Friedrich Nicolai
Geschichte eines dicken Mannes
Friedrich Nicolai

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Neunzehnter Abschnitt

Neuer Plan Doktor Anselms und dessen Folgen

Anselm setzte sich nun in Elberfeld; und da eben der vorzüglichste Arzt daselbst, ein alter Mann, starb, so war gleich im ersten halben Jahre seine Praxis so stark, als ers beim Anfange nur verlangen konnte. Dieser Ort, der vor fünfzig oder sechzig Jahren kaum auf der Landkarte zu finden war, und wo nur einige wenige Landbauern auf den Wiesen an der Wipper Herden von Ochsen fett machten, enthält jetzt über 16 000 Menschen; und nachdem das Rindvieh der Industrie der Menschen hat Platz machen müssen, werden die Wiesen zu meilenlangen Garnbleichen gebraucht. Elberfeld war damals schon in vollem Wohlstande. Die Fabrikunternehmer, ihre Komtoroffizianten und die vornehmsten Arbeiter aßen und tranken viel besser als ehemals und waren also medizinischer Hilfe täglich mehr benötigt. Dazu kam, daß die Allgemeine Deutsche Bibliothek und mit ihr viele Schriften voll beklagungswürdiger Neuerungen bis dahin gedrungen waren. Seitdem nahmen die geistlichen Blähungen, welche in und um Elberfeld aus dem beständigen Lesen der Erbauungsbücher des Herrn Paulus Kind, Herrn Christian von Bogatzky und ähnlicher Schriftsteller vielfältig entstanden waren und die besonders bei Garnwebern, Schnurmachern und Spitzenwirkern so häufig in Gesichte und Prophezeihungen ausschlugen, öfter einen andern Weg. Man hatte angefangen, sie mit Schwefelblumen und Spießglasschwefel zu behandeln. Nicht ohne Erfolg, indem der geistlichen Beängstigungen im ganzen Barmertale viel weniger wurden. Alles dieses gab die besten Aussichten für einen neuen Arzt, der außerdem durch sein rundes wohlbehaltenes Ansehen schon die Idee eigner Gesundheit erregte und die Kranken mit Hoffnung erfreute.

Das Handlungshaus, für welches Philipp verschrieben war, gehörte, wie schon gesagt, einer jungen Witwe. Er fand die Manufaktur in der besten Ordnung, nur daß durch die Krankheit des Besitzers, die über Jahr und Tag gedauert hatte, hin und wieder manches war vernachlässigt worden. Philipp brachte nicht nur alles in kurzem wieder völlig in Ordnung, sondern, nachdem er sich mit der tätigsten Sorgfalt von der Garnmanufaktur und deren Verschiedenheit von der Wollenweberei gründlich unterrichtet hatte: so setzte er Verschiedenes noch in bessern Stand. Besonders gab er sich die größte Mühe, von den sinnreichen Maschinen und Mühlen zum Behufe des Garns, der Spitzen und Bänder, welche in der damaligen Zeit in der dortigen Gegend anfingen bekannt zu werden, Kenntnisse zu erlangen und legte einige derselben in der Manufaktur seiner Prinzipalin an, wodurch dieselbe binnen kurzem in den größten Flor kam. Jedermann, der ihn kannte, ehrte ihn wegen seines unermüdeten Fleißes; und seine Prinzipalin, eine sehr gutmütige und redliche Frau, erkannte die Dienste, die er ihrem Hause leistete, und vermehrte nicht nur sein Gehalt, sondern ließ ihm auch alle nur möglichen Gewogenheiten und Unterscheidungen widerfahren. Philipp aber, immer so bescheiden als fleißig, war zufrieden, seine Pflicht getan zu haben, und glaubte nicht einmal, daß die Erfüllung derselben etwas Außerordentliches wäre.

Die junge Frau, deren Hauswesen emporzubringen Philipp mit so gutem Erfolg arbeitete, war in mancher Absicht zu beklagen. Sie war wenige Monate vor dem Tode ihres Mannes mit einem sehr schwächlichen Kinde niedergekommen, und sie selbst hatte durch die lange Krankheit ihres Gatten, durch ihre Nachtwachen bei ihm und durch seinen nachherigen Tod so viel gelitten, daß sie anfänglich sehr hinfällig aussah und man fast eine Abzehrung befürchtete. Doktor Anselm setzte seine Freundschaft mit Philipp gleich vom Anfange an ununterbrochen fort. So sah ihn die junge Witwe öfter in ihrem Hause, und da die Verordnungen ihres bisherigen Arztes weder ihr noch ihrem Kinde Besserung zuwege brachten: so entschloß sie sich, wie viele andere, den neuen Arzt zu gebrauchen, welcher durch verschiedene glückliche Kuren schon anfing, dort einen ziemlichen Ruf zu bekommen. Waren es Doktor Anselms Arzneien, war es sein freundliches Gesicht, war es seine besondere Sorgfalt für Mutter und Kind, war es deren gute Natur oder alles dieses zusammen, genug, beide wurden sichtlich besser, zu des Arztes innigem Vergnügen und zu seinem nicht geringen Ruhme in Elberfeld und in der Gegend.

Besonders die junge Witwe nahm an Gesundheit sehr zu, und mit derselben entwickelte sich auch wieder ihre blühende jugendliche Farbe. Sie war, was man eine häusliche Schönheit nennen möchte; sie hatte schöne blonde Haare, eine sehr weiße Haut, vollkommen schöne Zähne, blaue sittsame Augen und dabei, ohne eben glänzende Eigenschaften zu besitzen, eine gleichmütige Freundlichkeit und gesellige Unterhaltung, durch die jedem in ihrer Gesellschaft wohl war. Auch unserm Doktor Anselm fing an, in der Gesellschaft der jungen Witwe sehr wohl zu werden. Zwar hatte Elberfeld und Gemarke der schönen Mädchen nicht wenige, Anselm sah auch fleißig danach, aber die meisten hatten, vielleicht durch das fleißige Lesen düsterer asketischer Schriften, ein etwas ängstliches und blasses Ansehn bekommen und zogen daher sein Herz nicht so sehr an sich. Auch weil man in Elberfeld ziemlich eingezogen lebt, fand er da nicht so viel Gelegenheit, mit jungen Mädchen zu dahlen, als er sich vorgestellt hatte. Die Witwe hatte eine ungezwungene Freundlichkeit; und unser dicker Mann entdeckte noch, nachdem ihre Gesundheit merklich zugenommen hatte und er merklich bekannter mit ihr geworden war, ein munteres Wesen an ihr, wodurch sie in einem kleinen Zirkel die Gesellschaft sehr angenehm unterhielt. Doktor Anselm nahm sich der wiedererlangten Gesundheit der jungen Witwe zu einer Zeit, da sie und ihr Kind einen Arzt nicht mehr so notwendig zu bedürfen schienen als vorher, immer noch mit verdoppeltem Eifer an. Seine Besuche wurden vervielfältigt und wurden oft länger ausgedehnt. Von den medizinischen Fragen und Antworten ging man auf andere Gespräche über. Die junge Witwe schien nun auch an Anselms Gesellschaft Gefallen zu finden. Er ward als Hausarzt mehrmal bei ihr zum Mittagessen gebeten. Die Unterhaltung bei Tische war zuweilen ernsthaft, zuweilen munter, immer angenehm. Philipp, dessen gesunder Verstand und heller Kopf sich, je mehr er sich den Geschäften widmete, immer mehr entwickelte, nahm zuweilen auch daran Anteil; und obgleich von Natur etwas blöde, ließ er doch nicht nur Zeichen von durchdringendem Geiste, sondern auch nach und nach von geselligen Eigenschaften merken. Diese Unterredungen setzten diese kleine Gesellschaft in so frohe Laune, daß sie mehrenteils noch nach Tische ein paar Stunden fortgesetzt wurden. Philipp ward von seiner Prinzipalin allemal freundlich eingeladen, dabei zu bleiben. Aber er entfernte sich fast immer mit ehrerbietiger Bescheidenheit und begab sich bald nach der Mahlzeit auf die Schreibstube. Dann blieb Anselm mit der jungen Witwe allein und unterließ nicht, sein ganzes Talent zur fröhlichen Unterhaltung glänzen zu lassen. Die junge Frau ward auch von seiner frohen Laune aufgemuntert um so mehr, da sie gewöhnlich nach Tische mit ihrem jüngsten Kinde auf dem Schoße spielte, in welchem nun durch Anselms Rat und Arzeneien neues Leben sichtbar aufblühte. So wurden diese wenigen Stunden zum frohesten unschuldigen Lebensgenusse, den Anselm noch nie in solcher Reinigkeit gekostet hatte; und er war sehr froh, da sie anfingen, fast täglich wiederzukommen, indem die freundschaftlichen Einladungen, wenn er seine Morgenbesuche abstattete, immer mehr vervielfältigt wurden.

Indes schienen diese Unterhaltungen, nachdem sie nur wenige Wochen gedauert hatten, nicht völlig so animiert zu bleiben als sonst. Die Unterredung stockte öfter, die junge Witwe schien verlegen und nachsinnend zu werden, und unvermerkt ward es Anselm auch. Der beständige Umgang mit einer liebenswürdigen Frau mußte notwendig auf sein gegen weibliche Schönheit so empfindliches Herz wirken; aber die Annehmlichkeiten ihres Geistes, ihre naive Herzlichkeit, die mütterliche Zärtlichkeit, die in ihren Augen schwamm, wenn sie oft im heitersten Laufe der Unterredung ihr Kind, in dessen Antlitz sich täglich mehr Gesundheit und in dessen Gliedern mehr Kraft zeigte, an ihren Busen drückte, wirkte, da Anselm weiser geworden und über den wahren Wert des Weibes, durch Nachdenken und Erfahrung, sich näher belehrt hatte, bei ihm noch weit mehr zum Vorteile der jungen Frau.

Er merkte nun, daß sich bei ihm anfing, der Flattergeist zu verlieren, vermöge dessen er geglaubt hatte, einzeln, frei und ungebunden glücklich leben zu können; er fing an, es für möglich zu halten, diese liebenswürdige Frau könnte die künftige Gefährtin seines Lebens werden; und dadurch kamen ihre schätzbaren Eigenschaften, so wie ihre Anmut, seinem Herzen noch näher. Zwar wollte er nicht wieder allzuschnell zufahren, sondern fand, daß Verschiedenes dabei zu überlegen sei, worüber er mit sich selbst erst nicht recht einig werden konnte. Daher kam auch die Verlegenheit, in die er selbst geriet, nachdem die ihrige sichtbar ward, und er also als ein Kenner wohl merkte, daß in ihrem Herzen etwas Geheimes vorging.

Anselm fand nämlich bei einigem Nachdenken, eigentlich wäre es für einen so jungen und schönen Mann als er nicht ganz schicklich, nur eine Witwe zu nehmen, und die fast eben so alt war wie er. Das Glück seines ungebundnen und unabhängigen einzelnen Lebens fing er freilich an aufzugeben: denn er merkte, daß er zu Hause allein lange Weile hatte; und wenn er, um diese zu vertreiben, in allerlei gemischte Gesellschaften ging, so fand er diese auch in kurzem nicht mehr interessant; er zerstreute sich zwar darin, vergnügte sich aber gar nicht. Auch hatte er eine feine Denkungsart in Ansehung des Eigennutzes; daher ging es ihm schwer zu Sinne, daß er ein reiches Frauenzimmer heiraten solle. Nun betrachtete er aber dagegen ihre Anmut, ihre Freundlichkeit, ihre feinen Empfindungen, ihre mütterliche Zärtlichkeit, woraus sich auf die Zärtlichkeit schließen ließ, mit der sie ihren Mann lieben würde, und dann auch ihre, wie er immer mehr merkte, sichtlich zunehmende Neigung zu ihm, welche nicht zu erwidern, beinahe allzuhart gewesen sein würde. So grausam konnte unser gutmütiger dicker Mann nicht sein, und er beschloß also, dieser Heirat nicht ganz aus dem Wege zu gehen.

Sein eigenes häusliches Glück, das er ganz lebhaft vor sich sah, bewog ihn dazu fast nicht so sehr, als ein großmütiger Gedanke, der sich, nachdem er ihn einmal gedacht hatte, seiner Seele ganz bemächtigte. Wenn er Mann dieser reichen jungen Witwe und Eigentümer der großen Manufaktur ward, sah er sich in den Stand gesetzt, seinen guten treuen Philipp nach Verdienste zu belohnen. Er rechnete schon aus, wie er ihm das reichlichste Auskommen geben und ihn über alle Sorgen wegen seines Alters wegsetzen wollte. Er hoffte gewiß, seine künftige Frau würde aus zärtlicher Liebe zu ihm billigen, was er zu Philipps Bestem tun wollte, der doch auch um ihr Haus Verdienste hatte. Dieser Gedanke bewegte sein gutes Herz dergestalt und die vortrefflichen Eigenschaften der jungen Witwe wirkten auch in ihrer Art auf ihn so mächtig, daß er sich entschloß, ihre Hand anzunehmen. Dieser Entschluß machte natürlich, daß er ihren Umgang noch eifriger suchte und von demselben immer mehr bezaubert ward. Die Unterredungen nach Tische wurden immer häufiger, länger und angenehmer, obgleich zuweilen durch die, sonderlich von Seiten der jungen Frau, zunehmende Verlegenheit unterbrochen, welches niemand wundern wird, der die Lage einer sittsamen jungen Witwe bedenkt, wenn sie bei sich selbst merkt, es beginne eine für sie höchst wichtige Veränderung sich zur endlichen Entscheidung zu neigen.

Einst war unser schöner dicker Mann bereits den Tag vorher wieder bei ihr zu Mittage gebeten. Er nahm sich nun vor, die Gelegenheit zu ergreifen, ihr seine Empfindungen und Wünsche zu gestehen; und seine Art, sich zu kleiden, richtete sich nach seinem geheimen Vorsatze. Er hatte seinen besten Frack angezogen, sein feinstes Hemd angelegt und über seine Frisur, die vor Tische erneuert werden mußte, gab er dem Frisör mehrmal Unterricht, ehe sie nach seinem Sinne war. Die junge Witwe war gekleidet wie gewöhnlich, empfing ihn aber fast mit einer lebhaftem Freundlichkeit und sagte, als er kam, mit einem herzlichen Händedruck, sie freue sich, ihn zu sehen.

Ungeachtet dieser auffallenden Freundlichkeit, und obgleich Anselm diesen Augenblick mit Ungeduld erwartet hatte, war er doch über die Art, sein Geständnis einzuleiten, in einiger Verlegenheit. Sie schien auch, etwas auf dem Herzen zu haben. Die Mahlzeit ward beiden sichtlich zur Last; und obgleich manche Blicke gewechselt wurden, stockte doch die Unterredung unwillkürlicher Weise bei jedem Bissen. Nach dem Ende der Mahlzeit ward Philipp nicht, wie sonst gewöhnlich geschah, genötigt zu bleiben. Er zog sich bescheiden nach der Schreibstube zurück und ließ zwei Leuten, welche große Lust hatten, sich etwas zu entdecken, freien Raum. Gleichwohl schwiegen beide über eine Viertelstunde, und wann sie redeten, waren es abgebrochene Worte oder ganz kurze Gespräche über gleichgültige Gegenstände. Anselm, welcher vor Tische die Rede, womit er seine Empfindungen entdecken wollte, so fein überdacht hatte, war jetzt verlegen, den Anfang zu finden, welcher auch, wie Verliebte aus Erfahrung versichern, bei solchen Gelegenheiten sehr oft das Schwerste sein soll. Endlich schien die schöne Witwe selbst einen Anfang machen zu wollen, der so viel versprach, daß Anselm, da ohnedies sein Herz gedrängt voll von Empfindungen war, desto eher glaubte, schweigen und sie den ersten Schritt tun lassen zu können.

Sie fing an: »Ich habe gegen Sie von Anfang an die größte Hochachtung gehabt, Herr Doktor, und diese Hochachtung hat bei näherer Bekanntschaft mit Rechte zugenommen. Ich wage es daher, Ihnen über eine Sache mein Herz zu öffnen, die mir äußerst wichtig ist.«

Anselm seufzte tief und küßte ihr die Hand.

Sie fuhr fort: »Ich sage, die Sache ist mir äußerst wichtig; denn es könnte das ganze Glück meines Lebens davon abhängen. Ich kenne Sie als einen sehr wackern Mann, als einen Mann von guter Gesinnung. Ich darf es sagen, von den feinen Empfindungen, die ich glaube bei Ihnen bemerkt zu haben, erwarte ich die Entscheidung, ob ich wohl zu viel wage und ob mein Wunsch« – sie errötete und schlug die Augen nieder – »erfüllt werden kann.«

Diese Anrede der schönen Witwe nahm einen zu guten Gang, als daß Anselm ihn hätte unterbrechen sollen, zumal da nun mehr sein gerührtes Herz noch enger gepreßt war. Ein vierfacher Kuß, den er auf ihre schöne Hand drückte, machte ihm doch soviel Luft, daß er stammelnd die Versicherung herausbringen konnte: Er schätze sie über alles in der Welt und wolle das Äußerste tun, um ihr zu gefallen.

Sie fuhr fort: »Sie wissen, daß ich meinen seligen Mann verloren habe – Aber ach! Sie wissen nicht, was ich in ihm verlor; denn Sie kannten ihn nicht« – Tränen tröpfelten über ihre schönen Wangen – »Sie haben ein zu gutes Herz, daß Sie nicht mit mir fühlen sollten, was ich meinen drei Kindern schuldig bin – zu ihrer Versorgung, zu ihrer Erziehung.« – Sie schlug die Augen nieder – »Ich tue einen Schritt, den sonst eine Frau nicht zu tun pflegt; ich hoffe aber, Sie denken zu edel, um mich mißzuverstehen.«

»Nein«, rief Anselm, indem er zu ihren Füßen stürzte und ihre Hände mit Küssen überdeckte – »Nein! teure, edle Frau, das kann ich nicht, das werde ich nicht! – Es ist Edelmut und verehrungswerte Liebe, die aus Ihnen spricht! Ich verehre Sie! Sie bedürfen für Ihre unerzogenen Kinder einen neuen Vater. Sie haben ihn gefunden! Es ist ein Mann, der Sie im Innersten seines Herzens verehrt, der Ihr Gatte zu werden für sein größtes Glück halten wird, wofern er durch seine Liebe das ihrige zu machen fähig ist« –

Die schöne Witwe schien durch diese feurige Anrede etwas außer Fassung zu kommen, wie auch wohl begreiflich ist. Sie unterbrach ihn, bat ihn, sich zu setzen, und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Sie vermuten also meine Wahl« –

Er unterbrach sie durch einen Handkuß wider ihren Willen; sie schien die Hand zurückzuziehen, die er festhielt. Sie fuhr fort: »Ich gestehe, Dankbarkeit« –

»O, sagen Sie nichts von Dankbarkeit! Welche Sorgfalt verdient nicht eine so treffliche Frau, wie Sie sind!«

Sie drückte sanft seine Hand und zog die ihrige zurück: »Ich will noch mehr sagen; ich will auch meine zärtliche innere Empfindung nicht ganz verbergen! Ich gestehe, ich bin Ihrem Freunde Philipp Dank schuldig. Er hat sich, seitdem er in meinem Hause ist, der Geschäfte mit einem Eifer angenommen, der sie schon jetzt in größern Flor gebracht hat. Ich freue mich über den Zuwachs unsers Wohlstandes, nicht sowohl meinetwegen, denn ich bedürfte allenfalls wenig, sondern meiner Kinder wegen, deren künftiges Wohl ich dadurch fester gegründet sehe. Ich verhehle meine Dankbarkeit nicht; aber, werter Herr Doktor, ich will Ihnen auch gestehen, eine zärtlichere Neigung gegen Ihren Freund hat bei mir Wurzel gefaßt. Seine redlichen Gesinnungen, sein edles Herz, sein bescheidener Fleiß läßt mich nicht nur hoffen, er könne meinem Hause eine Stütze und meinen Kindern ein anderer Vater sein, sondern auch, daß ich an seiner Hand glücklich leben könne, wenn er gleiche Gesinnungen gegen mich fühlt, wie ich gegen ihn. Ich bekenne Ihnen, ungeliebt möchte ich nicht lieben, nicht einem Manne deswegen meine Hand geben, weil er meinem Hauswesen nützlich ist, wofern mein Herz ihn nicht beglücken könnte. Ich wünschte, er wäre so gegen mich gesinnt, wie Sie vorher sagten; zuweilen aber, ich gesteh es, fürcht ich das Gegenteil. Was ich von Neigung gegen ihn habe merken lassen, scheint er nicht zu erwidern. Er ist beständig still und zurückhaltend. Ich bekenne Ihnen, daß ich deswegen in Verlegenheit war, mich mittags mit ihm allein zu finden; daher bat ich so oft Sie, werter Herr Doktor, mit uns zu essen, weil ich mich in Gesellschaft erleichterter fühlte. Ich wünschte so sehr, er möchte nach Tische an unsern Unterredungen teilnehmen. Die wenigen Male, da er es tat, freute ich mich, ihn zu sehen und zu hören. Aber Sie wissen, meist schlug ers ab. Ists bloße Bescheidenheit, oder ist sein Herz schon versagt? Dies ists, was ich Sie bitten wollte, von Ihrem Freunde zu erforschen. Ich selbst habe das Herz nicht, ihn darum zu fragen. Sie sehen selbst ein, wenn eine glücklichere Frau schon auf ihn Anspruch hätte – es würde unbillig sein, mich alsdann nicht in mein Schicksal zu finden;,aber ich gestehe – von ihm selbst möcht ichs doch nicht hören. Erforschen Sie ihn also! Ich traue Ihrer feinen Empfindung und Ihrer Freundschaft gegen mich und gegen ihn alle Delikatesse zu, die dieser Auftrag erfordert.« –

Die schöne Witwe hatte vollkommen Zeit gehabt auszureden; denn unser dicker Mann saß da, als war er versteinert. Einige Minuten vergingen, ehe er stammelnd einige Worte finden konnte. Er faßte sich aber; versprach, den Antrag zu übernehmen, und – richtete ihn wirklich, und glücklich, aus. Philipp hatte die vortrefflichen Eigenschaften einer so schönen Frau nicht ohne Empfindung in der Nähe gesehen. Ihre zuvorkommende Freundlichkeit gegen ihn hatte auch sein Herz gewonnen; aber sein bescheidenes Mißtrauen in sich selbst machte, daß er sich nicht herausnahm, sein Glück für wirklich zu halten. Die von Anselm erhaltene Nachricht setzte ihn außer sich, und nun ward er beredt, um seiner Geliebten die lange geheim gehaltenen Gesinnungen seines Herzens zu gestehen. In wenig Wochen ward ihre Verbindung vollzogen.

Anselm gönnte seinem Freunde Philipp sein Glück von Herzen; aber er konnte doch schwer ertragen, selbst zu sehen, daß ein anderer die Frau, die er geliebt hatte, besitzen sollte. Er faßte schnell den Entschluß, seinen Aufenthalt zu verändern. Es war vergeblich, daß Philipp und dessen Frau, mit denen er ferner auf die freundschaftlichste Art umging, ihm diesen Entschluß sehr widerrieten. Sie stellten ihm vor, seine Lage in Elberfeld sei günstig, indem sich seine Praxis täglich vermehre; und es werde ihm schwer werden, sich an einem andern Orte sobald auf einen ebenso guten Fuß zu setzen. Sie errieten seine geheimen Ursachen nur halb. Freilich war seine Eitelkeit durch die Wendung, welche die Neigung der schönen Witwe genommen hatte, gekränkt. Aber der Leser wird auch schon ehemals bemerkt haben, daß unser dicker Mann sich selbst und seine Bequemlichkeit liebte, daß er an anhaltender Arbeit keinen Gefallen fand, und daß es ihm bald beschwerlich ward zu arbeiten, wenn er nicht gerade Lust dazu hatte. Es war ihm daher schon längst seine medizinische Praxis, sowie sie sich zu vermehren anfing, allzu ungemächlich geworden. Wenn er an einem Abende bei heiterm Geiste entweder über die Kategorie der Kausalität und über die wahre Natur der analytischen Begriffe nachgedacht über die blauen schmachtenden Augen der schönen Witwe ein Sonett gemacht hatte und eben im angenehmen Genusse seiner obern und untern Kräfte eingeschlafen war: war es ihm höchst verdrießlich, aufgeweckt und zu einer jungen Frau gerufen zu werden, welche die Beängstigungen, die aus ihrem langen Sitzen am Spieltische entstanden, fälschlich für Annäherung ihrer Entbindung gehalten hatte. Er war oft vor Ärgernis außer sich, wenn er eben an einem schönen Sommernachmittage spazieren reiten wollte, um sich an dem herrlichen Anblicke der Natur zu laben, und plötzlich ein Wagen mit einem Postzuge vor seine Türe rollte, durch den er zwei Meilen weit zu einem Landedelmanne gerufen ward, der etwa beim Schneuzen der Nase Blut im Schnupftuche gefunden oder in seinen Hühneraugen das Wetter gefühlt hatte, und deswegen geschwind den neuen Doktor fordern ließ, weil er auch einer von den Leuten sein wollte, die den neuen Doktor brauchten, und weil er wußte, daß er ihn gut bezahlen könne. Dergleichen bei der güldenen Praxis sehr gewöhnliche kleine Zufälle setzten unsern guten dicken Mann aus seiner Bequemlichkeit und folglich aus seiner Fassung. Es ist zwar kein Zweifel, daß die schönen Augen und die schönen Eigenschaften der jungen Witwe eigentlich seine Liebe zu ihr erregt hatten; aber seine Gemächlichkeit hatte an der Zunahme seiner Neigung für sie auch wohl einigen Anteil. Wenigstens war er schon entschlossen gewesen, sobald die Heirat vollzogen sein würde, die beschwerliche Praxis ganz niederzulegen.

Seine gekränkte Eitelkeit kam nun seiner Gemächlichkeit zu Hilfe. Er überlegte bei sich abermals, daß er Talente besitze, die er nur geltend machen dürfe. Er fand es am besten, an einem andern Orte, wo er seine gewesene Geliebte nicht immer vor Augen hätte, ein Amt anzunehmen, wobei er doch wenigstens ruhig schlafen und ruhig spazieren reiten und vielleicht dennoch durch seine Talente eine glänzende Rolle spielen könnte. Nachdem er lange zwischen dem Entschlüsse gewankt hatte, welches Amt zu wählen wäre, blieb er dabei stehen, Sekretär bei einem Minister zu werden. Er überlegte, wie er dabei weniger der mechanischen Aktenarbeit, die sein freier Geist haßte, unterliegen dürfe. Er hoffte, unmittelbar unter den Augen eines einsichtsvollen Staatsmannes seine Talente vorteilhaft zu zeigen, und sich vielleicht einen größern Wirkungskreis verschaffen zu können. Dieser Gedanke eines erweiterten Wirkungskreises bestimmt gemeiniglich die jungen weisen Leute, welche entschlossen sind, sich dem Staate in die Fütterung zu geben; auch ergriff derselbe die Einbildungskraft unsers dicken Mannes mit solcher Macht, daß er nicht ferner widerstehen konnte. Ambition hatte keinen Anteil an diesem Entschlüsse; und hätte sie etwa, weil er doch seinen Wert besser kannte, als ihn andere kennen konnten, einigen Anteil daran gehabt: so war es ihm selbst unbewußt. Bloß die schöne Aussicht, auf das Glück von Tausenden wirken und unter ihnen vorzüglich diejenigen glücklich machen zu können, die es verdienten, regierte seinen Entschluß. Je mehr er es überlegte, desto mehr fand er, er handle jetzt nach echtem Kantischen Prinzip, so daß er wollen müsse, die Maxime seiner Handlung werde Prinzip eines allgemeinen Gesetzes. Muß nicht jeder wollen, dachte er, daß jeder einzelne Mensch tausende beglücke? Welche Wellt würde es sein, in der es so zuginge!

Philipp wußte gar nichts von der kritischen Philosophie und von dem reinen Moralprinzip. Seine Bemerkungen in dieser Sinnenwelt waren auf simple Erfahrung gegründet, nicht auf weitaussehende Grillen. Also tat er, bloß empirisch, ohne reines Prinzip, was in seinen Kräften stand, um unsern dicken Mann zu bewegen, ein Arzt und zwar in Elberfeld zu bleiben. Er stellte ihm vor, er sei als Arzt ein unabhängiger Mann, und versicherte ihn, es werde seine Abhängigkeit auch von dem besten großen und vornehmen Manne viel drückender sein, als die Abhängigkeit eines Arztes von den wunderlichsten Kranken. Aber Anselm blieb bei diesen und andern Vorstellungen unbeweglich; denn am Ende ging doch alles Räsonnement Philipps auf Bewegungsgründe, die von seinem Wohlsein hergenommen waren; Anselm hingegen war mit dem Prinzip der reinen Moral allzu vertraut, um nicht zu wissen, – was Kant ja ausdrücklich sagt, – daß eigene Glückseligkeit zum Bestimmungsgrunde seines Willens zu machen, das gerade Widerspiel des Prinzips der Sittlichkeit sei. Unser dicker Mann blieb daher der Kritik der praktischen Vernunft getreu. Sein Entschluß sollte unabhängig sein von empirischen Bedingungen, mithin als reiner Wille durch die bloße Form des Gesetzes als bestimmt gedacht werden. Er empfand das Göttliche, welches darin lag, daß seine reine Vernunft unmittelbar ihre eigene Gesetzgeberin sei; er hörte den kategorischen Imperativ und beschloß, als ein kritischer Philosoph, ohne von der Erfahrung – (also auch nicht von der Erfahrung seines Bankrotts) – oder von irgendeinem äußern Willen – (und also auch nicht von Philipps gutem Willen) – etwas zu entlehnen, bloß seinem ihm selbst gegebenen Gesetz unbedingt zu gehorchen. Ein gemeiner Mensch hätte wohl denken mögen, unser dicker Mann hätte hier bloß eigensinnig gehandelt. Wer aber mit der Kritik der praktischen Vernunft vertraut ist, wird bekennen müssen, bloß das Prinzip der reinen Sittlichkeit habe ihn geleitet. Denn da diesem zufolge, die Rücksicht auf eigene Glückseligkeit zum Bestimmungsgrunde seines Willens zu machen, das gerade Widerspiel des Prinzips der Sittlichkeit ist, so kommt diese große und seit Jahrhunderten unbekannte Wahrheit unserm philosophischen dicken Manne gegen alle die Klüglinge zustatten, die es wagen möchten, es unbedachtsam zu nennen, daß er seinen glücklichen Wohlstand in Elberfeld dem kategorischen Imperativ aufopferte.

Die Frage blieb nur, ob unsers dicken Mannes Talente einem vielvermögenden Minister bekannt werden könnten, und durch wen? Anselm hatte auf der Universität, wo er beflissen war, vorzüglich mit vornehmen Studenten umzugehen und sich ihnen gleichzustellen, wie wir es schon oben bemerkt haben, mit einem jungen Herrn von Reitheim, welcher der Sohn eines Ministers war, vertraute Bekanntschaft geknüpft. Da Anselm noch mehr aufgehen ließ als dieser Edelmann, so hatten sie alle Kotterien und Lustbarkeiten gemein, denen Herr von Reitheim gar nicht abgeneigt war. Sie hatten manche Flasche Champagner ausgestochen, von demjenigen, der, gleich den weltberühmten Würsten, in Göttingen ein einheimisches Produkt ist. Aber die Verbindung beider Universitätsfreunde gründete sich nicht bloß auf sinnliche Dinge, sondern sie waren auch unzertrennlich verbunden durch die Liebe zur spekulativen Philosophie; daher sie fast täglich, wenn sie nicht etwa auszureiten hatten, ein paar Stunden über Substanzen und Accidenzen, über Gott, Welt und das Universum disputierten, wobei weder Wein noch Würste gespart wurden, deren empirische Konsumtion der Liebe zu transzendentalen Ideen, wie bekannt, gar nicht hinderlich ist.

Die Liebe des Herrn von Reitheim zu den spekulativen Wissenschaften entspann sich auf eine ganz sonderbare Art. Er mochte gern viel reden und mochte gern Recht haben, wie denn das letzte einem reichen Junker, der der Sohn seiner Mutter ist, so gebühret. So war es zuhause gehalten worden. Aber die Studenten waren nicht so billig als die Mama. So zog denn des Herrn von Reitheim Rechthaberei ihm einige Duelle zu; und er fand bald, daß Göttingischer Champagner, so schlecht er auch sein mochte, dennoch besser sei als Göttingische Duelle. Aller Streit, woraus diese erwachsen waren, gehörte zur Sinnenwelt; und so hielt er für geraten, um seine Haut zu schonen, sich mit seinem Disputieren in die hyperphysischen Regionen zu ziehen. Da fand er nun seinen Mann an unserm Anselm, der ebenso gern schnackte und ebenso gern disputierte. Ihr Disputieren war auch unerschöpflich; denn sie waren nicht einmal in Prinzipien einig. Herr von Reitheim, als ein vornehmer Junker, war von einem französischen Hofmeister erzogen worden, der ihn gelehrt hatte, es sei am besten, gar nichts zu glauben. Dieser französische Unglauben, mit den Anfangsgründen deutscher Philosophie amalgamiert, hatte bei ihm bald einen so kompletten Skeptizismus erzeugt, daß er nichts für unwidersprechlich hielt, als daß er der Herr von Reitheim sei, der einmal, nach seines Vaters und seines Oheims Tode, jährlich über 30 000 Gulden würde zu verzehren haben. Unser Anselm hingegen war, wie sich der Leser erinnern wird, damals der mathematischen oder demonstrativischen Methode ergeben, mit welcher er ganz ohne Mühe die Gewißheit aller Dinge noch gewisser machen konnte. Er ließ denn wider seinen Gegner eine lange Reihe von undurchdringlichen Syllogismen und Soriten aufziehen, die aber durch des Herrn von Reitheim schnell erregte Zweifel auseinander gesprengt wurden, wie etwa eine Folardsche dichtgeschlossene Kolonne durch eine unvermutet spielende Kartätschenbatterie; so daß unser guter dicker Mann gemeiniglich genug zu tun hatte, seine auseinander geworfenen Heischesätze und Folgesätze wieder in einige Ordnung zu bringen. Vielleicht war es noch ein anderer, ganz geringfügig scheinender Umstand, welcher zu der großen Sympathie zwischen den beiden Universitätsfreunden beitrug. Anselm war klein und rund; und Herr von Reitheim gleichfalls. Dicke Leute, die groß sind, finden allenthalben Ansehn, denn sie können der Länge und Breite nach Fronte machen und sich Platz schaffen; aber kleine runde Leute leben gemeiniglich in ecclesia pressa und halten daher näher aneinander.

Indessen ists wahr, daß außer dem Maße ihrer Klugheit und Runde, noch mancher auffallende Unterschied zwischen beiden war. Beide hatten stattliche Bäuche. Anselms Bäuchlein war zierlich rund; aber Herr von Reitheim hatte schon in der Jugend eine Anlage zum Hängebauch. Anselm hatte eine feine weiße und rote Gesichtsfarbe und eine zierliche Nase, beinahe eine von den Klugheitsnasen, welche der Seelenarzt Lavater den Fürsten vorschreibt, zu Ministern zu wählen; dabei rote niedliche Kußlippen, zwischen denen nur die Mittellinie der Weisheit etwas zu merklich war. Herr von Reitheim hingegen war im Gesichte etwas braun von seiner ländlichen Erziehung, etwas rot um die Augenknochen vom frühen Trinken, seine Nase war nicht so gut begabt, denn sie war breit, abgestutzt und knorplicht, eine von den Nashornnasen, wovon schon ein alter Dichter sagt: Et pueri nasum rhinocerontis habent! und dabei hatte er etwas aufgeworfene weißlichrote Lippen. Ein genauer Physiognomist würde an beiden noch mehrere Unterschiede, besonders an den Waden und Knöcheln der Hände, bemerkt und darin unfehlbar des einen Neigung zum Bezweifeln und des andern zum Demonstrieren, vereint mit beider Neigung zum Schwatzen, deutlich erkannt haben.

Mit diesem alten Universitätsfreunde hatte Anselm von Zeit zu Zeit noch einige Korrespondenz unterhalten. Er hatte nicht unterlassen, dem Herrn von Reitheim seine Bekehrung zur kritischen Philosophie zu melden und beizufügen, daß er durch dieselbe den Skeptizismus nun viel sicherer als ehemals durch die mathematische Methode besiegen könne. Er hatte auch von dem Herrn von Reitheim wenigstens einigen Dank erhalten, daß er ihn die kritische Philosophie habe kennen lehren, welche noch nicht bis ins dortige Ritterkanton gedrungen war, wozu er das Versprechen fügte, die Kantischen Schriften zu studieren. Da Anselm nun nicht zweifelte, Herr von Reitheim wäre durch dieselben völlig überzeugt worden und ihm deswegen Dank schuldig: so glaubte er, von demselben für einen so wichtigen Dienst auch wohl eine Gegengefälligkeit verlangen zu können. Er wußte, daß Herr von Reitheim an mehrern Höfen sich aufgehalten hatte und mit den angesehensten Familien im Reiche verwandt war; er schrieb deshalb an denselben, setzte ihm einigermaßen seine Lage auseinander und bat ihn um seine Empfehlung an einen Minister. Philipp widerriet zwar diesen Schritt und war der Meinung, ein vornehmer und reicher Mann denke nicht so lange an Universitätsfreundschaft, er werde sich weiter um ihn nicht bekümmern, da er ihn nicht brauchen könne, und werde ihn höchstens mit einem höflichen Briefe abspeisen. Anselm aber glaubte, seinen Freund besser zu kennen, und rechnete dabei auch insgeheim auf den ihm wegen der kritischen Philosophie erzeigten Dienst.


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