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XXIII.

»Sie werden morgen die schönsten und vornehmsten Blüten unsrer Frauen und Mädchen zu einem herrlichen Kranze vereinigt vor sich sehen!« so hatte der Chefredakteur unserm jungen Freunde auf seiner Fahrt nach Palo Alto zugerufen. Ach, wie matt und unzulänglich erschien ihm jetzt diese Worte der wundervollen Wirklichkeit gegenüber! Was waren denn alle Blumen, die prächtigsten Rosen, Lilien, Veilchen im Vergleich mit diesen sinnverwirrenden Gestalten, heute verhüllt von den kostbarsten, duftigsten Gewändern und unnahbar, abweisend erscheinend unter dem überreichen Schmuck des Edelgesteins?! Wie dort die Rubinenagraffe die blauschwarze Haarkrone jener Brünette zierte, und hier die Saphirtiara die süßen, blonden Locken eines noch ganz jungen, holden Kindes! In dieser Loge beugten sich die schimmernden Nacken einer noch sehr stattlichen Mutter mit ihren vier Töchtern über die Brüstung, Nacken, die alle von einer sechsfachen Perlenreihe umschlungen waren. Und hier in einer andern Loge, erschien sie nicht wie ein Lichtstrahl, diese königliche Frau, in ihrem Silberbrokatkleide, das von Brillanten, Smaragden und Opalen ganz überrieselt war? und überall – überall, in allen Rängen, im Parkett und selbst bis zur Galerie hinauf dieses wunderbar wogende Spiel von weißen, blumengeschmückten Busen, und darüber die sonnigen, freudenverklärten Gesichter! Und von dieser bunten, berauschenden Glut und Pracht hoben sich ernst, fast streng die Männerfiguren ab, in ihren schwarzen Fracks und den makellosen, weißen Hemden, ebenfalls sämtliche mit Edelsteinen oder Perlen geschmückt!

Ach, Eduard, der sich mit seinem Klärchen noch vor wenigen Stunden sehr elegant vorgekommen war, däuchte sich jetzt bescheiden, ja armselig, und verstohlen blickte er hinüber zu den drei Geschwistern, um zu sehen, ob er und seine Gattin nicht gar zu unvorteilhaft von diesen abstächen! Aber Mr. Williams unterschied sich in seiner Kleidung eigentlich gar nicht von ihm, nur – und das gestand sich Eduard gern und ohne allen Neid zu – war eben seine Gestalt um so viel höher, kraftvoller und deshalb imponierender, daß er auch ohne jeden weiteren Schmuck zu den schönsten Männern zählte. Die beiden Schwestern hatten sich, gewiß aus zarter, edler Rücksicht auf ihre schlichte Freundin, so einfach, wie ihnen dies bei ihrer Erziehung und Gewohnheit überhaupt möglich war, gekleidet: Franziska in ein pfirsichfarbenes Atlaskleid mit Brabanter Spitzen, und Cäcilie in eine moosgrüne mit natürlichen Rosen reichgeschmückte Robe.

Der Hauptmann Davenport war noch nicht erschienen; er hatte seine Ankunft erst für den zweiten Akt zugesagt, ebenso wie Mr. Truth, den vorläufig noch Redaktionsgeschäfte fern hielten. Auch Señor Don Salvador Ruiz y Gutierrez ließ sich noch nirgends erblicken; wahrscheinlich hatten seine Übungen mit der Cuadrilla und den Stieren die Verspätung verursacht. –

Ein lautes Brausen, dem Grollen eines Wasserfalles nicht unähnlich, durchzog den weiten, lichtdurchtränkten Raum, und in dieses Brausen hinein erklang fortwährend silberhelles, übermütiges Gelächter.

Aber plötzlich wurde es ganz still in dem großen Hause: Der Kapellmeister hatte den Stab erhoben, und im nächsten Augenblicke brausten die wild-schönen Klänge der Carmen-Ouvertüre durch den Raum.

Während Eduard noch immer wie gebannt diese reichste Fülle alles Schönen und Herzbestrickenden rings umher betrachtete, dachte er nach, wie nahe wohl an diesem Abend die hehrste Tugend dem wildesten Laster gerückt war, wie sich wohl Hochherzigkeit und Verworfenheit heute ganz dicht ins Auge blickten, vielleicht die vornehme Hetäre Schulter an Schulter mit der tugendreichsten Madonna saß! O, welch eine wunderbar zusammengewürfelte, wie toll auseinanderstrebende und doch wieder durch die heißeste Lebenslust zusammengehaltene Stadt war doch dies! –

Aber die Ruhe im Hause vertiefte sich noch, Caruso war aufgetreten, er, dem so viele Erwartungen entgegengeeilt waren; seine herrliche Tenorstimme durchdrang mit ihren Goldwellen jubelnd den Raum, und kaum hatte er seinen ersten Sang beendet, als ein Beifallsdonner das ganze Haus erschütterte.

»Die Erde bebt!« sagte jetzt Klärchen, die ebenfalls wie erstarrt durch alle die Wunder dieses Abends dasaß, zum zweiten Male, und heute begegnete sie nicht überall spöttisch lächelnden Gesichtern, Cäcilie sagte sogar leise: »Ja, ich hatte auch dieses Gefühl!«

Doch im nächsten Augenblicke hatten wohl wieder alle diesen kleinen Zwischenfall vergessen: der Jubel und Beifall stieg mit jeder Leistung der berühmten Gäste dort unten, und als schließlich der Vorhang endgültig fiel, wogte doch noch lange ein Begeisterungssturm durch das Haus.

Und als sich nun alle die Schönen und Schönsten – denn die Männer sah Eduard gar nicht mehr – erhoben, kam es ihm noch einmal so vor, als ob dort vor ihm alles vertreten sei, was ein goldenes Klima und goldener Reichtum zu erzeugen und zu erwerben vermag: Schönheit der Gestalt und Gesichter, Schönheit der Blumen, der Gewänder und des Edelgesteins! –

Es war nahezu Mitternacht geworden, als die beiden Schwestern und Klärchen, unterstützt von den Herren, ihre Theatermäntel umlegen konnten; Davenport, der schon vor zwei Stunden eingetroffen war, trat wie immer an Cäciliens Seite.

»Ich habe eine Bitte an Sie, Frau Treubach«, sagte in diesem Augenblicke Mr. Williams.

»Sie ist Ihnen im voraus gewährt!« erwiderte Klärchen.

»Na, na«, drohte dieser lächelnd mit dem Finger, »das ist doch etwas leichtsinnig! Ich will Ihnen nämlich Ihren Gatten entführen; er soll heute einmal das nächtliche Frisko kennen lernen.«

»An Ihrer Seite weiß ich ihn gut aufgehoben und wohl geborgen«, sagte Klärchen, die die Eindrücke des wunderbaren Abends ganz überschwänglich machten.

»Bravo!« rief der Hauptmann fröhlich aus, solch eine Frau möchte ich auch einmal haben!« Und sein glühender Blick ruhte mit unendlichem Verlangen auf Cäcilien.

Aber Klärchen fuhr fort: »Ich habe soviel Vertrauen zu Ihnen, Mr. Williams, daß Sie meinen Mann nicht in Lasterhöhlen schleppen und ihn nicht betrunken machen werden ...«

»Nein, davor bewahre mich der Himmel!« unterbrach sie der Kalifornier schnell.

»Nun, und sonst, ließ sich die junge Frau wieder vernehmen, »was sollte ich denn dagegen haben? Gehen Sie nur in Gottes Namen.«

»Vielleicht komme ich nach«, sagte jetzt Davenport, »wenn ich die Damen nach Hause begleitet habe; wo gehst Du hin, Williams?«

»Für die nächste Stunde oder so nach dem Palast-Restaurant.«

»Gut, gut, ich finde Euch schon!«

Der Wagen rollte von dannen, entführte die drei geschmückten Frauen, deren duftige Kleider in dem dichten Nebel, der nun über der ganzen Stadt lagerte, bald nur noch wie farbige Flecke erschienen.


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