Gottlieb Konrad Pfeffel
Gedichte
Gottlieb Konrad Pfeffel

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Der Pavian und der Pudel

(1773)

An Gotter

                Ein großer, finstrer Pavian,
Der in ein Kloster sich entfernet,
Wo er dem Pater Guardian
Die Kasuistik abgelernet,
Kam mit dem Pudel Tamerlan
Vom Terminieren einst zurücke
Und traf auf einer großen Brücke
Ein Dutzend wilder Knaben an.
Sie stellten mit behendem Fuße
Sich frech auf das Geländer hin,
Und flugs lag einer in dem Flusse.
Er schreit, er winkt, umsonst, – sie fliehn.
»Hier ist ein seltner Streit von Pflichten«,
Sprach der gelehrte Pavian,
»Wär ich beim Pater Guardian,
Ich wüßte gleich den Fall zu schlichten.
Soll ich des Knaben Retter sein?
Ja freilich, spricht die Menschenliebe...
Doch wie, wenn ich im Wasser bliebe?...
Nein, ruft die Selbsterhaltung, nein!«
»O, wehe dem«, versetzt der Pudel,
»Der Schulwitz und Gewissensrat
Zu guten Taten nötig hat«,
Und riß den Knaben aus dem Strudel.

Sei stolz, o Freund, auf dein empfindsam Herz;
Ist es gleich oft gefährlich für die Jugend,
So schmelzt es auch bei unsrer Brüder Schmerz;
Empfindsamkeit ist das Genie zur Tugend.

 


 


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