinauf und hinab, in ihrer Erscheinung lächerlich und kindisch, trotz der unendlichen Not! Und hinter ihnen, jetzt in voller Uniform, trabte eine Kette jener jungen Klubleute, der Milizsoldaten, mit aufgepflanztem Bajonett, das sie fortwährend teils drohend den Flüchtigen zeigte, teils diese wirklich damit verletzten.

Und das Zischen, Prasseln, Brausen, Glühen wuchs, wuchs immer mehr, hatte nun schon die ganze innere Stadt ergriffen, drohte sich über den Ozean auszubreiten und sämtliche Schiffe vernichten zu wollen, und immer gewaltiger donnerten die schweren Geschütze und die Dynamitbomben, und immer geängstigter, immer hoffnungsloser flohen die armen Menschen vor dem furchtbaren Feinde, dabei noch unaufhörlich gepeinigt von den nichtsnutzigen Milizsoldaten, die sich selber ganz eigenmächtig auf diesen Posten berufen hatten, und in denen die menschliche Bestie zur vollsten Wildheit erwacht zu sein schien. Machte einmal jemand aus dieser gehetzten Menge einen Einwand gegen solch eine rohe Willkür, so erhielt er sofort einen Bajonettstoß, einen Kolbenschlag oder gar einen Schuß. Aber die weinende, schreiende Masse hatte keine Zeit, sich um solch einen Hingeschlachteten zu kümmern; über ihn weg ging die wilde Jagd, und von dem reichen Bankdirektor oder Senator blieb nach wenigen Sekunden nichts übrig als eine unförmige Masse, die niemand erkannt hätte. Aber auch sonst herrschte hier die bei solchen grausigen Geschehnissen stets obwaltende Rücksichtslosigkeit und Rohheit: der Mensch sucht eben dann ohne weiteres sein eigenes Leben auf Kosten eines andern zu erhalten, und wer dann eben mehr Kraft und Macht in sich fühlt oder sie auch wirklich hat –, dies ist in solchen Fällen ganz gleich – wird diese Macht auch gebrauchen. Und so war es auch hier, an diesem Schreckenstage: Kinder, Weiber und Greise mußten für ihr zartes und hohes Alter und für ihr Geschlecht büßen: blutend mit verrenkten und zerschlagenen Gliedern sanken sie hin, in die heiße Asche! Und hinter den letzten Reihen der Fliehenden, – was kam da herangeschlichen, dunkel, unheimlich, mit flackernden Augen im bleichen, gelben und braunen Gesicht, ein gewöhnliches Brotmesser in der blutigen Faust, das einen Finger der armen Dahingestreckten, einen Finger, an dem ein Ring funkelte, mit einem ruchlosen Hieb von der noch schmerzlich aufzuckenden Hand trennte!

Der Hauptmann Davenport langte in dem Augenblick mit seinen Soldaten hinter einem der Hügel an, wo etwa ein Dutzend dieser entmenschten Strolche sich über die Gestalten beugte.

»Halt!« kommandierte er, die blitzenden, schwarzen Augen grimmig auf die Kerle gerichtet.

Einige von diesen versuchten zu entfliehen, jedoch ganz vergeblich, während die anderen trotzig Stand hielten, als ob der Offizier nur spaßte.

»Fertig!« kommandierte dieser von neuem, »legt an! – Feuer!«

Sämtliche Schandbuben wälzten sich in ihrem Blute.

Als ob nicht das geringste geschehen wäre, befahl Davenport wieder: »Vorwärts! – Im Eilmarsch!«

Und weiter gings, hart an dem sausenden, roten Feuermeer vorbei, der Riesenmasse von Flüchtlingen nach.

Als sollte der Offizier die schönste Rechtfertigung haben, sein Rächeramt auszuüben, kam er gerade hinzu, als mehrere der frechen Milizbengel Frauen und Kinder in der abscheulichsten Weise mißhandelten.

»Zurück!« rief ihnen Davenport mit Donnerstimme zu, »laßt augenblicklich die Leute in Ruhe!«

Aber gerade wie an jenem Abend im Klubhause rief ihm einer der Unverschämten herausfordernd entgegen:

»Oho! Ihr habt uns gar nichts zu sagen, – versteht Ihr! Wir haben unser eigenes Kommando und scheren uns den Teufel um Euch, Söldner!«

Davenports Gesicht wurde dunkelrot, und seine Augen brannten wie Flammen. Er hatte in dem Schreier seinen Beleidiger wieder erkannt, und sein Zorn kannte keine Grenzen. Doch legte er sich äußerlich noch Mäßigung auf, und er rief den Burschen nur gebieterisch zu: »Legt auf der Stelle die Gewehre vor euch nieder! Ihr seid meine Gefangenen!«

Ein gellendes Hohngelächter antwortete ihm, und statt aller Antwort suchten die Frechen nach neuen Patronen; aber, – ach, es fand sich keine einzige mehr vor: in ihrem blinden Eifer hatten sie die Jungen entweder schon alle verknallt oder bei ihrer Ungeschultheit und Flüchtigkeit überhaupt nicht genügend mitgenommen. Nun sahen sie sich einen Augenblick verlegen an, aber auch nur einen Augenblick, dann gewann ihr trotziges Blut die Oberhand; plötzlich schrie einer laut: »Zur Attacke fällt das Gewehr!«

Und wirklich wollten sie sich im nächsten Augenblicke mit vorgehaltenem Bajonett auf Davenport und seine Leute stürzen. Doch der Hauptmann hatte dies wohl kommen sehen, oder seine Soldaten, die nichts so sehnlichst herbeiwünschten als diesen Zierbengeln, diesen »Puppensoldaten« einmal einen gehörigen Denkzettel zu geben, hatten vielleicht auch selbstständig gehandelt: Jedenfalls waren sie auf ihres Kommandeurs: »Fertig!« vollkommen gerüstet.

»Legt an! – Feuer! donnerte der Offizier.

Die volle Salve krachte, und von all den Übermütigen standen nur noch drei aufrecht, aber auch diese schwankten schon, zu Tode getroffen, her und hin und stürzten endlich schwer neben ihren toten Gefährten nieder.

Und das Feuermeer, – die unermeßlichen, züngelnden, roten Flammen beleuchteten mit blutigem Schein dieses blutige Schauspiel! –


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