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Neunter Theil
Achte Rede

Der Überwurf

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatth6#299;, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṉḍikos.

Da nun begab sich der ehrwürdige Ānando, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schaale versehn, auf den Almosengang nach der Stadt. Als er, von Haus zu Haus tretend, Almosenspeise erhalten, kehrte er zurück, nahm das Mahl ein und machte sich dann auf den Weg nach dem Osthain, zu Mutter Migāros Terrasse, tagüber da zu bleiben.

Um diese Zeit aber zog, früh am Nachmittage, König Pasenadi von Kosalo auf seinem Elephanten Weißer Lotusfürst aus Sāvatth6#299; hinaus. Da sah denn der König den ehrwürdigen Ānando von weitem dahinschreiten. und als er ihn gesehn wandte er sich an seinen Marschall Sirivaḍḍho:

»Ist das nicht, bester Sirivaḍḍho, der ehrwürdige Ānando?«

»Ja, großer König, das ist der ehrwürdige Ānando.«

Da befahl denn der König einem seiner Leute:

»Geh' hin, lieber Mann, zum ehrwürdigen Ānando und bring' ihm zu Füßen meinen Gruß dar: ›Der König‹, sage, ›o Herr, Pasenadi von Kosalo, bringt dem ehrwürdigen Ānando zu Füßen Gruß dar‹; und füge hinzu: ›wenn, o Herr‹, lässt er sagen, ›der ehrwürdige Ānando nicht dringend zu thun hat, möge doch, o Herr, der ehrwürdige Ānando auf eine Weile nähertreten, von Mitleid bewogen.‹«

»Wohl, o König!« entgegnete da gehorsam jener Mann dem Herrscher. Und er eilte zum ehrwürdigen Ānando hin, bot ehrerbietigen Gruß dar und stand zur Seite. Zur Seite stehend sprach er dann also zum ehrwürdigen Ānando:

»Der König, o Herr, Pasenadi von Kosalo, bringt dem ehrwürdigen Ānando zu Füßen Gruß dar; und er lässt sagen: wenn, o Herr, der ehrwürdige Ānando nicht dringend zu thun hat, möge doch, o Herr, der ehrwürdige Ānando auf eine Weile nähertreten, von Mitleid bewogen.«

Schweigend gewährte der ehrwürdige Ānando die Bitte.

Und König Pasenadi von Kosalo zog nun, so weit man auf Elephanten reiten kann, heran; dann stieg er ab und ging zu Fuße dem ehrwürdigen Ānando entgegen, begrüßte ihn ehrerbietig und stellte sich seitwärts. Seitwärts stehend sprach nun König Pasenadi von Kosalo also zum ehrwürdigen Ānando:

»Wenn, o Herr, der ehrwürdige Ānando nicht dringend zu thun hat, war' es schön, o Herr, wenn sich der ehrwürdige Ānando an das Gestade der Aciravatī begeben wollte, von Mitleid bewogen.«

Schweigend gewährte der ehrwürdige Ānando die Bitte.

Und der ehrwürdige Ānando begab sich an das Gestade der Aciravatī und nahm unter einem Baume, auf einem tauglichen Sitze, Platz. Und König Pasenadi von Kosalo zog auf seinem Elephanten heran, so weit man reiten kann; dann stieg er ab und ging zu Fuße zum ehrwürdigen Ānando hin, bot ehrerbietigen Gruß dar und stand seitwärts. Seitwärts stehend sprach nun König Pasenadi von Kosalo also zum ehrwürdigen Ānando:

»Hier, o Herr, möge sich der ehrwürdige Ānando auf die Schabracke hinsetzen!«

»Schon gut, großer König: du setze dich hin; ich bleibe auf meinem Platze.«

Da setzte sich König Pasenadi von Kosalo auf den dargebotenen Sitz. Und er sprach also zum ehrwürdigen Ānando:

»Sagt mir, Herr Ānando: mag wohl Er, der Erhabene, einen Wandel in Werken führen, der ein Ärgerniss wäre für Asketen und Priester, verständige Leute?«

»Nicht mag Er, großer König, der Erhabene, einen Wandel in Werken führen, der ein Ärgerniss wäre für Asketen und Priester, verständige Leute.«

»Und ferner, Herr Ānando: mag wohl Er, der Erhabene, einen Wandel in Worten, einen Wandel in Gedanken führen, der ein Ärgerniss wäre für Asketen und Priester, verständige Leute?«

»Nicht mag Er, großer König, der Erhabene, einen Wandel in Worten, einen Wandel in Gedanken führen, der ein Ärgerniss wäre für Asketen und Priester, verständige Leute.«

»Wunderbar, o Herr, außerordentlich, o Herr! Denn was wir, o Herr, durch die Frage nicht auszudrücken vermochten, das hat, o Herr, der ehrwürdige Ānando durch der Frage Beantwortung ausgedrückt. Die da, o Herr, thörig, unbesonnen, ohne Überlegung, ohne gründliche Prüfung andere loben und andere tadeln, die können wir nicht ernst nehmen: die aber da, o Herr, weise, besonnen, tiefsinnig, nach Überlegung, nach gründlicher Prüfung andere loben und andere tadeln, die können wir ernst nehmen. Was ist das aber, Herr Anando, für ein Wandel in Werken, der ein Ärgerniss ist für Asketen und Priester, verständige Leute?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der unheilsam ist.«

»Was ist aber, o Herr, unheilsamer Wandel in Werken?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der unrecht ist.«

»Was ist aber, o Herr, unrechter Wandel in Werken?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der beschwerhaft ist.«

»Was ist aber, o Herr, beschwerhafter Wandel in Werken?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der Leiden züchtet.«

»Was ist aber, o Herr, ein Wandel in Werken, der Leiden züchtet?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der zu eigener Beschwer, oder zu anderer Beschwer, oder zu beider Beschwer führt, wo da die unheilsamen Dinge sich mehren und die heilsamen Dinge sich mindern: ein Wandel in Werken, großer König, von solcher Art, der ist ein Ärgerniss für Asketen und Priester, verständige Leute.«

»Und was ist es, Herr Ānando, für ein Wandel in Worten, Wandel in Gedanken, der ein Ärgerniss ist für Asketen und Priester, verständige Leute?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der unheilsam ist.«

»Was ist aber, o Herr, unheilsamer Wandel in Worten, in Gedanken?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der unrecht ist.«

»Was ist aber, o Herr, unrechter Wandel in Worten, in Gedanken?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der beschwerhaft ist.«

»Was ist aber, o Herr, beschwerhafter Wandel in Worten, in Gedanken?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der Leiden züchtet.«

»Was ist aber, o Herr, ein Wandel in Worten, in Gedanken, der Leiden züchtet?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der zu eigener Beschwer, oder zu anderer Beschwer, oder zu beider Beschwer führt, wo da die unheilsamen Dinge sich mehren und die heilsamen Dinge sich mindern: ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, von solcher Art, der ist ein Ärgerniss für Asketen und Priester, verständige Leute.«

»Und sagt mir, Herr Ānando: hat Er, der Erhabene, die Verleugnung eben aller unheilsamen Dinge empfohlen?«

»Alle unheilsamen Dinge verleugnet hat, großer König, der Vollendete, die heilsamen Dinge erlangt.«

»Und was ist das, Herr Ānando, für ein Wandel in Werken, der kein Ärgerniss ist für Asketen und Priester, verständige Leute?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der heilsam ist.«

»Was ist aber, o Herr, heilsamer Wandel in Werken?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der nicht unrecht ist.«

»Was ist aber, o Herr, nicht unrechter Wandel in Werken?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der beschwerlos ist.«

»Was ist aber, o Herr, beschwerloser Wandel in Werken?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der Wohl züchtet.«

»Was ist aber, o Herr, ein Wandel in Werken, der Wohl züchtet?«

»Ein Wandel in Werken, großer König, der weder zu eigener Beschwer, noch zu anderer Beschwer, noch zu beider Beschwer führt, wo da die unheilsamen Dinge sich mindern und die heilsamen Dinge sich mehren: ein Wandel in Werken, großer König, von solcher Axt, der ist kein Ärgerniss für Asketen und Priester, verständige Leute.«

»Und was ist es, Herr Ānando, für ein Wandel in Worten, Wandel in Gedanken, der kein Ärgerniss ist für Asketen und Priester, verständige Leute?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der heilsam ist.«

»Was ist aber, o Herr, heilsamer Wandel in Worten, in Gedanken?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der nicht unrecht ist.«

»Was ist aber, o Herr, nicht unrechter Wandel in Worten, in Gedanken?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der beschwerlos ist.«

»Was ist aber, o Herr, beschwerloser Wandel in Worten, in Gedanken?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der Wohl züchtet.«

»Was ist aber, o Herr, ein Wandel in Worten, in Gedanken, der Wohl züchtet?«

»Ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, der weder zu eigener Beschwer, noch zu anderer Beschwer, noch zu beider Beschwer führt, wo da die unheilsamen Dinge sich mindern und die heilsamen Dinge sich mehren: ein Wandel in Worten, in Gedanken, großer König, von solcher Art, der ist kein Ärgerniss für Asketen und Priester, verständige Leute.«

»Und sagt mir noch, Herr Ānando: hat Er, der Erhabene, die Erlangung eben aller heilsamen Dinge empfohlen?«

»Alle unheilsamen Dinge verleugnet hat, großer König, der Vollendete, die heilsamen Dinge erlangt.«

»Wunderbar, o Herr, außerordentlich ist es, wie da, o Herr, der ehrwürdige Ānando so wohl gesprochen hat: diese treffliche Rede, o Herr, des ehrwürdigen Ānando hat uns wirklich erfreut und befriedigt. So erfreut und befriedigt, o Herr, hat uns des ehrwürdigen Ānando treffliche Rede, dass wir, o Herr, wenn dem ehrwürdigen Ānando der beste Elephant genehm wäre, eben den besten Elephanten dem ehrwürdigen Ānando geben möchten; dass wir, o Herr, wenn dem ehrwürdigen Ānando das beste Ross genehm wäre, eben das beste Ross dem ehrwürdigen Anando geben möchten; dass wir, o Herr, wenn dem ehrwürdigen Ānando das reichste Dorf genehm wäre, eben das reichste Dorf dem ehrwürdigen Ānando geben möchten. Aber, o Herr, wir wissen es ja: das ist dem ehrwürdigen Ānando nicht genehm: Da ist mir, o Herr, ein Überwurf von Magadhās König Ajātasattu, dem Sohn der Videherin, in eine Truhe verpackt, zugesandt worden, sechzehn Ellen lang, acht Ellen breit: den möge, o Herr, der ehrwürdige Ānando annehmen, von Mitleid bewogen!«

»Genug, großer König, schon hab' ich mein Dreiwams.«

»Diese Aciravatī, o Herr, liegt dem ehrwürdigen Ānando und uns vor Augen; und wir wissen, wann es oben im Gebirge gewaltig gewittert hat, dann fließt diese Arciravatī über beide Ufer aus: ebenso nun auch, o Herr, wird sich der ehrwürdige Ānando aus diesem Überwurfe ein Dreiwams fertigen, sein bisheriges Dreiwams aber den Ordensbrüdern zuwenden; so wird diese unsere Ehrung gleichsam ein Überfließen sein. Möge, o, Herr, der ehrwürdige Ānando den Überwurf annehmen!«

Da nahm der ehrwürdige Ānando den Überwurf an. Und nun wandte sich König Pasenadi von Kosalo also an den ehrwürdigen Ānando:

»Wohl denn, Herr Ānando, jetzt wollen wir aufbrechen: manche Pflicht wartet unser, manche Obliegenheit.«

»Wie es dir nun, großer König, belieben mag.«

Und König Pasenadi von Kosalo, erfreut und befriedigt durch des ehrwürdigen Ānando Rede, stand von seinem Sitze auf, bot ehrerbietigen Gruß dar, ging rechts herum und entfernte sich.

Da begab sich denn der ehrwürdige Ānando, bald nachdem König Pasenadi von Kosalo gegangen, zum Erhabenen hin, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend erzählte nun der ehrwürdige Ānando das ganze Gespräch mit König Pasenadi von Kosalo Wort für Wort dem Erhabenen; und er reichte den Überwurf dem Erhabenen dar. Und der Erhabene wandte sich an die Mönche:

»Gesegnet, ihr Mönche, ist König Pasenadi von Kosalo, hochgesegnet, ihr Mönche, ist König Pasenadi von Kosalo, dem der Anblick Ānandos gegönnt war und seine Gesellschaft.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen. Ānando wird in der Skulptur, z.B. der von Sārnāth, nicht selten dargestellt, mit Vorliebe in sanfter, trauernder Haltung an der Bahre des entschlafenen Meisters. Das jugendlich schöne, in tiefem Schmerz etwas geneigte Haupt erinnert sogleich an jenen berühmten bartlosen Christuskopf Da Vincis in der Brera zu Mailand. – Es wäre ein verdienstvolles Unternehmen, die besten älteren Skulpturen von rein indischem Typus und Stil, fast sämmtlich noch in Indien theils in situ, theils in Museen, zumal dem von Kalkutta, befindlich, auch dem westlichen Kunstfreunde in sorgfältiger Reproduktion allgemeiner zugänglich zu machen, da bisher auf diesem Gebiete kaum irgend etwas Ernstes geleistet wurde. So ist z.B. das Handbuch zur Berliner buddhistischen Kuriositätensammlung – vom Verfasser Prof. Grünwedel »Buddhistische Kunst in Indien« betitelt – trotz aller fleißigen Arbeit, für die Erkenntniss der wahren, strengen, ursprünglichen indischen, bez. buddhistischen Kunst nahezu werthlos: denn es giebt, mit Ausnahme eines einzigen ächten Kunstwerkes (No. 75 der 2. Aufl.,p. 144), eben nur Proben aus barbarisch entarteten und nur wenig nationalen Kulturepochen oder beschäftigt sich mit tibetisch-mongolischer Miniatur, die allerdings in recht guten Exemplaren vorhanden ist, aber selbstverständlich nicht für buddhistische Kunst in Indien ausgegeben werden darf. Das gilt leider, wie gesagt, auch von anderen, sonst sehr schätzenswerthen archäologischen Arbeiten.


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