Friedrich Nicolai
Geschichte eines dicken Mannes
Friedrich Nicolai

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Achtundzwanzigster Abschnitt

Beschreibung der gelehrten Zusammenkünfte bei der Frau Hummer und der vornehmsten Mitglieder derselben

Der Bel-Esprit überhaupt, besonders aber die Errichtung eines förmlichen Büreau d'Esprit, dient einem Frauenzimmer wie Frau Hummer eben dazu, wozu andern es dient, Rot aufzulegen: es macht ein hübsches Ansehen. Sollte jemand es unwahrscheinlich finden, daß in der Reichsstadt Köln am Rhein ein solches gelehrtes Schwitzbad hätte zustande kommen können, so ist dies sehr vorschnell geurteilt. Hat nicht jede kleine Stadt ihren Stadtpoeten und ihren eigenen witzigen Kopf; haben nicht sogar die Mönche ihren ihnen eigentümlichen Mönchswitz? Warum sollte denn die große Reichsstadt Köln am Rhein, bloß weil sie die heilige heißt und krumme und traurige Straßen hat, nicht auch ihre Anzahl schöner Geister besitzen? Überdem ists mit gelehrten Leuten überhaupt, besonders aber mit den schönen Geistern wie mit dem Pfeffer. Ist der Pfeffer frisch und von vorzüglicher Güte, so würzet er stark; aber selbst der schlechtere würzet doch mehr als Kohlblätter und Mohnhäupter. Sollte nun auch etwa das Büreau d'Esprit bei der Frau Hummer nicht so vorzüglich gewesen sein, als die in Wien, in Berlin, in Weimar, in Leipzig oder in Hamburg sein mögen; so enthielt es doch die Quintessenz und die Blume des Witzes und der Gelehrsamkeit der Reichsstadt Köln am Rhein. Wer mag dawider etwas einwenden? Gilt etwa der Ton der Gelehrten des ehemaligen und des jetzigen Paris in London? Warum sollte denn notwendig der Ton der Gelehrten in Weimar oder in Hamburg auch in Köln am Rhein gelten müssen? Köln ist groß genug, und der Rhein ist wohl die Elbe und die Ilm wert. Also darf auch Köln seinen eigenen gelehrten Ton haben; und dieser Ton ward damals von Frau Hummer und ihrer gelehrten Gesellschaft angegeben.

Die Mysterien der Alten waren in große und kleine eingeteilt. So versammelte auch Madame Necker vordem in Paris sonntags ihre große Gesellschaft und freitags ihren engeren Zirkel der Auserwählten bei sich; und Frau Hummer, die treue Nachahmerin derselben, hatte daher gleichfalls ihre großen und kleinen Versammlungen an den benannten Tagen. Zu den ersten ward eingeladen alles, was in Köln glänzend und vornehm war und das Schöne und Feine liebte. Diese Herren genossen dann die ausgesuchten und höhern gelehrten Einsichten der Auserwählten. Diese letztern hingegen genossen in den kleinem Zusammenkünften sich selbst und ihre eigenen Talente, welche da um den Vorzug stritten, und zuweilen etwas laut. Sie bestanden aus zehn oder elf Personen, welche für Köln und für Frau Hummer das waren, was Dorat, d'Alembert, Helvetius, Bernard, Barthe, Thomas und Süard für Paris und für Madame Necker oder Madame Geoffrin.

Es wird der Mühe wert sein, diese Männer näher kennen zu lernen. Unter ihnen muß zuerst genannt werden: der Abbé Xaver Aloys Spitzhaupt, Exjesuit: ein langer und hagerer Mann mit feiner Nase und hochrundem Scheitel, sehr solenn und bedächtig im Anstande, dabei immer sanft und liebreich in Worten, ein Mann, der nichts ohne Absicht tat und seine Absichten auszuführen wußte durch die Beförderung des Guten und Schönen, das er immer im Munde führte. Er besaß einige Kenntnisse; denn er war Professor der Philosophie gewesen und galt unter den ehemaligen Jesuiten für einen Poeten, welches nichts Kleines ist, da die Jesuiten es darauf anlegten, für die ganze katholische Welt sowohl die Poeten als die Astronomen aus ihrem Orden zu stellen. Besonders hatte er sich der deutschen Sprache beflissen und war sehr bemüht, das echtkatholische Deutsch zu verfeinern und es von dem neuen sächsischen Deutsch zu säubern, welches durch Martin Luthers Ketzerei nebst so vielem andern Übel über Deutschland gebracht worden und wodurch sogar sein Ordensbruder P. Michael Sailer zu Dillingen verführt ward, sich vermittels des häufigen Lesens von Lavaters Schriften seine echtkatholische Schreibart zu verderben. Wirklich würde Abbé Spitzhaupt die deutsche Sprache im katholischen Deutschlande auf einen ganz neuen Fuß gesetzt haben, wenn man ihm nur hätte folgen wollen; indes war er wenigstens der Sprachlehrer des reinen katholischen Ausdrucks in der Gesellschaft der Frau Hummer. Dabei ging er darauf aus, nach der gewöhnlichen Politik seines Ordens, auf die Schulen Einfluß zu haben, und nicht ohne Erfolg; denn viele junge Kölner denken seitdem in der Rhetorik viel feiner, schreiben das verbesserte katholische Deutsch des Abbé Spitzhaupt und halten ihn, wie jeden Jesuiten, für einen großen Mann.

Dieser Abbé kannte die Menschen und wußte sich ihrer zu bemächtigen; ließ auch nicht leicht irgendetwas geschehen, was er abreichen konnte, worin er nicht die Hand gehabt hätte. So hatte er sich auch der Frau Hummer bemächtigt, welche seine Weisheit bewunderte, ihn aufs äußerste verehrte und fast nichts ohne ihn tat. Er war ihr Gewissensrat und ordnete auch ihre weltlichen Angelegenheiten ziemlich nach seinem Gefallen an; einige Herzensangelegenheiten ausgenommen, welche sich Dame Hummer selbst vorbehielt. Er mußte herrschen, doch mit Sanftmut, in allen Gesellschaften, wo er war, und über alle Leute, mit denen er umging; konnte er nicht herrschen und seinen Willen ausführen, so bekam er Kopfweh und Magenkrampf und beklagte sich dann in ganz sanftem Tone, daß es so viele hämische Leute gäbe, die ihn verfolgten und ihm das Leben so sauer machten, daß er sich noch werde den Menschen ganz entziehen müssen. Bei allem diesem Mißmute mit dem menschlichen Leben, hatte er sich ein paar gute Pfründen zu verschaffen gewußt, die er, ohne viel Aufsehn zu machen, zu genießen verstand. Er sammelte eine Schar von Leuten um sich, die ganz in ihm lebten und zwischen denen er stand, beinahe wie der Messias unter seinen Jüngern, und von denen er ebenso verehrt werden wollte. Durch Hilfe derselben wußte er seine Pläne anzuspinnen und durchzusetzen, sich Einfluß zu verschaffen und seinen Beutel zu füllen, wozu er auch ziemliche Neigung hatte. Einige von diesen Jüngern erwarb er sich, weil er sich immer das Ansehn gab, er könne jedermann befördern; auch war er in der Tat, weil er sich sehr zu Großen und Mächtigen in aller philosophischen Demut zudrängte, wirklich zuweilen im Stande, jemandem, den er brauchte, wieder Dienste zu leisten. Andere hingen an ihm, bloß aus Gutherzigkeit und aus Achtung für seine Talente und Verdienste, so wie sie nun waren, welche er im vorzüglichsten Lichte zu zeigen und geltend zu machen noch besser verstand als irgendein anderer seines Ordens.

Unter seinen Anhängern der letztern Art waren sehr vorzüglich zwei, welche er auch, um sie zu belohnen, in die Gesellschaft der Frau Hummer einführte. Der eine, ein Kanonikus Ofen, Besitzer einer mittelmäßigen Pfründe, ein gutmütiger, geschickter und tätiger Mann, der den Abbé Spitzhaupt anbetete, nichts schrieb oder tat, was dieser nicht haben wollte, und sich allenfalls gefallen ließ, daß manche seiner guten Ideen für Eigentum des Abbé Spitzhaupt hingingen; daher ihn dieser sehr brauchen konnte und auch beständig brauchte. Kanonikus Ofen war ein mageres, schmächtiges, blasses Männchen, immer bescheiden und fleißig, und lebte nicht für sich, sondern für seinen Meister Abbé Spitzhaupt, der bei ihm nie Unrecht haben konnte.

Der andere Anhänger des Abbé, Herr Wismuth, war ein Laie, ein Mann mittlerer Größe, dessen Gesicht, nebst seinem sanften Auge, den Biedermann verriet. Er war Sekretär eines Prälaten gewesen, hatte aber diese Stelle verlassen, weil er zwar gute, aber nicht ganz geistliche Gesinnungen hegte, und war daher bei dem geistlichen Offizialate eben nicht zum Besten angeschrieben. Ein heller Kopf, offenherzig und bieder. Die gute Seite des Abbé Spitzhaupt hatte ihn angezogen; auch war er ihm Dank schuldig, denn dieser, um sich eines Mannes zu versichern, der ihm nützlich werden konnte, hatte ihm die Stelle eines Rechnungsführers bei der Komturei des Deutschen Ordens zur heiligen Katharina in Köln verschafft. Aber Wismuth hatte bei viel Müdigkeit der Sitten auch einiges Talent zur Satire. Er konnte Gleisnerei und Doppelzüngigkeit nicht wohl vertragen, lernte nach und nach den eigensüchtigen Charakter seines Gönners kennen, und obgleich seine Dankbarkeit unveränderlich blieb, so sah er doch das Seltsame eines so zweideutigen Charakters zu deutlich, um ihn nicht zum Gegenstande einiger satirischer Züge zu nehmen. Er hatte kürzlich in der Gesellschaft der Frau Hummer eine Probe seiner Lobschrift auf den heiligen Engelbert, ehemaligen Erzbischof und jetzigen Patron der Stadt Köln, vorgelesen. Dieser ist, neben dem heil. Karl Borromäus, unter den vielen hundert Heiligen, welche den katholischen Kalender rot machen, einer von den wenigen, welche auch die Vernunft hätte kanonisieren können. Engelbert war ein Biedermann, der für das Wohl seiner Untergebenen uneigennützig sorgte, der die Armen gegen die Mächtigen beschützte und von den Guten allgemein geliebt ward. Wismuth hatte, im Gegensatz dieses edlen uneigennützigen Heiligen, einen Mann voll egoistischer Prätension geschildert, worin viele der Zuhörer Züge vom Abbé Spitzhaupt zu erkennen glaubten. Aber, o Wunder! Abbé Spitzhaupt meinte sich in der gefühlvollen Schilderung, die von der Denkungsart des heil. Engelbert gemacht war, zu erkennen, bezeugte sein Wohlgefallen und nahm gütigst die Lobrede auf diesen für eine feine ihm von seinem Klienten gewidmete Schmeichelei auf.

Nächst dem Abbé Spitzhaupt war ein wichtiger Mann in dieser Gesellschaft der Herr von Truthahn, gewesener Kammerjunker eines apanagierten Prinzen im Reiche, und jetzt der gefällige Freund von einem Paar Domherren des gräflichen Domkapitels zur heil. Ursula. Er war untersetzt, pausbäckig und ernsthaft, ein lange gedienter und im Dienste abgenutzter Hofmann, stolz auf einige brokatene Westen mit langen Schößen, auf eine ziegenhaarne Beutelperücke und auf seine abgeschiedene Hofcharge. Er war ein großer Bewunderer Friedrichs des Großen, wahrlich um so viel unparteiischer, da dieser eben nie ein Bewunderer der Kammerjunker gewesen ist. Er versicherte, sich einige Zeit in Berlin aufgehalten und vielen Umgang mit dem Könige gepflogen zu haben. Um dieses wahrscheinlich zu machen, hatte er sich gewöhnt, einige von ihm auswendig gelernte Einfälle und Gemeinplätze dadurch einzuleiten, daß er mit einem: le Roi m'a dit, versicherte, sie von Friedrich dem Großen selbst gehört zu haben. Dagegen war er auch so billig, verschiedene französische Madrigale und Epitres, die man ihm auf seinen Reisen als ungedruckte Werke Friedrichs des Großen aufgeheftet hatte, gelegentlich sowohl bei seinen Patronen, den Domherren, als in der Gesellschaft der Frau Hummer keck als seine Arbeit vorzulesen. Er war im Hause der Frau Hummer das Muster des feinen Geschmacks, sprach nichts als französisch mit einem etwas sauerländischen Akzente und machte zugleich in dieser Gesellschaft den Incredule, da er vermöge einer allgemeinen Dispensation an Festtagen Fleisch aß. Doch war er deswegen nicht weniger ein guter katholischer Christ; denn wenn seinen Patronen, den Domherren, von ihren Beichtvätern Rosenkränze abzubeten oder Wallfahrten nach Kanfelar, zum wundertätigen Bilde der Mutter Gottes, oder nach Milahten, zu den Reliquien des heil. Johannes, des guten Patrons der bösen Freimaurer, als Bußen aufgegeben wurden, so übernahm er, gegen eine geringe Gebühr, diese geistlichen Übungen mit so großem Eifer der Intention, daß dem Heile seiner eignen Seele dabei noch etwas zu Gute kam.

Der Pater Alexius Plunder, vom dritten Orden des heil. Franz, breitschultrig, ziegelrot im Gesichte und schwarz von Haaren, daher sich die geschorne Krone auf seinem Haupte sehr deutlich ausnahm. Er war ein schöner Geist und in Absicht auf das katholische Deutsch ein Schüler vom Abbé Spitzhaupt. Er arbeitete an einer Geschichte der Wunder der Leiber der heil. drei Könige, welche in einer Kapelle hinter dem hohen Altare der Domkirche zu Köln in silbernen Särgen verwahrt liegen, reichlich mit Diamanten und Perlen eingefaßt. Diese Geschichte war in guter katholischer Prosa geschrieben. Er pflegte davon der Gesellschaft bei der Frau Hummer einige Proben vorzulesen, mit großem Beifall aller Anwesenden, ausgenommen der Frau Hummer, die von toten Leibern, obgleich heilig, keine Liebhaberin war, und des Kammerjunkers, der wegen seines Aufenthalts in Berlin für einen Incredule galt. In der Philosophie war P. Plunder ein Anhänger des subtilen Doktor Duns, des Schotten, und hatte mehr als einmal quaestiones logicales in seinem Kloster verteidigt.

Der Pater Seraphin Kranich, Kapuzinerordens, kurz, stämmig, rötlich von Haaren und rund von Wangen, mit kurzer Stirn und breiter Nase, hatte in Frankreich von zwei Klöstern aus gebettelt; daher kam seine Kenntnis der französischen Literatur. Er war ein gewaltiger Anhänger des physiokratischen Systems und arbeitete an einem Werke, worin er dasselbe auf die Einkünfte der Reichsstadt Köln anzuwenden trachtete und besonders gegen derselben unphysiokratisches Stapelrecht eiferte. Die Kapuziner müssen eine natürliche Anlage haben, das Finanzwesen zu simplifizieren; denn man weiß, welche sublimen Ideen darüber P. Chabot, dieses Ordens, dem Pariser Nationalkonvente vorgelegt hat.

Der Pater Innozentius Posauner, Dominikanerordens, sechs Fuß vier Zoll hoch und drittehalb Fuß in der Runde, knochenreich und wohlbeleibt. Er war Magister Noster der derb-katholischen Universität Löwen und nun im Erzstifte Köln berühmt wegen seiner großen Kenntnis der Philosophie des heil. Thomas von Aquin, des Engels der Schulen, wovon er manche Proben in der Gesellschaft blicken ließ. Dieser gelehrte Mann war, unbeschadet seiner Gelehrsamkeit, Meister in der feinen Klostergalanterie und hatte eine sonderliche Zuneigung zur Frau Hummer gefaßt; daher er sie nicht allein in der gelehrten Gesellschaft, sondern auch außer derselben sehr oft besuchte. Ja, wäre nicht Abbé Spitzhaupt schon ihr Gewissensrat gewesen, der sich nicht vertreiben ließ, so würde P. Innozentius bald noch viel mehr in ihre Gunst gekommen sein; denn sie fand sich sehr geschmeichelt, daß ein so grundgelehrter Mann sie seiner Zuneigung würdigte.

Er hatte einen gefährlichen Nebenbuhler an dem Herrn Doktor Bonifazius Treter, Beisitzer des hohen Gerichts am Dome, einem schönen Manne, kaum sechsunddreißig Jahre alt, wohlgewachsen und redselig, der mit einem Domherrn nach Paris und Rom gereiset war und also vollkommene Weltkenntnis und feine Sitten besaß. Auch er wartete der Frau Hummer fleißig auf; und, um den Pater Innozentius in ihrer Achtung herabzusetzen, disputierte er oft in der Gesellschaft mit ihm aus dem kanonischen Rechte, worin er ein Meister war, P. Innozentius aber nur mittelmäßiger Kenner; auch brachte er ihn oft mit dem P. Alexius über die Lehre von der unbefleckten Empfängnis zusammen, welche der Dominikaner, vermöge seines Ordens, nicht zugeben durfte, und sich doch auch in Acht nehmen mußte, bei dem Abbé Spitzhaupt, als Gewissensrate der Frau Hummer, durch allzustarke Gründe wider diese den Jesuiten so nützliche Lehre, sich nicht in Ungunst zu setzen.

Hierin stand ihm der P. Hilarion a S. Aquilino, ein unbeschuhter Karmeliter, treulich bei. Dieser Mönch war kugelrund und glatt, wie einem Karmeliter gehört, ausbündig unwissend, dagegen aber auch ein großer Schwätzer. Er hatte immer einen lustigen Einfall im Munde, den er um so viel eindringender zu machen wußte, da er beständig zuerst darüber lachte. Er war ein gefährlicher Gegner des P. Innozentius, wegen einer Streitigkeit, die das Dominikanerkloster mit dem Karmeliterkloster hatte, daher er ihn beständig aufzuziehen suchte. Dieser Pater genoß des besondern Beifalls des Ratsherrn Hummer, denn er war der einzige aus der gelehrten Gesellschaft, welchen dieser eigentlich, wegen seines allzeit fertigen Mönchswitzes, für sich brauchen konnte.

Noch gehörten zwei Jünglinge zu den Auserwählten des Bureau d'Esprit der Kölnischen Madame Necker: beide Dichter, aber von sehr ungleichem Charakter. Der eine, Herr Johannes a Deo Selten, ein blaßbäckiges, hohläugiges Gesichtchen, sehr zärtlich und empfindsam, war ein verzärteltes Muttersöhnchen. Er war schwach wie ein Schatten, und seine Verse handelten von den vielen Leiden, die er von seiner Jugend an glaubte, ausgestanden zu haben, und immer noch ausstand, worüber er beständig zärtliche Elegieen vorlas, welche bei der Frau Hummer, die selbst etwas schwächlich und zärtlich war, guten Eingang fanden. Der andere, Herr Eulogius Wildner, ein rüstiger Bursch, sah auch blaß und eben nicht helläugig aus; denn er hatte geschwind gelebt, hatte bei seines Vaters Zeiten schon sehr viel Schulden gemacht und nach dessen Tode sein Vermögen bald aufgezehrt. Er half sich nun durch, so gut er konnte, mit guten Freunden, und wenn er keine Gesellschaft fand, die ihn bewirten wollte, machte er verliebte Gedichte. Davon richtete er nicht wenig an die Frau Hummer, aus keiner unerlaubten Absicht; denn er tat ihr bloß die Ehre, ihr zuweilen Geld abzuleihen.


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