Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehnter Theil
Buch der Priester

91

Zehnter Theil
Erste Rede

Brahmāyu

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit wanderte der Erhabene im Videher-Lande von Ort zu Ort, von vielen Mönchen begleitet, einer Schaar von fünfhundert Mönchen.

Um diese Zeit nun weilte Brahmāyu der Priester zu Mithilā, alt und greis, hochbetagt, dem Ende nahe, ausgelebt, im hundertzwanzigsten Lebensjahre, Vergl. Saṃyuttakanikāyo vol. I. p. 108: Kurz ist das Leben der Menschen: ...; wer lange lebt, lebt hundert Jahre, oder etwas darüber. – Śatapathabrāhmaṇ,am I, 9, 5, 19; Chāndogyopaniṣat III, 16, 7; praesertim i.a. Jaiminigŗhyasūtram 8, 1, 2 (p. 10 des Wiener Grantha-Ms): jīvāhi śaradaśśataṃ, paśyāhi śaradaśśatam (sic).

Plinius VII, 28: Crates Pergamenus Indos qui centenos annos excedant Gymnetas appellat, non pauci Macrobios. – Auch in den koptischen Biblia sacra wird das Leben des Menschen auf hundertzwanzig Jahre bemessen: siehe Amélineau, Vie de Schnoudi, in 12° p. 238 u. 359.
ein Meister der drei Veden, sammt ihrer Auslegung und Deutung, sammt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufwies. Und es hörte Brahmāyu der Priester reden: ›Der Asket, wahrlich, Herr Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, wandert im Videher-Lande von Ort zu Ort, von vielen Mönchen begleitet, einer Schaar von fünfhundert Mönchen. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: ›Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerheerde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Büßern und Priestern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum dar. Glücklich wer da nun solche Heilige sehn kann!‹‹

Damals nun hatte Brahmāyu der Priester einen jungen Brāhmanen als Schüler bei sich, Uttaro mit Namen, der ebenso gelehrt wie er selbst war. Und Brahmāyu der Priester wandte sich also an Uttaro den jungen Brāhmanen:

»Komm', lieber Uttaro, und geh' zum Asketen Gotamo hin und erforsche den Asketen Gotamo, ob er wirklich so ist, wie ihn der Ruf begrüßt, oder nicht so ist; und ob da Herr Gotamo solche Art hat, oder nicht hat: durch dich wollen wir ihn, den Herrn Gotamo, kennen lernen.«

»Auf welche Weise aber, Herr, soll ich ihn, den Herrn Gotamo, erforschen, ob Herr Gotamo wirklich so ist, wie ihn der Ruf begrüßt, oder nicht so ist; und ob da Herr Gotamo solche Art hat, oder nicht hat?«

»Es werden, lieber Uttaro, in unseren Sprüchen zweiunddreißig Merkmale eines großen Mannes genannt, mit denen begabt ein solcher nur zwei Bahnen betreten kann, keine dritte. Wenn er im Hause bleibt, wird er König werden, Kaiser, ein gerechter und wahrer Herrscher, Ct. die 83. Rede, in init., und Asokos I. Säulenedikt, fin. ein Sieger bis zur Mark der See, der seinem Reiche Sicherheit schafft, mit sieben Juwelen begabt ist. Das aber sind seine sieben Juwelen, und zwar: das beste Land, der beste Elephant, das beste Ross, die beste Perle, das beste Weib, der beste Bürger, und siebentens der beste Staatsmann. Und er wird über tausend Söhne haben, tapfer, heldensam, Zerstörer der feindlichen Heere. So wird er diese Erde bis zum Ozean hin, ohne Stock und ohne Stahl gerecht obsiegend, beherrschen. Wenn er aber aus dem Hause in die Hauslosigkeit zieht, wird er heilig werden, vollkommen auferwacht, der Welt den Schleier hinwegnehmen. Wohl hab' ich dir schon, lieber Uttaro, die Sprüche gesagt: und du hast sie bei dir behalten.«

»Ja, Herr!« entgegnete da Uttaro der junge Brāhmane, Brahmāyu dem Priester zustimmend. Und er erhob sich von seinem Sitze, bot ehrerbietigen Gruß dar, ging rechts herum und begab sich nach Videha, auf die Wanderung zum Erhabenen hin. Von Ort zu Ort wandernd kam er dorthin wo der Erhabene weilte. Und er tauschte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend gedachte nun Uttaro der junge Brāhmane bei sich: Lies ekamantaṃ nisinnassa kho Uttarassa māṇavassa etad ahosi. Das Interpositum ist tertiär interpoliert. ›Begabt ist der Asket Gotamo mit den zweiunddreißig Merkmalen eines großen Mannes; wie, wenn ich nun dem Asketen Gotamo nachfolgte, um sein Betragen kennen zu lernen?‹ Und Uttaro der junge Brāhmane folgte dem Erhabenen sieben Monate nach, dem untrennbaren Schatten gleich.

Als nun sieben Monate um waren kehrte Uttaro der junge Brāhmane von Videha; wieder nach Mithila zurück. Von Ort zu Ort wandernd kam er dorthin wo Brahmayu der Priester weilte. Dort angelangt bot er ehrerbietigen Gruß dar und setzte sich zur Seite nieder. Und an Uttaro, der da zur Seite saß, wandte sich nun Brahmayu der Priester also:

»Ist denn, lieber Uttaro, der Herr Gotamo wirklich so, wie ihn der Ruf begrüßt, oder ist er nicht so? Und hat er, der Herr Gotamo, solche Art und keine andere?«

»Wie er eben wirklich ist, Herr, begrüßt Herrn Gotamo der Ruf, nicht anders; und solche Art hat er, der Herr Gotamo und keine andere. Begabt ist Herr Gotamo mit den zweiunddreißig Merkmalen eines großen Mannes. Wohlgefestet sind die Füße des Herrn Gotamo: und das ist eben eines der Merkmale eines großen Mannes, das Herrn Gotamo eignet. Unten sind bei Herrn Gotamo, an den Sohlen der Füße, Räder zu sehn, mit tausend Speichen, mit Felge und Nabe und allen Abzeichen geziert. Das »tausendspeichige Rad« ist der Abdruck, den der Fersenball bei jedem Schritte auf staubigem oder feuchtem Boden zurücklässt: als srîpādas schon im 1. Jahrh. vor Chr. schematisch dargestellt; cf. Bühler im Anzeiger phil.-hist. Cl. Wiener Akad. der Wiss. vom 5. Februar 1898. Schmal ist die Ferse des Herrn Gotamo, lang sind die Zehen. Sanft und zart sind Hände und Füße des Herrn Gotamo. Die Bindehaut zwischen Fingern und Zehen ist breit geschweift wie ein Netz. Muschelwölbig ist der Rist. Gazellenbeinig ist Herr Gotamo; Den Typus dieser schlanken und doch kräftigen Asketenbeine mit hohem Unterschenkel zeigen außerordentlich schöne Buddho-Statuen aus Sārnāth im Museum zu Kalkutta, alte, ächt indische Kunstwerke. Wunderbar ähnlich hat bei uns Donatello seinen Johannes gebildet, in der Chiesa dei frari zu Venedig, erst von De Lorenzo erkannt. – Vergl. Enajangho janghākarikas, Dasakumāracarite II, 1: 1. fasc. p. 45; auch Valgujanghas, Mahābhārate XIII, 4, 152. stehend kann Herr Gotamo, ohne sich zu beugen, mit beiden Handflächen die Kniee befühlen und berühren. Merkmal eines Helden. So wird auch Rāmas bekanntlich ājānubāhus genannt, Rāmāyane I, 1, 12; wozu A. W. von Schlegel in seiner Übersetzung treffend angiebt: »Brachia brevia apud Indos deformia et ignobilia habita sunt; longa contra heroïci vigoris argumentum. Non mirarer, si Persae, idem statuentes, cognomine Artaxerxis prioris, μαχροχειρ, male a Graecis intellecto, simile quid significassent.«

204 Vergl. Läng In der Vorhaut verborgen ist das Schaamglied. Vergl. Längere Sammlung, II Band, S. 99, Anm. 20. Gülden leuchtet der Körper des Herrn Gotamo, wie Gold erglänzt seine Haut. Sie ist geschmeidig, so geschmeidig, dass kein Staub und Schmutz daran haften bleibt. Einzelflaumig ist Herr Gotamo, je einzeln ist das Flaumhaar in der Pore gewachsen. Nach oben gerichtet ist der Flaum des Herrn Gotamo, die Flaumhaare sind nach oben gewachsen. Schwarz wie Augenschminke, wie Ringe geringelt, rechts herum sind sie gedreht. Heilig erhaben ragt Herr Gotamo empor, ist gar heiter anzuschauen. sattussado, d. i. sat-tusya-das. Cf. No. 95 in initio: Opāsādam sattussadam. – Dîghanikāyo vol. III. p. 166 ist kommentarielles Quidinloco.

Wie beim Löwen ist der Vorderleib des Herrn Gotamo, mit der breiten Brust. Eine Klafter hoch ist Herr Gotamo; seine Körperlänge entspricht seiner Armweite: seine Armweite entspricht seiner Körperlänge. Gleichgeformte Schultern hat Herr Gotamo. Mächtige Ohrmuscheln hat Herr Gotamo. rasaggasaggî von √ ras, rasati sabde + gras (= grah, cf. Manus VIII, 43) + agrî. Ein Löwenkinn hat Herr Gotamo. Alle Zähne hat Herr Gotamo; cattārîsadanto so bhavam Gotamo, wörtlich ›vierzigzähnig ist Herr Gotamo‹, womit natürlich, wie auch sonst bei Zahlenreihen, nur die begonnene vierte Dekade, d. h. über dreißig, gemeint ist. Caturo dasassa heißt es im Dîghanikāyo I. c. p. 182. gleichmäßig gefügt, nicht auseinanderstehend, glänzend weiß ist das Gebiss. Gewaltig ist die Zunge des Herrn Gotamo. Heilig tönt seine Stimme, wie Waldvogelsang. Tiefschwarz sind die Augen des Herrn Gotamo; die Wimpern wie beim Rinde. Eine Flocke ist Herrn Gotamo zwischen den Brauen gewachsen, weiß und weich wie Baumwolle. Vergl. das avimuktam (bhruvor ghrānasya ca samdhisthānam), e. g. Jābālopanisat 2. Bei avimuktam darf auch an die seltenere Bezeichnung dhruvas als polaren Punkt zwischen den Augenbrauen, d. i. die Nasenwurzel, gedacht werden. Vergl. Susrutasamhitā I, 5,24. Deutlich und ohne jede symbolische Absicht, offenbar treu anatomisch nachgebildet, ist dieses Merkmal an der Herme des Apollonius von Tyana in Neapel zu sehn. – Hier sei noch die Vermuthung gewagt, die im P.W. 1 s.v. dhruvas 2i) genannten Visnoh padāni bhrûmadhye möchten die oft vorkommenden drei vertikalen Stirnfalten sein, die von der Nasenwurzel entspringen, das mātrmandalam aber die Pupille. Einen Scheitelkamm hat Herr Gotamo: und auch das ist eines der Merkmale eines großen Mannes, das Herrn Gotamo eignet. Das sind, Herr, die zweiunddreißig Merkmale eines großen Mannes, mit denen Herr Gotamo begabt ist. Gegenüber diesen im Volksmunde beliebten sagenhaften Merkmalen eines großen Mannes vergl. das Gespräch des Meisters mit Sāriputto, im Samyuttahanikāyo vol. V. p. 158:

»Ein großer Mann, ein großer Mann«, sagt man, o Herr: inwiefern aber ist man, o Herr, ein großer Mann?

Hat man das Herz erlöst, Sariputto, so ist man, sag' ich, ein großer Mann: hat man das Herz nicht erlöst, so ist man es nicht.

Cf. ib., p. 216, wie der greise Meister sich in der Abendsonne wärmt, Anandos Verwunderung, dass der Erhabene nun nicht mehr so stattlich erscheine wie früher, und die Antwort des Herrn:

So ist es, Anando, dass der Jugend Altern, der Gesundheit Siechthum, dem Leben Sterben eignet, und dass nun die Hautfarbe nicht mehr so hell und rein ist, schwächlich die Glieder geworden, mit Falten überzogen sind, vornüber der Körper sich neigt, dass die Sinneswerkzeuge sich abgenutzt haben.

»Im Gange schreitet Herr Gotamo mit dem rechten Fuße voran. Er macht keine zu großen, macht keine zu kleinen Schritte. Er geht nicht zu schnell, geht nicht zu langsam. Beim Gehn stößt er nicht mit den Waden, Lies addhavam, von √rdh. nicht mit den Knöcheln aneinander; er dreht die Schenkel nicht nach oben, nicht nach unten, nicht einwärts, nicht auswärts. Während Herr Gotamo hinschreitet ist sein Körper gerade gerichtet, schwankt nicht, Lies mit dem siam. Texte araddhakayo va na iñjati. tritt nicht mit Leibeswucht auf. Beim Umblicken blickt Herr Gotamo mit dem ganzen Körper um. Er schaut nicht hinauf, er schaut nicht herab, lässt die Blicke nicht hin- und herschweifen, er blickt vier Spannen weit vor sich: Vergl. Naradaparivrajakopanisat III, v. 66: yasya caksur na duragam, caturyugam bhuvam muktva, parivrat sah. so hat er höhere, unbehinderte Wissensklarheit gewonnen.

»Beim Betreten eines Hauses dreht er den Körper nicht nach oben, nicht nach unten, nicht einwärts, nicht auswärts. Nicht zu ferne, nicht zu nahe tritt er an den Stuhl heran, ohne ihn mit der Hand anzufassen nimmt er Platz, er lässt sich nicht jählig nieder. Und hat er im Hause Platz genommen, so macht er keine unnütze Handbewegung, keine unnütze Fußbewegung. Er sitzt da und hat nicht Wade über Wade geschlagen, nicht Knöchel über Knöchel geschlagen, nicht das Kinn in die Hand gestützt. Im Hause hat er sich niedergesetzt und bangt und bebt nicht und zittert und zagt nicht: ohne Bangen und Beben, ohne Zittern und Zagen, frei von Angst, mit Einsicht umgethan, nimmt Herr Gotamo Platz im Hause.

»Nimmt er Wasser in der Almosenschaale entgegen, so dreht er die Schaale nicht nach oben, nicht nach unten, nicht einwärts, nicht auswärts, er lässt sich das Wasser eingießen, nicht zu wenig, nicht zu viel. Er wäscht die Schaale aus ohne zu plätschern, ohne sie umzustülpen, er stellt sie nicht auf den Boden um sich die Hände zu waschen; indem er die Schaale wäscht wäscht er die Hände; indem er die Hände wäscht wäscht er die Schaale. Dann gießt er das Wasser weg, nicht zu ferne, nicht zu nahe, verspritzt es nicht.

»Nimmt er den Reisbrei entgegen, so dreht er die Schaale nicht nach oben, nicht nach unten, nicht einwärts, nicht auswärts, er lässt sich den Reisbrei einfüllen, nicht zu wenig, nicht zu viel. Die Brühe aber nimmt Herr Gotamo nur als Brühe hinzu und taucht den Bissen nicht mehr als nöthig ein. Zwei- bis dreimal lässt Herr Gotamo den Bissen im Munde herumgehn bevor er ihn verschlingt, so dass kein Reiskorn unzerkaut in den Magen gelangt, so dass kein Reiskorn im Munde zurückbleibt: dann nimmt er den nächsten Bissen auf. Den Geschmack empfindet Herr Gotamo indem er die Nahrung einnimmt, aber er genießt ihn nicht. Achtfach ausgezeichnet ist die Nahrung, die Herr Gotamo einnimmt, nicht zur Letzung noch Ergetzung, nicht zur Schmuckheit und Zier, sondern nur um diesen Körper zu erhalten, zu fristen, um Schaden zu verhüten, um ein heiliges Leben führen zu können: ›So werd' ich das frühere Gefühl abtödten und ein neues Gefühl nicht aufkommen lassen, und ich werde ein Fortkommen haben, ohne Tadel bestehn, mich wohl befinden.‹

»Nimmt er, nach dem Mahle, Wasser in der Almosenschaale entgegen, so dreht er die Schaale nicht nach oben, nicht nach unten, nicht einwärts, nicht auswärts, er lässt sich das Wasser eingießen, nicht zu wenig, nicht zu viel. Er wäscht die Schaale aus ohne zu plätschern, ohne sie umzustülpen, er stellt sie nicht auf den Boden um sich die Hände zu waschen; indem er die Schaale wäscht wäscht er die Hände: indem er die Hände wäscht wäscht er die Schaale. Dann gießt er das Wasser weg, nicht zu ferne, nicht zu nahe, verspritzt es nicht. Er stellt die Schaale, wann er gespeist, nicht gleich auf den Boden hin, Lies mit dem siam. Texte so bhuttavî na pattam bhumiyam nikkhipati. nicht zu ferne, nicht zu nahe, er hebt sie nicht unnöthig auf, behält sie auch nicht zu lange.

»Nach dem Mahle sitzt er eine Weile schweigsam da; doch nicht zu lange lässt er sich genügen. Es genügt ihm, dass er gespeist hat; weder tadelt er das Mahl noch verlangt er wiederum: vielmehr ermuntert er nun die Umsitzenden in lehrreichem Gespräche, ermuthigt sie, erregt und erheitert sie. Und hat er die Umsitzenden in lehrreichem Gespräche ermuntert, ermuthigt, erregt und erheitert, so steht er von seinem Sitze auf und geht fort. Er geht nicht zu schnell, geht nicht zu langsam, und geht nicht als ob er sich fortschleichen wollte.

»Und des Herrn Gotamo Gewand ist nicht zu hoch geschürzt und nicht zu tief geschürzt, es liegt am Körper nicht zu knapp und nicht zu lose an; und es wird Herrn Gotamo vom Wind nicht aufgeweht, und nicht bleibt Herrn Gotamo am Körper Staub und Schmutz haften.

»Er sucht den Waldhain auf und sitzt an einem geeigneten Orte nieder. Dann spült er die Füße ab, nicht aber lässt sich Herr Gotamo der Füße Schmuckheit angelegen sein. Hat er die Füße abgespült, so setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht. Er denkt weder zu eigener Beschwer, noch zu des Nächsten Beschwer, noch zu beider Beschwer: sich selber zum Wohle, dem Nächsten zum Wohle, beiden zum Wohle, der ganzen Welt zum Wohle denkend sitzt Herr Gotamo da.

»Er weilt im Waldhaine, und legt den Leuten die Lehre dar, redet ihnen nicht zu, redet ihnen nicht ab, ermuntert sie vielmehr in lehrreichem Gespräche, ermuthigt sie, erregt und erheitert sie. Achtfach ausgezeichnet ist die Stimme, die aus dem Munde des Herrn Gotamo hervorgeht: deutlich und verständlich, angenehm und ansprechend, gebunden, nicht gebrochen, tief und volltönig. Wie da Herr Gotamo in einer Versammlung zu sprechen pflegt, geht der Klang seiner Stimme nicht über die Versammlung hinaus. Und sind die Versammelten von Herrn Gotamo in lehrreichem Gespräche ermuntert, ermuthigt, erregt und erheitert worden, so stehn sie von ihren Sitzen auf und entfernen sich indem sie sich umwenden, nur ungern Abschied nehmen. Lies mit dem siam. Texte avijahantabhavena.

»Gesehn haben wir, Herr, den Herrn Gotamo gehn, gesehn stillestehn, gesehn in das Haus eintreten, Der siam. Text hat richtig addasama antaragharam pavisantam. gesehn im Hause schweigsam sitzen, gesehn im Hause Nahrung einnehmen, gesehn nach dem Mahle schweigsam sitzen, gesehn nach dem Mahle freundlich sein, gesehn zum Waldhaine schreiten, gesehn im Waldhaine schweigsam sitzen, gesehn im Waldhaine den Leuten die Lehre darlegen. Also und also ist er, der Herr Gotamo: und noch mehr als das.«

Als Brahmāyu der Priester diesen Bericht vernommen erhob er sich von seinem Sitze, entblößte eine Schulter, verneigte sich ehrerbietig nach der Richtung wo der Erhabene weilte, und ließ dann dreimal den Gruß ertönen:

»Verehrung dem Erhabenen,
Dem heilig auferwachten Herrn!

»Verehrung dem Erhabenen,
Dem heilig auferwachten Herrn!

»Verehrung dem Erhabenen,
Dem heilig auferwachten Herrn!

»O dass wir doch einmal Gelegenheit hätten, mit Ihm, mit Herrn Gotamo zusammenzutreffen, dass doch irgend eine Unterredung zwischen uns stattfände!«

 

Und der Erhabene zog im Videher-Lande von Ort zu Ort weiter und kam allmälig nach Mithila.

Zu Mithila weilte nun der Erhabene, im Mangohaine Makhadevos.

Und es hörten die brahmanischen Hausleute in Mithila reden: ›Der Asket, wahrlich, Herr Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, wandert in unserem Lande von Ort zu Ort und ist mit vielen Mönchen, einer Schaar von fünfhundert Mönchen in Mithila angekommen, weilt bei Mithila, im Mangohaine Makhadevos. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: ›Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerheerde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Büßern und Priestern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue; er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum dar. Glücklich wer da nun solche Heilige sehn kann!‹‹

Und die brahmanischen Hausleute von Mithila begaben sich nun dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt verneigten sich einige vor dem Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder, andere wechselten höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, einige wieder falteten die Hände gegen den Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, andere wieder gaben beim Erhabenen Namen und Stand zu erkennen und setzten sich zur Seite nieder, und andere setzten sich still zur Seite nieder.

Brahmayu der Priester aber hörte reden: ›Der Asket, wahrlich, Herr Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, ist in Mithila angekommen, weilt bei Mithila, im Mangohaine Makhadevos.‹ Und Brahmayu der Priester begab sich mit einer großen Schaar seiner Schüler zum Mangohaine Makhadevos hin. Da nun gedachte Brahmayu der Priester, nicht ferne vom Mangohain: ›Das steht mir nicht an, dass ich ohne vorher gemeldet zu sein den Asketen Gotamo besuchen ginge.‹ Und Brahmayu der Priester wandte sich an einen seiner Jünger:

»Geh', lieber Knabe, und begieb dich zum Asketen Gotamo hin und wünsche in meinem Namen dem Asketen Gotamo Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein: ›Brahmayu‹, sage, ›o Gotamo, der Priester, wünscht Herrn Gotamo Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein;‹ und füge hinzu: ›Brahmayu, o Gotamo, der Priester, ist alt und greis, hochbetagt, dem Ende nahe, ausgelebt, im hundertzwanzigsten Lebensjahre, ein Meister der drei Veden, sammt ihrer Auslegung und Deutung, sammt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufweist. So viel auch, Herr, der brahmanischen Hausleute zu Mithila wohnen, der Brāhmane Brahmayu gilt unter ihnen als erster was da Reichthum anlangt, der Brāhmane Brahmayu gilt unter ihnen als erster was da Wissen anlangt, der Brāhmane Brahmayu gilt unter ihnen als erster was da Alter und Berühmtheit anlangt. Der möchte Herrn Gotamo aufsuchen.‹«

»Schön, Herr!« entgegnete da gehorsam jener Jünger Brahmāyu dem Priester. Und er begab sich dorthin wo der Erhabene weilte, tauschte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und stellte sich seitwärts hin. Seitwärts stehend sprach nun jener Jünger zum Erhabenen also:

»Brahmāyu, o Gotamo, der Priester, wünscht Herrn Gotamo Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein. Brahmāyu, o Gotamo, der Priester, ist alt und greis, hochbetagt, dem Ende nahe, ausgelebt, im hundertzwanzigsten Lebensjahre, ein Meister der drei Veden, sammt ihrer Auslegung und Deutung, sammt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufweist. So viel auch, Herr, der brāhmanischen Hausleute zu Mithilā wohnen, der Brāhmane Brahmāyu gilt unter ihnen als erster was da Reichthum anlangt, der Brāhmane Brahmāyu gilt unter ihnen als erster was da Wissen anlangt, der Brāhmane Brahmāyu gilt unter ihnen als erster was da Alter und Berühmtheit anlangt. Der möchte Herrn Gotamo aufsuchen.«

»Wie es nun, Knabe, Brahmāyu dem Priester belieben mag.«

Da begab sich denn jener Jünger zu Brahmāyu dem Priester zurück und sprach also zu ihm:

»Angenommen ist der Herr vom Asketen Gotamo: wie es nun dem Herrn belieben mag.«

Und Brahmāyu der Priester begab sich zum Erhabenen hin. Und die Leute dort sahn Brahmāyu den Priester von ferne herankommen, und als sie ihn gesehn machten sie ihm von beiden Seiten Platz, als einem so angesehnen, berühmten Manne. Aber Brahmāyu der Priester sprach also zu ihnen:

»Schon gut, Liebe, bleibt auf eueren Sitzen: ich werde mich hier nahe beim Asketen Gotamo niederlassen.«

Und Brahmāyu der Priester schritt zum Erhabenen hin, wechselte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend gedachte nun Brahmāyu der Priester bei sich: Der siam. Text hat richtig addasāma antaragharam pavisantam. ›Angenommen hat mich der Asket Gotamo: was soll ich wohl den Asketen Gotamo fragen, über ein äußeres Verhältniss oder ein inneres?‹ Und Brahmāyu der Priester sagte zu sich: ›Ich kenne die äußeren Verhältnisse, und die Leute fragen mich bei solchen Dingen um Rath; wie, wenn ich nun den Asketen Gotamo eben um ein inneres Verhältniss befragte?‹ Und Brahmāyu der Priester wandte sich an den Erhabenen mit den Sprüchen:

»Wie kann man wohl ein Priester sein
Und Vedenmeister, sag' es mir,
Drei Wissen, Herr, wie hegt man die,
Und was bedeutet ausgelernt?

»Geheiligt leben, kann man das,
Vollkommensein erkämpfen wie,
Wer ist es, der alleinig west,
Und auferwacht, wen heißt man so?«

Und der Erhabene wandte sich wieder an Brahmāyu den Priester mit den Sprüchen:

»Vergangen Dasein, wer das kennt,
So Unterwelt wie Oberwelt,
Und die Geburten hat versiegt,
Alleinig durch die Dinge schaut,

»Und wer das Herz geläutert weiß,
Von allem Hangen abgelöst,
Geburtenheil und grabesheil,
Asketenhaft vollkommen ist,
Als Überwinder aller Art:
Den Auferwachten heißt man ihn.«

Also beschieden erhob sich Brahmāyu der Priester von seinem Sitze, entblößte eine Schulter, fiel dem Erhabenen zu Füßen und bedeckte des Erhabenen Füße mit Küssen und umschlang sie mit den Händen. Und er nannte seinen Namen:

»Brahmāyu bin ich, o Gotamo, der Priester.«

Da wurden die Umsitzenden durch den außerordentlichen, wunderbaren Vorgang im Innersten getroffen: ›Außerordentlich, o, wunderbar, ach, ist die mächtige Kraft, die mächtige Gewalt des Asketen! Dass da sogar dieser berühmte, gepriesene Priester Brahmāyu eine so hohe Huldigung darbringen mag!‹ Doch der Erhabene wandte sich also an Brahmāyu den Priester:

»Genug, Brāhmane, steh' auf, setze dich wieder hin, da dein Herz mir so zugethan ist.«

Und Brahmāyu der Priester stand auf und setzte sich wieder hin. Und der Erhabene führte nun Brahmāyu den Priester allmälig in das Gespräch ein, sprach erst mit ihm vom Geben, von der Tugend, von säliger Welt, machte des Begehrens Elend, Ungemach, Trübsal, und der Entsagung Vorzüglichkeit offenbar. Als der Erhabene merkte, dass Brahmāyu der Priester im Herzen bereitsam, geschmeidig, unbehindert, aufgerichtet, heiter geworden war, da gab er die Darlegung jener Lehre, die den Erwachten eigenthümlich ist: das Leiden, die Entwicklung, die Auflösung, den Weg.

Gleichwie etwa ein reines Kleid, von Flecken gesäubert, vollkommen die Färbung annehmen mag, ebenso auch ging da Brahmāyu dem Priester, während er noch da saß, das abgeklärte, abgespülte Auge der Wahrheit auf:

›Was irgend auch entstanden ist
Muss alles wieder untergehn.‹

Und Brahmāyu der Priester, der die Wahrheit gesehn, die Wahrheit gefasst, die Wahrheit erkannt, die Wahrheit ergründet hatte, zweifelentronnen, ohne Schwanken, in sich selber gewiss, auf keinen anderen gestützt im Orden des Meisters, der wandte sich nun an den Erhabenen also:

»Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Gotamo, wenn einer Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirrten den Weg wiese, oder Licht in die Finsterniss brächte: ›Wer Augen hat wird die Dinge sehn‹: ebenso auch hat Herr Gotamo die Lehre gar manigfach gezeigt. Und so nehm' ich bei Herrn Gotamo Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu. Und möge mir Herr Gotamo die Bitte gewähren, morgen mit den Mönchen bei mir zu speisen!«

Schweigend gewährte der Erhabene die Bitte.

Als nun Brahmāyu der Priester der Zustimmung des Erhabenen sicher war, stand er von seinem Sitze auf, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig, ging rechts herum und entfernte sich.

Und Brahmāyu der Priester ließ am nächsten Morgen in seiner Behausung ausgewählte feste und flüssige Speise auftragen und sandte einen Boten an den Erhabenen mit der Meldung: ›Es ist Zeit, o Gotamo, das Mahl ist bereit.‹ Und der Erhabene rüstete sich beizeiten, nahm Mantel und Almosenschaale und begab sich zur Wohnung Brahmāyu des Priesters. Dort angekommen nahm der Erhabene mit den Mönchen auf den dargebotenen Sitzen Platz. Und Brahmāyu der Priester bediente und versorgte eigenhändig den Erwachten und seine Jünger eine Woche lang mit ausgewählter fester und flüssiger Speise. Und als die Woche um war zog der Erhabene wieder im Videher-Lande weiter.

Bald aber, nachdem der Erhabene von dannen gezogen, starb Brahmāyu der Priester.

Da begaben sich denn viele Mönche zum Erhabenen hin, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprachen nun diese Mönche zum Erhabenen also:

»Brahmāyu, o Herr, der Priester, ist gestorben. Wo ist er jetzt, was ist aus ihm geworden?«

»Weise, ihr Mönche, ist Brahmāyu der Priester gewesen, nachgefolgt ist er der Lehre gelehrig, und nicht hat er an meiner Belehrung Anstoß genommen. Brahmāyu, ihr Mönche, der Priester, ist nach Vernichtung der fünf niederzerrenden Fesseln emporgestiegen, um von dort aus zu erlöschen, nicht mehr zurückzukehren nach jener Welt.«

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen. Der berühmte Denkspruch vom Entstehn und Untergehn, S. 677, 339, 84, ist später puthujjanagatam, der allerbekannteste Gemeinplatz der indischen Litteratur: überall von Philosophen, Rhapsoden und Dichtern rezipiert, variiert und ausgestaltet; vergl. e.g. Culikopanisat v. 17, 18, Mandukyakarika II, v. 32; Dasakumaracaritam I, 1. Kap., p.6: Jalabudbudasamana virajamana sampattadillateva sahasaivodeti nasyati ca.


 << zurück weiter >>