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IV.

Oben empfing ihn Klärchen mit schmollender Ungeduld.

»Bist mir auch ein netter Ehemann!« rief sie ihm entgegen, »sagst mir, ich solle nur ein kleines Weilchen auf Dich im Damensalon warten und bleibst über eine Stunde weg; wo warst Du denn?«

Sobald ihr aber Eduard von seiner Besichtigung erzählt hatte, wurde sie gleich wieder gut. Nur verzog sich jetzt ihr hübsches, gesundes Gesichtchen zu einem listigen Lächeln, als sie ihm ins Ohr flüsterte: »Du, Eddy, Dein neuer Freund, Du weißt schon: der kalifornische Herr, ich glaub', das ist ein Schöner!«

»Nana, Doppelgrübchen, was hat er denn gemacht, was hat denn mein Goldkrümelchen mit ihren Schelmenaugen gesehen?« fragte Eduard ganz hingerissen vor Glück und Zärtlichkeit beim Anblick seines Weibes, das ihm nach seinem düsteren Besuch doppelt schön und liebenswert erschien.

»Na, zuerst hat er ganz dahinter mit einer Dicken ganz gehörig herumpussiert, dann hat er hier oben sämtliche, halbweg ansehnliche Frauenzimmer umflattert, und nicht genug damit: ist er auf das Deck der zweiten Kajüte und schließlich sogar ins Zwischendeck hinuntergestiegen!«

»Und überall Süßholz geraspelt?«

»Ja, überall!«

Eduard lachte.

»Nun dabei ist doch eigentlich weiter nichts«, sagte er nun, »solange er 's nur so treibt, daß alle Welt es sehen kann, schadet es doch nichts!«

»Natürlich nicht, Ihr Männer steht einander schon stets bei! Aber das sag' ich dir, Eddy, gern gehe ich zu dem Mann nicht ins Haus, ich meine: um bei ihn zu wohnen!«

Eduards Gesicht wurde ernst.

»Wir wollen's auch nicht«, sagte er leise, »vielleicht war es auch nur eine Einladung à la mexicaine, ohne jedes Gewicht, und bis wir ankommen, hat er vielleicht alles vergessen. Freilich, wenn er's noch einmal vorbringt ...«

»Nun wenn?« fragte Klärchen gespannt.

»Ja, da werden wir's ihm kaum abschlagen können; Du weißt: er steht mit meinen Chefs in naher Verbindung. Auch fürchte ich wirklich nichts; ganz abgesehen von Deiner eigenen Treue und Festigkeit, halte ich den Mann denn doch für zuviel Kavalier und Gentleman, als daß er Dir je zunahe treten könnte; – er wird doch eine Dame, die bei ihm Gastfreundschaft genießt, nicht kränken wollen, – nein nein, schlag Dir das nur aus dem Sinn! Und dann bleiben wir ja auch nur höchstens drei Tage.«

»Na ja«, erwiderte sie, »Du mußt ja am besten wissen, wie Du Dich zu verhalten hast. Ich habe übrigens in Tokio viel von der starken Liebefähigkeit, von dem sehr weiten Herzen der kalifornischen Herren gehört, zumal der von San Francisko!«

»So?« fragte Eduard scheinbar argwöhnisch und eifersüchtig, in Wahrheit sehr belustigt, »so? Und wie bist Du denn als sitt-, ehr- und tugendsame Gouvernante zu solch schauderhaften Gerüchten gekommen, he?«

Sie blinzelte ihn pfiffig von der Seite an.

»Du weißt doch«, erwiderte sie, »daß die Leute, bei denen ich in Stellung war ein sehr großes Haus gemacht haben, daß sie ganz ungewöhnlich gastfrei waren ...«

»Na ja,« unterbrach er sie, bekannt, bekannt! Wie eben alle Christen gegen Christen in einem Heidenlande, oder alle Weißen gegen Weiße unter lauter gelben und braunen Hampelmännern!«

»Was hat Deine soi-disant weltweise und geistreiche Bemerkung mit den kalifornischen Männern und Deiner Frage von vorhin zu tun?« fragte sie nun schnippisch, »wenn Du etwas von mir erfahren willst, so laß mich gefälligst ausreden! Oder hast Du Deine Neugierde schon wieder durch ein anderes Interesse beschwichtigt? Zuzutrauen wär' Dirs schon bei Deiner Flatterhaftigkeit, Deinen stets springenden Gedanken!«

»Nana. Klärchen«, rief er, »werde nicht ungemütlich, das hat keinen Zweck!«

»Dann reize mich auch nicht!« entgegnete sie nun wirklich zürnend.

Eben wollte Eduard nun auch etwas Heftiges zurückschleudern, als sein Freund Degenrot, der zweite Offizier mit heiterem Gruß zu dem Paare trat; als er aber dessen gerötete und verstimmte Gesichter sah, lachte er aus vollem Halse: »Nimm mirs nicht übel, Eduard'« sagte er endlich, »und Sie auch nicht, Frau Treubach, aber ich sehe, es hat Sie beide gepackt!«

»Was hat uns gepackt?« fragte der junge Ingenieur gerade nicht zu freundlich »wenn Du die Seekrankheit meinst, so bist Du gründlich auf dem Holzwege!«

»Die meine ich auch nicht«, erwiderte der Seemann, »wenigstens nicht die gewöhnliche, die allgemeine. Es gibt aber noch eine Krankheit, die ebenfalls innig mit der See verbunden ist, und die fast alle Reisenden durchmachen müssen, das ist eine neue, fremde Stimmung die sich ihrer bemächtigt, eine ungemeine Gereiztheit, fast möchte ich sagen: Gehässigkeit. Die Gelehrten haben noch keinen Namen dafür, sie sollte heißen: » ira maritima« oder » ira aquatica«!

Nun lachte Eduard.

»Wahrhaftig, ich glaube, »Du hast recht!« rief er aus, »es ist wirklich seit ein paar Tagen ein eigentümliches, – wie Du sehr richtig sagst – »neues Gefühl über mich gekommen; nicht wahr, Klärchen, über Dich auch?«

Aber noch antwortete das schmollende Frauchen nicht; ihr kirschroter Mund war noch immer empfindlich geschürzt, und sie blickte von den Männern hinweg auf das goldig-blaue Wasser, aus dem sich jetzt von Zeit zu Zeit große Schwärme von fliegenden Fischen erhoben, die von drollig springenden Delphinen verfolgt wurden.

»Es mag die scharfe, salzgeschwängerte Luft sein«, fuhr der Offizier fort, »die die Nerven zuerst stark angreift und die Menschen auf der See förmlich feindselig macht. Wenigstens habe ich es hundertfach, ja tausendfach beobachtet, daß sich in den ersten Tagen einer Ozeanfahrt Reisende einander fast auffressen wollten, die später die allerbesten Freunde wurden!«

»Seltsam!« rief Eduard aus, während er verstohlen einen flehenden Blick auf Klärchen richtete, »sehr seltsam! Kannst Du Dich noch besinnen, ob es Dir selber ebenso gegangen ist?«

»Gewiß, ganz ebenso! Und es geht uns allen – »wenn auch in bedeutend abgeschwächtem Maße – zu Anfang jeder neuen Seereise wieder so.«

»Aha!« sagte jetzt Eduard, als wäre eine Erleuchtung über ihn gekommen, »jetzt verstehe ich, ja nun verstehe die Brummigkeit des Kapitäns, sein Zornesschnauben ...«

»Still doch!« unterbrach ihn Degenrot mit gut gespielter Furcht, »er könnte Dich ja hören, wir sind ja hier ganz nahe bei seiner Kajüte! Aber nur, fuhr er dann ernster fort »blasen Sie auch einmal beide Ihre ira aquatica in diese schöne, reine Luft; ich tauge wohl schlecht zum Friedensengel, aber ich bin selber so unendlich glücklich, daß mir das Herz wehe tut, wenn ich zwei so liebe Menschenkinder im Zorne sehe, – also?!«

»Na, Klärchen, wie wärs?« fragte Eduard und breitete seine Arme aus.

»Du Schelm!« antwortete sie nur und ließ sich an seine Brust gleiten.

Das war ganz allerliebst, und der Offizier konnte sich nicht enthalten, laut »Bravo!« zu rufen.

»Nun möchte ich Ihnen den Vorschlag machen,« hub er nach einem Weilchen an, »einmal mit mir nach der zweiten Kajüte hinabzusteigen. Ich habe da ein ganz wunderbares Original entdeckt, einen Naturforscher, der aber nichts zu sammeln scheint als Vipern und die allergiftigsten Insekten!«

»Puh! Wie garstig!« machte Klärchen.

»Ja,« fuhr Degenrot fort, »er kommt ebenfalls von Japan zurück, wo er ein ganzes Arsenal von Taranteln, Skorpionen, Tausendfüßlern, Falltürspinnen und was dergleichen liebliche Tierchen noch mehr sind zusammengesucht hat! Kommen Sie nur!«

»Um Gotteswillen, Herr Degenrot, wie können Sie uns so etwas zumuten?« rief Klärchen förmlich entsetzt aus, »das hieße sich ja in eine furchtbare Gefahr begeben! Eduard, Du gehst mir nicht!«

Der Seemann lachte dröhnend.

»Das ist ja natürlich alles in Spiritus und mausetot!« rief er endlich aus.

»Dennoch will ich nichts davon sehen,« sagte sie, »da geh Du nur allein, Eddy, bleib aber nicht wieder so lange, es ist bald Mittagszeit!«

»Unbesorgt!« rief statt Eduards der Offizier zurück, »ich werde dafür sorgen, daß Ihr Gatte pünktlich in einer halben Stunde wieder bei Ihnen ist!«

Die beiden Männer gingen.

Das erste, was sie auf dem Deck der zweiten Kajüte erblickten, war Mr. Williams, der mit glücklich strahlenden Augen und lächelndem, genießendem Munde mit einem Dutzend junger Mädchen »Ringwerfen« spielte. –


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