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XIV.

Mr. Williams hatte die aus hellgelbem Leder gefertigten und überall mit goldenen Schnallen besetzten Lenkriemen, sowie auch die leichte Peitsche ergriffen, den Kutscher hinten aufsitzen lassen und seinen jungen Gast gebeten, neben ihm auf dem Bock Platz zu nehmen. Nun sauste der Wagen davon.

»Wir müssen vorsichtig sein,« sagte Williams nach einem Weilchen, »es sind dies ganz junge und sehr feurige Tiere. Cäcilie hat sie während meiner Abwesenheit in Japan gekauft, aber ich werde sie bald in Ordnung haben.«

Der Versicherung, daß diese beiden vorgespannten Renner jung und feurig seien, bedurfte es für Eduard wahrlich nicht, denn mit einiger Besorgnis sah er ja, daß sie alle Augenblicke hoch aufbäumten, wild hintenausschlugen und dann wieder in rasendem Laufe dahinstürmten. Aber auch der zweite Ausspruch des Millionärs: er werde die Tiere bald völlig in seiner Gewalt haben, schien durchaus gerechtfertigt, denn mit Staunen und Bewunderung gewahrte Eduard, daß sein Wirt mit einer ganz wunderbaren Körperkraft und Kaltblütigkeit die Pferde straff im Zaume hielt, während er von Zeit zu Zeit einen wahren Hagel von Peitschenhieben auf sie niedersausen ließ, was endlich zur Folge hatte, daß sie völlig fromm einhertrabten.

So hatte Eduard etwa nach einer halben Stunde die nötige Muße, sich gründlich umzuschauen. Der Wagen hatte schon die Washington-Straße verlassen und rollte jetzt lautlos durch die Leavenworth Street, und nun erst bemerkte Eduard, daß die meisten Häuser der Stadt – allerliebste, zierliche Holzbauten, fast alle aus »Redwood« – auf Hügeln und an Hängen, oder auch in reizenden, blumenreichen Schluchten standen; dazwischen erhoben sich auch hie und da schöne, solide Villen und Paläste aus grauem, rotem und gelben Gestein. Aber über allen – ob nun kleine Arbeiterhütte oder Prunkschloß eines Milliardärs – wölbte sich der tiefblaue, kalifornische Himmel, glühte liebend und segnend die kalifornische Sonne, schwelgte und zitterte das kalifornische Glücksgefühl, der kalifornische Lebensjubel! O, wie tief fühlte ihn Eduard nun schon! Wie gern hätte er mitjauchzen mögen mit diesen so einfach und doch so reizend gekleideten Kindern, wie gern ihnen ebenfalls einen freundlichen Gruß zurufen, diesen bezaubernden Mädchen, die in ihrem ungezwungenen Benehmen doch alle erschienen wie Fürstinnen, Gebieterinnen! Ja, wie gern hätte er ihnen allen die Hand gedrückt, diesen Männern, die, ob nun alt oder jung, in ihren Gesichtern die heitere Ruhe zeigten, die nur der Aufenthalt in einem so schönen und dabei so arbeitsfrohen Himmelsstrich verleiht. Denn diese Arbeitsfreudigkeit spiegelte sich für Eduard – allem zum Trotze, was er früher von der trägen Üppigkeit, der erschlaffenden Lust San Franziskos gelesen und gehört hatte – überall deutlich wieder: der Wagen war an der Hauptpost vorübergefahren, und der junge Ingenieur hatte beobachtet, wie die Briefträger mit auffallender Eile, dabei aber doch völlig heiter aus dem Gebäude mit den vollen Taschen herausgestürmt kamen, als könnten sie es gar nicht erwarten, den Leuten frohe Botschaft oder Geld zu bringen. Und überall, in der Siebenten Straße, in die Mr. Williams nun eingefahren war, sah Eduard Schilder über den Läden, Schilder, die rauh und schlicht, oft sogar in fehlerhaftem Englisch, alle zur Arbeit, zur Energie mahnten: » Go-ahead-Store!« las er hier, » Never-give-up!« dort, » The Sleepless!« an einer dritten Stelle und so fort, – ringsumher Betätigungen einer großen, gesunden Volkskraft, die sich in Arbeit und ruheloser Anstrengung auszutoben versucht.

»O, Frisko! Schönes, liebes Frisko!« jubelte es jetzt im Herzen Eduards auf, »ich will und muß hierbleiben! Warum soll ich nach dem düstern, halbzivilisierten Mexiko gehen und noch dazu in die traurigen Einöden Chihuahuas, wenn mir hier ein solches Paradies winkt?! Meine Fabrik ...«

In diesem Augenblicke fiel ihm ein, daß ja der Mann neben ihm, dieser reiche, gütige und dabei für seine Stadt so glühend begeisterte Mann, ein Teilhaber seiner Fabrik, vielleicht ein wichtiger, wohl gar der wichtigste Teilhaber war, und ohne eigentlich zu wissen, wie und warum, ergriff er warm die Hand seines Wirtes und trug ihm sein Anliegen vor.

Die Bewegung Eduards oder vielleicht richtiger gesagt: das Erstaunen des Kaliforniers über diese Bewegung hatte die prächtigen Rosse veranlaßt, sich noch einmal hoch emporzubäumen, wie toll auszuschlagen und den Wagen einige Minuten im rasendsten Laufe dahinzuschleudern. Aber Mr. Williams war ein Meister über Tiere, so wie er es auch über Menschen zu sein schien. Er zog die Leine mit einer erstaunlichen Kraft an, peitschte die Renner, bis sie am ganzen Leibe zitterten und schließlich wieder lammfromm dahinliefen.

Nun lächelte der Millionär mit einem für Eduard bezaubernden Lächeln und freundlich sagte er: »Aha! Hat es Sie schon erfaßt? Ich dachte es mir – bei Ihnen! Na, wir wollen 'mal sehen; was ich für Sie tun kann, werde ich selbstverständlich und frohen Herzens tun, denn Sie möchte ich gern dauernd um mich haben!«

Eduard wurde ganz rot vor Stolz und Freude, und durchschauert von diesem erwärmenden Gefühl fragte er seinen Gefährten: »Warum haben Sie es grade bei mir gedacht, Mr. Williams, ich meine: daß ich diese Stadt so schnell liebgewinnen würde?«

»Ah, Sie wollen wohl Taffy »Taffy« eigentlich Zuckerzeug, bedeutet im übertragenen Sinne »Schmeichelei«, zumal in Kalifornien. Anm. d. Verf. von mir haben, mein Guter?« entgegnete Williams mit lautem Lachen, glaub's wohl, aber das bekommen Sie nicht, nein, nein! Nach meiner Meinung passen Sie eben für unser Frisko – das ist alles! Aber hier ist das Restchen der Solano Street; das fahren wir zu Ende und sind dann bei den Union Iron Works angelangt!«

* * *

Wer beschreibt die Freude, die Wonne unseres jungen Helden, als ihm schon nach zwei Stunden der Generaldirektor dieser Riesenfabrik die frohe Botschaft eröffnete, er könne hier in Frisko bleiben, könne in diesen Werken eine gute Stellung als Ingenieur bekleiden; für die Mine in Cusihuriachic hätte man schon einen andern jungen Mann in Aussicht.

In seinem Jubel hätte er Mr. Williams fast umarmt, denn nur ihm – das wußte er sehr wohl – verdankte er diesen ihm die herrlichste Zukunft eröffnenden Wechsel seiner Lebenslage.

»Aber nicht wahr, Mr. Williams«, wandte er sich bittend an seinen Wirt und Wohltäter, als sie gegen Abend wieder im Wagen saßen und dem Hause zustrebten, »Sie sagen wohl vorderhand meinem Frauchen nichts von dieser Änderung; sie ist herzensgut und lieb, hat aber, wie wohl alle Frauen, ihre Eigentümlichkeiten und zu diesen gehört, daß sie mich womöglich ganz unveränderlich haben möchte, mich am liebsten vierzig Jahre in derselben Stellung sähe!«

»Ganz wie Sie wünschen«, erwiderte der Kalifornier von neuem lächelnd, »das bleibt also vorläufig unser Geheimnis! – Hören Sie 'mal Mr. Edward«, wandte er sich plötzlich schnell an den jungen Mann, möchten Sie nicht einen kleinen Einblick in unser Klubleben gewinnen?«

Als Eduard freudig bejahte, lenkte sein Wirt in die Stokton Street ein und hielt bald vor einem schönen, hellerleuchteten Gebäude, das rings von einem weiten, prächtig gepflegten Rasenplatz mit einem Überfluß von Rosenbüschen, die weithin die Luft mit ihrem brünstigen Dufte erfüllten, umgeben war.

»Dies ist der Pacific Union Klub«, sagte jetzt Williams, während er abstieg und Charles, dem Kutscher, leicht die Lenkriemen zuwarf, »vielleicht nicht unser feinster Klub, wohl aber einer unser originellsten, deswegen will ich Ihnen diesen zuerst zeigen, die andern kommen schon im Laufe der Zeit dran«.

»Du, Charles«, rief er noch einmal dem Kutscher zu, »fahr etwa zehn Minuten hier langsam herum, die Tiere sind stark erhitzt«.

»Jawohl, Mr. Williams«, erwiderte der junge Mensch, und aus diesen wenigen Worten klang doch der warme, treue Ton heraus, den Bedienten nur bei fortgesetzter gerechter Behandlung finden. –

»Nun kommen Sie«, wandte sich Williams an seinen Gefährten.

Sie stiegen eine breite, äußerst sauber gehaltene Treppe empor und Eduard, dessen Herz von den jüngstvergangenen, frohen Erfahrungen, sowie der köstlichen Aussicht in die Zukunft mehr und mehr geschwellt wurde, bemerkte erschauernd, daß das ganze Haus von Rosenduft, diesem Hauch der Freude, der Liebe, erfüllt war.

Ah, wahrlich, es gab noch ein Paradies, und hier in dieser Stadt lag es! –

Aber Eduards glücklicher Traum wurde doch etwas gedämpft, als er mit seinem Wirt, den alle – die Bedienten sowohl, wie Mitglieder, die ein- und ausgingen – mit höflicher, ja liebevoller Achtung begrüßten, endlich in einen großen Saal eintrat, wo mehrere Dutzend, meist ältere Herren, Karten und zwar wie Eduard bald erkannte: Poker spielten. Eine merkwürdige Stille herrschte in diesem Raume. Die vielen Herren sprachen nicht, flüsterten kaum, nur das Klappern der Spielmarken, das leise Knistern des Papiergeldes und das anheimelnde Klingen des Goldes unterbrach die große Ruhe.

Aber in den Augen dieser Männer, Augen, die wahre Goldmagnete zu sein schienen, in diesen roten und trotz des Alters frischen Gesichtern, die alle eine gewisse Ähnlichkeit mit dem seines Wirtes hatten, offenbarte sich auch hier für Eduard ein energievolles und zugleich daseinfreudiges Leben, wenngleich ihn das lautlose Treiben der Herren etwas abstieß.

»Was meinen Sie wohl«, raunte ihm jetzt Williams ins Ohr, »was diese Kerle hier verspielen! In fünf Minuten oft mehr als Sie in einem ganzen Jahr verdienen!«

Nun sah Eduard noch einmal und mit größerem Interesse auf die Spieler und bemerkte wirklich, daß diese mit einer überraschenden Kaltblütigkeit eine Rolle Goldes, eine große Banknote nach der anderen zu sich heranzogen oder von sich wegschoben; vor manchen »dieser Kerle«, wie Mr. Williams diese feingekleideten Herren so derb genannt hatte, lagen große Haufen Gold und Papier, aber in den Gesichtern der Gewinnenden zeigte sich nichts, was auf Freude über ihr Glück hätte schließen lassen.

»Was darf ich Ihnen denn als Erfrischung anbieten?« fragte jetzt Williams seinen jungen Gast, als sie sich jetzt der großen, gläserbeladenen »Bar« näherten, hinter der mehrere fette und ganz bleiche Ausschänker, von Kopf zu Fuß in blendendes, steifes Weiß gekleidet, die Bestellungen der Gäste erwarteten.

»Ich würde Whisky mit Apollinaris vorschlagen« fuhr der Kalifornier dann fort, »nichts kräftigt so, nichts macht einen so aufgeräumt wie diese köstliche Mischung; Champagner trinken wir nachher, wenn unser Durst gelöscht ist!«

In dieser leichthingeworfenen Rede lag für Eduard eine Welt von Wohlstand und Wohlleben. –

»Das Leben hier unten«, sprach jetzt Williams, nachdem sie die wirklich sehr wohltuende Erfrischung zu sich genommen hatten, weiter dürfte wohl nicht sehr interessant für Sie sein; kommen Sie: ich will Sie bei unserer jüngeren Welt einführen!«

Sie stiegen eine andere Treppe hinauf, wo sich in den süß berauschenden Rosenduft der Geruch nach türkischen und ägyptischen Zigaretten mischte, und traten bald in einen neuen, ebenfalls überreich geschmückten Saal ein. Hier waren etwa ein Dutzend Billards aufgestellt, die ohne Ausnahme besetzt waren. Außer den Spielern waren noch über hundert andere junge Männer versammelt, von denen wohl die Hälfte in der Uniform von Milizsoldaten steckte.

»Das sind unsere freiwilligen Vaterlandsverteidiger«, sagte Williams lächelnd, »fast alles Söhne unserer reichsten und angesehensten Bürger; die Väter spielen unten Poker, und die Herren Söhne treiben hier oben Allotria, – Sie werden gleich sehen!«

Eduard sah sich nun schärfer um und gewahrte, daß diese Soldaten und ihre Freunde teils in bequemen roten Ledersesseln, teils auf schwellenden, roten Sofas oft in mehr als nachlässigen Stellungen umhersaßen.

»Rot ist ja beinahe hier alles!« sagte Eduard leise zu seinem Begleiter, »rot scheint entschieden die Farbe San Franziskos zu sein!«

»Die Farbe der Liebe, der Lebensglut! erwiderte dieser nur lächelnd und betrachtete dann weiter aufmerksam die jungen Leute.

Eduard folgte seinem Beispiel, und während nun seine Blicke von einer Gruppe zur andern wanderten, glaubte er sie nach und nach alle wieder zu erkennen, diese jungen, eleganten Männer mit den feingeschnittenen übermütigen Gesichtern. Gewiß, er hatte sie noch vor kurzer Zeit auf den Straßen, in Mt. San Bruno und auf Potrero Point in den prächtigen Galawagen an der Seite von feingeschmückten, oft hinreißenden Frauen gesehen.

Während unten bei den älteren Herren eine fast befremdende Stille geherrscht hatte, ging es hier oben sehr lebhaft zu. Die Billardspieler riefen laut ihre Bälle aus, stampften mit dem Queues heftig auf den Boden, wenn ihnen ein Stoß mißlungen war, oder auch, wenn sie eine »Serie« erzielt hatten; lachten hin und wieder, anscheinend ohne jede Ursache, überlaut, riefen mit dröhnender Stimme nach Cocktails, Mintjuleps, Ginfizzes und anderen Getränken und warfen den farbigen Kellnern das Geld mit genialer Liederlichkeit fast an den Kopf.

Und ebenso geräuschvoll, ebenso ausgelassen und genial liederlich waren die andern, die nicht Billard spielten. Auch sie bestellten fortwährend – während sie geradezu unheimliche Mengen von türkischen und ägyptischen Zigaretten verpufften – teure, gemischte Getränke; auch sie warfen den Aufwärtern die Zeche mit Zeige- und Mittelfinger in weitem Bogen zu; auch sie wieherten vor tollem Lachen. Viele darunter pfiffen gellend; andere stimmten mit der ganz eigentümlichen, hohlen Stimme des Amerikaners moderne Gassenhauer an, die sie aber im nächsten Augenblick wieder abbrachen. Noch andere stellten sich plötzlich in der herausforderndsten, grimmigsten Boxerstellung irgend einem sofort herzuspringenden Gegner in den Weg, und nun erdröhnte die Luft eine Zeitlang von mächtigen Faustschlägen, worauf sich die Kämpfer auf einmal wieder freundlich die Hände schüttelten oder sich umarmten.

Eduard, obwohl in Amerika geboren, konnte sich doch nicht genug über dieses seltsame Treiben wundern; es mußte wohl typisch kalifornisch, echt »friscoisch« sein.

»Eine Flasche Mumms Extra Dry!« rief jetzt Williams dem herantretenden Bedienten zu, dann, zu seinem Gast gewandt, fuhr er fort: »Kommen Sie, Edward – Sie erlauben doch, daß ich Sie fortan so nenne – wir wollen uns dort drüben in der Ecke niederlassen, von da aus können Sie den ganzen Saal am besten über ..., Donnerwetter,« unterbrach er sich, »da kommt Davenport! Still! Ganz still! Wir wollen uns nicht melden, sondern ihn ruhig gewähren lassen; geben Sie Acht: dieser geborene Kampfhase bekommt wieder Händel!«

Wirklich war beim Eintritt des Hauptmanns eine auffällige Bewegung unter den Anwesenden entstanden: Die Spieler senkten die Billardstöcke und hörten eine Zeitlang auf, und die andern änderten ihre nachlässige Stellung doch etwas.

»Hello, Kapitän!« ließ sich jetzt eine kecke Stimme hören.

»Good Evening, Davenport!« riefen ihm mehrere der Milizsoldaten zugleich zu.

Aber der Hauptmann erwiderte weder den einen noch den anderen Gruß. Er war jetzt in Zivil und schien es sehr eilig zu haben. Augenscheinlich suchte er hier nur irgend jemand; seine schwarzen, blitzenden Augen bohrten sich prüfend in eine Gruppe der jungen Leute nach der andern, und sein dunkles, kühnes Soldatengesicht wurde mit jeder Minute unzufriedener.

»Na, Kaptän,« rief jetzt dieselbe dreiste Stimme von vorhin, »was ist Ihnen denn schon wieder in die Quere gekommen? Sie sehen ja aus, als ob Sie sich am liebsten mit dem Teufel herumprügeln möchten!«

Die andern lachten schallend, und dann klang es wild durcheinander: »Ja ja! Oder jemand hat ihn auf die Hühneraugen getreten! – Sein Liebchen hat ihm ein lust'ger Vogel vor der Nase weggeschnappt.« Nun blieb der Offizier einen Augenblick stehen. Seine dunkeln Augen richteten sich mit funkelnder Drohung auf die Burschen, und mit eherner Stimme rief er in sie hinein: »Ihr übermütigen, frechen Gesellen! Vielleicht kommt noch 'mal die Zeit, wo Ihr mehr Achtung vor einer Offiziersuniform zeigen werdet, – wartet nur!«

»Oho!« erwiderten die Zügellosen ohne Zaudern, »wartet Ihrs nur ab, Kaptän! Vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wo wir Euch zeigen können, daß wir, die Miliz, die freiwillige, unbezahlte Landesverteidigung, mehr zu leisten imstande ist, als Ihr, die bezahlten, wurmstichig gewordenen Söldner!«

Aber der Hauptmann achtete ihrer nicht mehr; er warf noch einen letzten, lodernden Blick durch den ganzen Raum und ging dann schnell hinaus, ohne seinen Freund Williams und dessen Gast gesehen zu haben.

»Es wundert mich doch, daß ers so ruhig hingenommen hat,« sagte nun der Millionär kopfschüttelnd, »das ist sonst nicht seine Art, und da hat er sicher etwas schwereres, größeres auf dem Herzen!«

»Vielleicht sieht er diese Jungen nicht für voll an,« wendete Eduard ein, »vielleicht auch, weil er nicht in Uniform war ...«

Aber wieder unterbrach ihn Williams mit erneutem Kopfschütteln: »Weder durch die eine noch die andere Rücksicht hätte sich Davenport unter gewöhnlichen Umständen abhalten lassen, ein paar dieser Bengel wenigstens hinter die Ohren zu schlagen; nein, nein, ich kenne ihn besser: Cherchez la femme! Das steckt dahinter!«

Eduard mußte nun unwillkürlich an die vielen glühenden Blicke denken, die der Offizier heute bei Tische Cäcilien zugeworfen hatte, der Auftritt seiner großen Eifersucht stand wieder vor ihm; – aber was hatte Davenports Erscheinen in diesem Klub mit jener Holden zu tun? Suchte er sie etwa hier? Bei diesen Kadetten? Unmöglich! Und auch wie wunderbar: Warum verhielt sich sein Wirt so kühl, so gleichgültig der Leidenschaft des Hauptmanns gegenüber, wo es sich um das Glück und Wohlergehen seiner eigenen Schwester handelte?!

Eduard sann und sann, doch ohne jeden Erfolg, und er kam plötzlich zu der Überzeugung, daß es sich hier um einen noch unbekannten, noch unverstandenen Charakterzug handelte, der vielleicht auch aus der Sphäre dieser Stadt herausgeboren war! Er beschloß, aufmerksamer als zuvor zu beobachten.

»Nun wollen wir aber aufbrechen,« rief jetzt Williams dem Träumer zu, »wir kommen sonst zu spät zum Nachtessen, und Franziska schimpft uns dann beide aus; also, bitte, kommen Sie!«


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