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XXIV.

»Er ist heute ungewöhnlich stark unser Nebel,« begann Mr. Williams zu seinem Gaste, denn es ist nämlich wirklich unser Nebel: nur in Frisko stellt er sich jede Nacht um diese Stunde mit mathematischer Pünktlichkeit ein; ach, was ist darüber, besonders in den deutschen Zeitungen, nicht alles für ungereimtes Zeug gefaselt worden! Ich muß immer an unsern Freund Truth und seine damalige gerechte Erbitterung über jenen albernen Artikel denken. Aber mit solchen Unerquicklichkeiten wollen wir uns wahrlich nicht die Zeit vertreiben! Betrachten Sie einmal, wie grotesk sich in diesem Dunst, den selbst die starken Bogenlampen nicht zu durchdringen vermögen, die elektrischen Straßenwagen ausnehmen, die unsre Hügel hinauf- und hinabklimmen! Wie Fliegen an einen Napfkuchen, oder auch wie dunkle Träume an einem schuldigen Herzen!«

Eduard sah seinen Gefährten überrascht an: diese Sprache klang ganz ungewöhnlich im Munde dieses heiteren, jeder unfruchtbaren Grübelei abholden Mannes, und der junge Bergmann schob dies auch nur der Nachtstimmung zu. Aber als er sich nun aufmerksam umblickte und die Hunderte von Paaren gewahrte, die, aus dem Theater kommend, eiligen Schrittes nach glänzenden Wirtschaften oder stumm und verschwiegen dastehenden Hotels strebten, wobei die seidenen Kleider so verheißend rauschten und die weißen Spitzenröcke so verstohlen grüßten, da kam es ihn plötzlich so vor, als habe diese Stadt wirklich ein großes, schuldiges Herz, und er sei nun gezwungen, dies entblößt vor sich zu sehen. Das machte ihn traurig: er hätte sich seine geliebte neue Heimat so gern ganz makellos gedacht! –

»Hier sind wir am Palast-Café,« unterbrach Williams seine trübe Träumerei, »sehen Sie nur welch ein fröhliches, reich geschmücktes Völkchen wir da antreffen!«

Wirklich war fast jedes Plätzchen in den großen, strahlenden Räumlichkeiten besetzt, und eine jubelnde, an Zügellosigkeit grenzende Heiterkeit erfüllte das ganze Lokal. In den Männern glaubte Eduard wiederum die Milizsoldaten und Studenten zu erkennen: diese übermütigen, reichen Burschen mit den Gesichtern voller Trotz und Rücksichtslosigkeit und die Mädchen und Frauen hatte er noch vorhin alle in der Oper gesehen, gewiß: das waren sie, diese Brünetten, Blonden und Roten mit den kostbaren Gewändern und dem funkelnden Gestein! Dort erschien sie ja wieder, die blauschwarze Haarkrone mit den Blutstropfen, der Rubinengraffe, darin, und hier war ja auch das blutjunge, blonde Kind mit der Saphirtiara! Aber welche wilden, feurigen Blicke konnte jetzt die Sechzehnjährige auf ihren »jungen Herrn« schleudern! Und wie wiederholte sich diese verstohlene, heiße Glut in den Augen aller hier umsitzenden Frauen! Ach, was war dagegen das Funkeln der Diamanten, Smaragde und Opale! Wie mußte das Blut in diesen Herzen gierig verlangend kochen!

Dem schlichten Eduard wurde es förmlich bange vor dieser sich mit jeder Viertelstunde freier entfaltenden Leidenschaft: Hände wurden bald innig gedrückt, runde, weiße Arme wurden lüstern, rückhaltslos umkrallt, leise rauschte auch hie und da ein Kuß auf, und schließlich eilte ein Paar nach dem andern mit hochgeröteten Gesichtern, vor Glut erstarrten Augen und wie im Taumel hinaus. –

Und wie das Gold hier flog! Nie zuvor, weder in Tokio noch in Chicago noch auch in New-York hatte Eduard gesehen, daß Geldausgeben eine solche Freude und Lust gewähren könne, und Gold war es, immer nur Gold, was auf die kleinen oder großen Marmorplatten der Tische übermütig hingeworfen wurde, es war, als ob das Gold, das hier vor fünfzig Jahren gefunden worden war, zehntausendfältige Frucht getragen hätte, ja, als ob hier jedermann mit einem Griff – irgendwohin, – in den Staub der Straße oder in den Sand eines Hügels die ganze Hand voll Gold füllen könnte!

Dabei wiederholte sich aus dieser bunten, erregten Menge fortwährend der Ruf, bald harmlos-fröhlich, bald übermütig-herausfordernd: »Wir sind hier in Frisko!« als wollten die Rufer der ganzen Welt die Unvergleichlichkeit ihrer Stadt ins Gesicht schleudern! –

Eduard bemerkte auch, daß sich der ganz charakteristische Geruch San Franziskos, dieser Duft von erhitzten Gestein, leichter Verwesung und Rosen hier, in diesem Lokal, bis zur Sinnverwirrung steigerte, und er war wirklich herzlich froh, als sein Wirt endlich zu ihm sagte: »Nun, hier haben wir wohl genug geschaut; wir wollen gehen!«

Gerade, als sie auf die Straße hinaustraten, kam ihnen der Hauptmann Davenport, jetzt in voller Uniform, entgegengestürzt.

»Na, wo solls den nun hin?« fragte er.

»Du möchtest uns natürlich am liebsten nach einer Deiner Chinesenkneipen nehmen, oder nach dem Lateinischen Viertel!« antwortete ihm Williams lachend, »aber erstens mein Junge kennst Du meinen Widerwillen und zweitens vergiß mir hübsch nicht, daß unser Freund hier ein sittsamer, tugendhafter Ehemann ist!«

»Es ist mir auch nicht im Traum eingefallen, Euch dazu aufzufordern!« entgegnete der Offizier, wieder etwas empfindlich; »nein,« fuhr er dann beruhigter fort, »ich habe gar keine Lust, zu trinken oder überhaupt etwas körperlich zu genießen, und ihr wahrscheinlich auch nicht. Es ist jetzt drei Uhr, der Nebel ist weg, und die Dämmerung setzt schon ein: wandern wir doch einfach durch unsere Hauptstraßen, so kann unser Freund am besten beobachten, wie Frisko erwacht!«

»Das ist kein so übler Gedanke,« erwiderte Williams, »wollen Sie, Mr. Treubach, oder ziehen Sie es vielleicht vor, einen Sonnenaufgang über dem Stillen Ozean zu sehen?«

»Dieses herrliche Schauspiel habe ich mehreremal auf unserm Schiff gehabt,« antwortete Eduard, der als zeitiger Schläfer am liebsten nach Hause gegangen wäre.

»Nun, so führen wir Davenports Vorschlag aus und gehen einmal zunächst die Kearny Street hinab,« sagte nun Williams, und die drei Männer schritten zu.

Nach und nach verließ die Schlafsucht den jungen Bergmann; es gab auch des Interessanten reichlich zu sehen. So recht eingeschlafen zu sein schien diese Stadt überhaupt nicht, wenigstens nicht diese Nacht, denn auch um diese Stunde herrschte aller Orten Leben und Bewegung. Zwar lief jetzt die Straßenbahn nicht mehr, dafür aber zeigten sich andere Gefährte aller Art, und in den elegantesten Equipagen zeugte so manches in müden Falten herabhängende Seidenkleid, so manches tief umränderte Augenpaar, so mancher schlaffe, kußmüde Mund von der wildverbrachten Nacht; – »nach Hause, o, nach Hause, in die weichen, erquickenden Schlafdecken! schien das alles sagen zu wollen, – Vergessenheit zu suchen, bis der belebende Tradewind die schlaffen Glieder zu neuer Glut und Freude stählt!« –

Andererseits jedoch machte sich schon der erwachende Tag deutlich geltend: Milch-, Gemüse- und Obstwagen kamen laut rasselnd aus den umliegenden Dörfern angefahren, Bäckerjungen schlenderten, schrill pfeifend, die Straße hinauf und hinunter und stürzten sich oft wagehalsig, den steilen Hügel hinab, hie und da huschte ein Chinese lautlos – Gott weiß, zu welchem Zwecke – in ein feines Haus hinein, und einige vornehme Frühaufsteher tummelten mit sichtlichem Siegesbewußtsein ihre teuren Reitpferde.

»Man wird doch müde«, sagte nach einer Weile Williams, der bei keiner Sache lange verweilen konnte, »man kann ja nicht fortwährend laufen; wollen wir nicht ein bischen hier eintreten« – er wies auf ein prunkvoll, ja protzig erscheinendes Lokal, – »ich wette, es wird noch krampfhaft »gejeut!«

Und als die andern beiden nur zustimmend nickten, ging er voran, und bald befanden sich alle drei in einem hohen herrlichen Saale, der vor lauter Glanz, sinnumnebelnden Wohlgeruch, Spielwut und sonstigen glühenden Leidenschaften förmlich zu rauschen schien. Die drei Freunde mußten wirklich längere Zeit ihre Sinne sammeln, ehe sie klar um sich schauen konnten. Nach und nach gewahrten sie endlich, daß der ungewöhnliche Glanz dieses Raumes von den schweren, golddurchwirkten Tapeten, von den mächtigen Goldrahmen der Spiegel und Gemälde, von den riesigen vergoldeten Kronleuchtern ausging; mehr aber noch vielleicht von den Tausenden und Abertausenden von Diamanten der noch um diese Stunde – wie staunte Eduard! – versammelten Herren und Damen und am meisten vielleicht von dieser Unzahl von erregten Augen, die bald in düsterem Feuer glühten, bald in Hellen Blitzen des Triumphes aufflammten. Und in dieses Gefunkel vererbte sich geheimnisvoll das unaufhörliche Klingen der kreisenden Goldstücke auf dem riesigen, grünen Spieltische, so geheimnisvoll, daß Glanz und Klang wie derselbe Eindruck erschienen.

»Habe ich nicht recht gehabt?« raunte jetzt Williams den Gefährten zu, aber Eduard hörte ihn gar nicht; er betrachtete nur weiter mit wachsender Beklemmung die bunten, oft ganz wunderbaren Gruppen vor sich: das gehörte also auch zu seiner nunmehrigen Heimat, zu den schönen, fröhlichen Frisco, dieser tolle, nimmer müde Spielteufel?! Der junge Mann wünschte, er hätte diese Nacht lieber in friedlichem Schlummer zugebracht! –

Obwohl in diesem Saale über fünfhundert Menschen versammelt sein mußten, hörte man nur selten die menschliche Stimme. Stumm und starr, jedoch mit sehr lebhaftem Augenfeuer saß oder stand hier wahrscheinlich die – wenn nicht vornehmste, so doch – reichste Klasse der Stadt beisammen. Die Damen, noch immer in Balltoilette, die Herren noch immer im strengen Gesellschaftsanzuge. Gestalten tauchten auf, in denen das jahrelange Feuer der Spielwut Herz und Mark zu Asche verwandelt zu haben schien, – so ausdruckslos, so automatisch legten sie das Gold auf die Karten oder hoben dieses von der Karte ab. Dann wieder waren da berühmte Männer: Advokaten, Ärzte, sehr reiche Grundbesitzer, weit und breit bekannte Baumeister, – alles Leute, die berufen schienen, dieser Stadt ihr Gepräge zu geben, ihre Geschichte zu machen, und die nun hier in dieser Spielhölle ihren Geist, ihr Genie vergeudeten!

Plötzlich stieß Davenport seinen Freund Williams leicht mit den Ellenbogen an und flüsterte, indem er auf einen robusten, rauh und trotzig erscheinenden Herren von mittleren Jahren wies: »Der General Funston!« »Donnerwetter, der da?!« gab der Kalifornier nun ebenso leise zurück.

Nun betrachtete auch Eduard die Züge dieses Mannes, um den sich ein ganzer, abenteuerlicher Sagenkreis gebildet hatte.

In diesem Augenblick trat ein sehr elegant uniformierter Neger auf die drei Freunde zu und fragte sie mit einer tiefen Verbeugung, ob ihnen nicht eine Erfrischung, ganz gleich welche und wie teuer, gefällig sei, wobei er nachdrücklich betonte, daß dies völlig kostenlos für die Gäste dieses Hauses sei. Da aber keiner der drei zu irgend etwas Lust hatte, so schickten sie den Schwarzen dankend fort.

Und das Spiel nahm seinen ruhigen Fortgang. Keiner dieser kalten Masken dort am grünen Tische war es anzusehen, daß sie vielleicht schon in kurzer Zeit von einem schweren Verlust getroffen oder gar um all ihr Hab und Gut gekommen, der Mittelpunkt eines Trauerspiels sein, oder aber, durch einen unsinnigen Gewinn verführt, sich in eine wilde, gemütmordende Orgie stürzen würde; daß diesem Spiel der Zusammenbruch des eigenen oder eines fremden Lebensglückes folgen könnte! Nein, daran dachten sie nicht in ihrem eingefleischten Spieleifer, diese Menschen! Und verloren sie auch heute ihr ganzes Vermögen – was tats? – morgen konnte ihnen, irgendwie! – ein neues zufallen! –

Aber Williams fing wieder an, ungeduldig zu werden und drängte zum Aufbruche.

»Ich dächte, wir gingen nun heim,« sagte er, »wart' ich will nur meinem Charles, dem Kutscher, – er ist sicher schon auf – telephonieren, er soll uns mit dem Wagen vom »Chronicle« abholen, wir besuchen einmal unsern Freund Truth, der hat gewiß wieder die ganze Nacht gearbeitet.«

Er entfernte sich auf kurze Zeit, und sobald er zurückkehrte, bogen die drei in die Market Street ein und gingen diese langsam hinauf, auf das himmelhohe Chronicle-Gebäude zu.

»Sehen Sie,« sagte jetzt der Hauptmann zu Eduard, »nun ist Frisko schon fast völlig wach und rüstet sich allmählich zur Arbeit.«

»Und zum Laster!« dachte Eduard, der in dieser Nacht seine ganze Anschauung von der Stadt geändert hatte, betrübt in sich hinein.

Die Gefährten waren nur noch wenige Schritte von ihrem »hohen Ziele« entfernt, als Eduard auf einmal eine sonderbare rollende Bewegung unter seinen Füßen spürte; das war, als ob ihn die Steinfließen sanft hin und herwiegten, aber schon im nächsten Augenblick wurde die Bewegung viel stärker, und nun rief der junge Mann schreckensbleich laut aus: »Die Erde bebt!«

Lachend wollte ihm Davenport etwas erwidern, aber noch ehe er ein Wort gefunden hatte, griff er mit beiden Händen wild in die Luft und stürzte jählings hintenüber, während William schwer auf sein Gesicht niederschlug.

»Sie bebt! Beim lebendigen Gott, sie bebt!« schrie nun der Hauptmann wie im Fieber auf; er versuchte mit Gewalt sich zu erheben, fiel aber immer wieder zurück.

Williams lag ganz still; eine dunkelrote Blutlache zog sich rings um sein Haupt, einem traurigen Heiligenschein ähnlich.

Aber nun war plötzlich wieder alles ruhig; nur aus dem großen Hotel hörte man hundertfaches ängstliches Rufen und Fragen.

Der Hauptmann war nun wieder fähig, aufzuspringen, und sofort eilte er besorgt zu seinem noch immer dahingestreckten Freunde, dessen Schulter er sanft schüttelte.

»Williams!« rief er laut, »Williams! Alter Junge, was ist denn das? So mach mir doch keine Dummheiten, das wäre ...«

Weiter kam er nicht. Hoch emporgeschleudert wurde er in diesem Augenblick, wie erfaßt von einer unterirdischen Riesenfaust, er stürzte gegen eine Mauer, die, wie er mit Entsetzen fühlte, hin und her wankte, dann bewegte sich die ganze Straße, wand sich, stieg hoch empor, senkte sich wieder unter einem Donnern, als ob Himmel und Erde börsten, eine mächtige Feuersäule loderte auf vom Boden bis zu den Wolken, ein Regen von Steinen und Asche erfüllte die Luft und durch das Klirren von hunderttausend zertrümmerten Fensterscheiben hallte ein einziger gellender Todesschrei!

»Um Gotteswillen, – die Welt geht zu Ende!« kreischte der Offizier und versuchte von neuem zu Williams und Eduard vorzudringen.

Aber nun schien plötzlich die graue Dämmerung lebendig geworden zu sein: Unter dem grauenhaften Krachen, Donnern und Knattern von einstürzenden Mauern und brechenden Balken kam eine ungeheure Menschenmenge dahergeflogen, riesigen Ratten ähnlich, heulend, fluchend, um Erbarmen flehend, einander rücksichtslos über den Haufen stoßend; – jetzt stürzte hier einer zu Boden, dort ein Dutzend, nun wieder hier eine ganze Gruppe, dort Hunderte, und im Nu waren sie alle von Schutt und Trümmern bedeckt!

»Zurück!« brüllte jetzt Davenport einigen dieser zum Wahnsinn erregten Flüchtlinge zu, als sie ohne weiteres seine beiden Freunde unter die Füße treten wollten. Er hatte seinen Revolver gezogen, und seine schwarzen Augen glühten jetzt in düsterer Entschlossenheit.

»Ach was, zurück!« schallte es ihm wütend entgegen, »heute gilt kein Kommando mehr! Rette sich, wer kann!«

»So nimm das! Und Du das! Und Ihr sollt auch noch 'was haben!«

Er hatte alle sechs Schüsse seiner Feuerwaffe abgegeben und ebensoviel blutige Leichen zu seinen Füßen hingestreckt; unter den grimmigsten Verwünschungen flohen die andern weiter.

Aber das furchtbare Toben rings umher ging immer weiter: Immer neue Mauern stürzten ein unter einer erstickenden Wolke von schimmlig riechenden Kalkstaub, klaffende Riffe bildeten sich mitten in der Straße und die Bahnschienen wurden zu aufrecht starrenden, sonderbaren Schlangen! Und immer mehr Menschen kamen an, die meisten halb oder ganz nackt – wer achtete jetzt darauf? – es gab ja zu dieser Stunde kein Geschlecht und kein Alter mehr, es war ja alles nur eine fliehende, vor der empörten Erde fliehende Masse, deren Herzen nur noch der eine Gedanke belebte: »Fort! Gleichviel wohin! Fort von diesem schwankend gewordenen, mörderischen Boden, der uns zermalmt oder verschlingt!« Aber während dieser wahnwitzigen Flucht schlug ein Riesenhaus nach dem andern über ihren Köpfen zusammen, und der gellende Todesschrei oder das dumpfe Röcheln verhallte in dem Donner der fallenden Quadern und Balken!

Davenport stand noch immer hoch aufgerichtet und starrte seiner Sinne kaum mächtig, in dieses unbeschreibliche Grauen. Plötzlich sah er den Wagen der Williams, worauf Charles, der Kutscher totenbleich, die größte Mühe hatte, die wildscheuenden Rosse im Zaume zu halten.

Eben wollte ihm der Offizier zurufen, doch näher heranzufahren, doch ein Blick auf die drohenden Risse im Boden sowie die noch viel gefährlicheren zerrissenen Straßenschienen ließ ihn davon abstehen. Aber es kam ihm ein anderer Gedanke.

»He da, Ihr beiden?« herrschte er zwei Neger an, die mit finsterer Miene schleichend und spähend einherkamen, als gingen sie schon jetzt auf Leichenraub aus. Die Kerle fuhren zusammen und wollten erst gar nicht auf den Rufer achten; als sie aber den funkelnden Revolver in seiner Hand sahen, den der Hauptmann jetzt drohend erhob, hielten sie an und fragten: »Was soll's, Kapitän?«

»Seht Ihr die zwei dort liegenden Herren? Ja? Gut, die hebt mir jetzt sofort auf und schafft sie nach dem Wagen, der dort drüben hält! Aber schnell! Sonst mach' ich kurzen Prozeß mit Euch!«

Die strengen Worte, noch mehr aber die blutenden erschossenen Menschen zu den Füßen des Drohenden wirkten magisch auf die schwarzen Burschen. In wenigen Minuten war Davenports Befehl ausgeführt, und er rief nun dem Kutscher zu: »So, Charles, fahr schnell nach Hause, so weit es möglich ist den Strand entlang! Sobald ich irgend kann, komme ich hin!«

»Hoffentlich ist jenes Viertel unversehrt geblieben!« murmelte er vor sich hin; »wenn sie, auch sie ...!« »Ach was!« riß er sich jäh empor, »jetzt ist keine Zeit zu Weichlichkeiten und verliebten Gedanken! Hier heißt es, die ernsteste Soldatenpflicht zu erfüllen: die Schwachen vor der Rohheit der Starken zu schützen, die gefallenen Opfer vor den Hyänen, den Leichenräubern zu bewahren! Also hin zum General Funston, um zu hören, wie wir vorzugehen haben!«

Und er nahm seinen Weg mühselig über Leichen und Trümmer hinweg, der California Street zu.


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