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80

Achter Theil
Zehnte Rede

Vekhanaso

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anathāpiṇḍikos.

Da nun begab sich Vekhanaso, ein Pilger, dorthin wo der Erhabene weilte, tauschte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und stellte sich seitwärts hin. Seitwärts stehend ließ nun Vekhanaso der Pilger vor dem Erhabenen den Ausspruch vernehmen:

»Das ist der höchste Glanz, das ist der höchste Glanz.«

»Warum denn, Kaccāno, nomen gentile Vekhanasos. – Vekhanaso, von vikhanas, ist offenbar eine ältere Variante zu Vekhānaso. sagst du: ›Das ist der höchste Glanz, das ist der höchste Glanz‹? Was ist das für ein höchster Glanz?«

»Ein Glanz, o Gotamo, über den es keinen größeren und helleren giebt, das ist der höchste Glanz.«

»Und was ist das, Kaccāno, für ein höchster Glanz, über den es keinen größeren und helleren giebt?«

»Jener Glanz, o Gotamo, über den es keinen größeren und helleren giebt, das ist der höchste Glanz.«

»Lange noch kannst du also, Kaccāno, fortfahren, wenn du sagst ›Jener Glanz, o Gotamo, über den es keinen größeren und helleren giebt, das ist der höchste Glanz‹, und diesen Glanz nicht erklärst. Gleichwie etwa, Kaccāno, wenn ein Mann also spräche: ›Ich habe nach ihr, die da im ganzen Lande die Schönste ist, Verlangen, habe Sehnsucht nach ihr‹; und man fragte ihn: ›Lieber Mann, die Schönste des Landes, nach der du verlangst und dich sehnst, kennst du diese, ob es eine Fürstin oder eine Priestertochter, ein Bürgermädchen oder eine Dienerin ist?‹; und er gäbe ›Nein‹ zur Antwort; und man fragte ihn: ›Lieber Mann, die Schönste des Landes, nach der du verlangst und dich sehnst, kennst du diese, weißt du wie sie heißt, wo sie herstammt oder hingehört, ob sie von großer oder von kleiner oder von mittlerer Gestalt ist, ob ihre Hautfarbe schwarz oder braun oder gelb ist, in welchem Dorf oder welcher Burg oder welcher Stadt sie zuhause ist?‹; und er gäbe ›Nein‹ zur Antwort; und man fragte ihn: ›Lieber Mann, die du nicht kennst und nicht siehst, nach der verlangst du, sehnst dich nach ihr?‹; und er gäbe ›Ja‹ zur Antwort; was meinst du wohl, Kaccāno: hätte nun nicht, bei solcher Bewandtniss, jener Mann unbegreifliche Antwort gegeben?«

»Allerdings hätte, o Gotamo, bei solcher Bewandtniss, jener Mann unbegreifliche Antwort gegeben.«

»Ebenso nun auch, Kaccāno, hast du gesagt ›Jener Glanz, o Gotamo, über den es keinen größeren und helleren giebt, das ist der höchste Glanz‹, und hast diesen Glanz nicht erklärt.«

»Gleichwie etwa, o Gotamo, ein Juwel, ein Edelstein, von reinem Wasser, achteckig, wohlbearbeitet, auf lichter Decke liegend leuchtet und funkelt und strahlt, ebenso glänzend ist die Seele, nach dem Tode genesen.«

»Was meinst du wohl, Kaccāno: ein Juwel, ein Edelstein, der von reinem Wasser, achteckig, wohlbearbeitet ist, auf lichter Decke liegend leuchtet und funkelt und strahlt, oder aber ein Glühwurm, ein Leuchtkäfer in dunkler, finsterer Nacht: wer von den beiden hat größeren und helleren Glanz?«

»Ein Glühwurm, o Gotamo, in dunkler, finsterer Nacht, ein Leuchtkäfer, dieser von beiden hat da größeren und helleren Glanz.«

»Was meinst du wohl, Kaccāno: ein Glühwurm in dunkler, finsterer Nacht, ein Leuchtkäfer, oder aber eine Öllampe in dunkler, finsterer Nacht: wer von den beiden hat größeren und helleren Glanz?«

»Eine Öllampe, o Gotamo, in dunkler, finsterer Nacht, diese von beiden hat da größeren und helleren Glanz.«

»Was meinst du wohl, Kaccāno: eine Öllampe in dunkler, finsterer Nacht, oder aber eine mächtige Fackel in dunkler, finsterer Nacht: wer von den beiden hat größeren und helleren Glanz?«

»Eine mächtige Fackel, o Gotamo, in dunkler, finsterer Nacht, diese von beiden hat da größeren und helleren Glanz.«

»Was meinst du wohl, Kaccāno: eine mächtige Fackel in dunkler, finsterer Nacht, oder aber der Morgenstern in dämmernder Frühe, wann die Wolken und Nebel verzogen und verschwunden sind: wer von den beiden hat größeren und helleren Glanz?«

»Der Morgenstern, o Gotamo, in dämmernder Frühe, wann die Wolken und Nebel verzogen und verschwunden sind, dieser von beiden hat da größeren und helleren Glanz.«

»Was meinst du wohl, Kaccāno: der Morgenstern in dämmernder Frühe, wann die Wolken und Nebel verzogen und verschwunden sind, oder aber am Feiertage im halben Monat, wann die Wolken und Nebel verzogen und verschwunden sind, unbeschränkt um Mitternacht der Mond: wer von den beiden hat größeren und helleren Glanz?«

»Der Mond, o Gotamo, am Feiertage im halben Monat, wann die Wolken und Nebel verzogen und verschwunden sind, unbeschränkt um Mitternacht, dieser von beiden hat da größeren und helleren Glanz.«

»Was meinst du wohl, Kaccāno: der Mond am Feiertage im halben Monat, wann die Wolken und Nebel verzogen und verschwunden sind, unbeschränkt um Mitternacht, oder aber im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, wann die Wolken und Nebel verzogen und verschwunden sind, unbeschränkt um Mittag die Sonne: wer von den beiden hat größeren und helleren Glanz?«

»Die Sonne, o Gotamo, im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, wann die Wolken und Nebel verzogen und verschwunden sind, unbeschränkt um Mittag, diese von beiden hat da größeren und helleren Glanz.«

»Nun sind es zwar, Kaccāno, mehr als viele der Götter, deren Licht sich mit dem von Sonne und Mond nicht vergleichen lässt, und ich kenne sie: dennoch aber sag' ich nicht ›Ein Glanz, über den es keinen größeren und helleren giebt‹; während, Kaccāno, du dagegen von jenem Glanze, der dem Glühwurm, dem Leuchtkäfer nachsteht, unterlegen ist, sagst ›Das ist der höchste Glanz‹, und diesen Glanz nicht erklärst. – »Fünf Begehrungen, Kaccāno, giebt es: welche fünf? Die durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Töne, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden. Das sind, Kaccāno, die fünf Begehrungen. Was da, Kacc6#257;no, Wohl und Erwünschtes diesen fünf Begehrungen gemäß geht, das nennt man Begierdengenuss. So kommt von Begierden Begierdengenuss, von Begierdengenuss Begierdenhochgenuss, der da hochgeschätzt wird.«

Auf diese Worte sprach Vekhanaso der Pilger zum Erhabenen also:

»Wunderbar, o Gotamo, außerordentlich ist es, o Gotamo, wie da Herr Gotamo so richtig gesagt hat: ›Von Begierden kommt Begierdengenuss, von Begierdengenuss Begierdenhochgenuss, der da hochgeschätzt wird.‹«

»Schwer wirst du, Kaccāno, dieses verstehn, ohne Deutung, ohne Geduld, ohne Hingabe, ohne Anstrengung, ohne Lenkung, was Begierde und Begierdengenuss und Begierdenhochgenuss ist. Die da, Kaccāno, heilige Mönche, Wahnversieger, Endiger sind, das Werk gewirkt, die Bürde abgelegt, das Heil errungen, die Daseinsfesseln zerstört haben, in vollkommener Weisheit erlöst sind, die mögen es verstehn, was Begierde und Begierdengenuss und Begierdenhochgenuss ist.«

So berichtet wurde Vekhanaso der Pilger unwillig und unzufrieden; und den Erhabenen lästernd und den Erhabenen tadelnd und den Erhabenen warnend – ›Ob wohl der Asket Gotamo vollbracht hat‹ – sprach er also zum Erhabenen:

»Ebenso auch reden da gar manche Asketen und Priester, die vom Anfang nichts wissen, das Ende nicht sehn, und dabei › Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ von sich behaupten: denen gereicht diese Rede nur zum Spotte, zum bloßen Namen, erweist sich ganz eitel und nichtig.«

»Die da, Kaccāno, Asketen und Priester sind, und vom Anfang nichts wissen, das Ende nicht sehn, und dabei ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ von sich behaupten, denen freilich kommt diese Rüge mit Recht zu. Aber, Kaccāno, sei es um den Anfang, sei es um das Ende: willkommen sei mir ein verständiger Mann, kein Häuchler, kein Gleißner, ein gerader Mensch; ich führ' ihn ein, ich lege die Satzung dar. Der Führung folgend wird er in gar kurzer Zeit eben selber merken, selber sehn, dass man also ganz von der Fessel befreit wird, nämlich von der Fessel des Nichtwissens.

»Gleichwie etwa, Kaccāno, wenn ein zarter Knabe, ein unvernünftiger Säugling, mit dem Nacken zufünft in Fesseln eingewickelt, eingeschnürt wäre; und wie er erwüchse und die Sinne sich weiterentwickelten, befreite man ihn von den Fesseln; und ›Frei bin ich‹ merkte er da, und keine Fessel: ebenso nun auch, Kaccāno, sei mir ein verständiger Mann willkommen, kein Häuchler, kein Gleißner, ein gerader Mensch. Ich führ' ihn ein, ich lege die Satzung dar. Der Führung folgend wird er in gar kurzer Zeit eben selber merken, selber sehn, dass man also ganz von der Fessel befreit wird, nämlich von der Fessel des Nichtwissens.«

 

Nach diesen Worten wandte sich Vekhanaso der Pilger also an den Erhabenen:

»Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Als Anhänger möge mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu.« Eine klare Bestätigung der aññadiṭṭhikenādi als karmadhārayās, p. 369, bez. 487 in No. 72, bietet Asokos X. Felsenedikt i. f.: Dukararṃ tu kho etaṃ chudakena va janena usațena va añatra agena parākamena; desgl. das VI. i. f. sowie das I. Säulenedikt, Delhi-Sivalik 1. 3 f. Vergl. ferner das von Rhys Davids kürzlich entdeckte und von Senart besprochene Girnār-Fragment des XIII. Felsenedikts, im Journ. Roy. As. Soc. 1900 p. 535, wo in I.5 añatra-yo-nesa(ṃ) zu lesen ist, d.h., wie Bühlers Kālsī-Version lehrt, añatra-yo (janapado) nesaṃ (nikāyānaṃ yadidaṃ) baṃhmane cā samane cā. – Zur Sache cf. die 70. Rede S. 296, die 95. gegen Ende.


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