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55

Sechster Theil
Fünfte Rede

Jīvako

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, im Mangohaine Jīvakos, des Hofarztes. komārabhacco, kaumārabhṛtyas, ist wohl insbesondere der Titel des Arztes im rājorodho. Der Kommentar, d.i. Vinayapiṭakam vol. I. p.269, trägt, wie gewöhnlich, Legenden vor.

Da nun begab sich Jīvako der Hofarzt zum Erhabenen hin, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Jīvako der Hofarzt also zum Erhabenen:

»Gehört hab' ich solches, o Herr: ›Um des Asketen Gotamo willen rauben sie das Leben, und der Asket Gotamo nimmt wissentlich das eigens für ihn bereitete Fleisch an!‹ Die da solches, o Herr, gesagt haben, haben die wirklich, o Herr, des Erhabenen Worte gebraucht und den Erhabenen nicht mit Unrecht angeführt und der Lehre gemäß geredet, so dass sich kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen kann?«

»Die da, Jīvako, solches gesagt haben: ›Um des Asketen Gotamo willen rauben sie das Leben, und der Asket Gotamo nimmt wissentlich das eigens für ihn bereitete Fleisch an‹, die haben nicht meine Worte gebraucht und haben mich also ohne Grund und mit Unrecht angeführt. Drei Fälle giebt es, Jīvako, wo ich sage, Fleisch ist nicht zu nehmen: besehn, gehört, vermuthet. Das sind, Jīvako, die drei Fälle, wo ich sage, Fleisch ist nicht zu nehmen. Drei Fälle giebt es, Jīvako, wo ich sage, Fleisch ist zu nehmen: unbesehn, ungehört, unvermuthet. Das sind, Jīvako, die drei Fälle, wo ich sage, Fleisch ist zu nehmen.

»Da lebt, Jīvako, ein Mönch in der Umgebung eines Dorfes oder einer Stadt. Liebevollen Gemüthes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüthe, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Und es sucht ihn ein Hausvater auf, oder der Sohn eines Hausvaters, und bittet ihn, am nächsten Tage bei ihm zu speisen. Mag eben der Mönch es, Jīvako, annehmen, so sagt er zu. Und am nächsten Morgen, zeitig gerüstet, nimmt er Mantel und Schaale und begiebt sich dorthin wo jener Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, wohnt. Dort angekommen nimmt er auf dem dargebotenen Sitze Platz. Und es bedient ihn der Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters mit ausgewählter Almosenspeise. Da denkt er nicht: ›Schön, wahrlich, ist es von diesem Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, mich mit ausgewählter Almosenspeise zu bewirthen: ach wenn mich doch dieser Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, auch fernerhin mit ebensolcher ausgewählter Almosenspeise bewirthen möchte!‹: also etwa denkt er nicht. Er nimmt diese Almosenbissen unverlockt, unverblendet, nicht hingerissen, das Elend sehend, der Entrinnung eingedenk, ein. Was meinst du wohl, Hausvater: hat etwa da der Mönch bei dieser Gelegenheit eigene Verletzung im Sinne, oder hat er anderer Verletzung im Sinne, oder hat er beider Verletzung im Sinne?«

»Das nicht, o Herr!«

»Nimmt also, Jīvako, nicht der Mönch bei dieser Gelegenheit eben untadelhafte Nahrung ein?«

»Allerdings, o Herr! – Reden hab' ich gehört, o Herr: ›Brahmā ist liebevoll.‹ Dafür hab' ich, o Herr, den Erhabenen bürgen sehn: denn der Erhabene, o Herr, ist liebevoll.«

»Jene Gier, Jīvako, jener Hass, jener Wahn, wo Verderben in den Sinn käme, solche Gier, solcher Hass, solcher Wahn ist vom Vollendeten verleugnet, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, ausgerodet worden, kann sich ferner nicht mehr entwickeln. Wenn deine Worte, Jīvako, das gemeint haben, geb' ich es dir zu.«

»Eben das, freilich, o Herr, haben meine Worte gemeint.«

»Da lebt, Jīvako, ein Mönch in der Umgebung eines Dorfes oder einer Stadt. Erbarmenden Gemüthes, freudevollen Gemüthes, unbewegten Gemüthes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüthe, mit freudevollem Gemüthe, mit unbewegtem Gemüthe, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Und es sucht ihn ein Hausvater auf, oder der Sohn eines Hausvaters, und bittet ihn, am nächsten Tage bei ihm zu speisen. Mag eben der Mönch es, Jīvako, annehmen, so sagt er zu. Und am nächsten Morgen, zeitig gerüstet, nimmt er Mantel und Schaale und begiebt sich dorthin wo jener Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, wohnt. Dort angekommen nimmt er auf dem dargebotenen Sitze Platz. Und es bedient ihn der Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, mit ausgewählter Almosenspeise. Da denkt er nicht: ›Schön, wahrlich, ist es von diesem Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, mich mit ausgewählter Almosenspeise zu bewirthen: ach wenn mich doch dieser Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, auch fernerhin mit ebensolcher ausgewählter Almosenspeise bewirthen möchte!‹: also etwa denkt er nicht. Er nimmt diese Almosenbissen unverlockt, unverblendet, nicht hingerissen, das Elend sehend, der Entrinnung eingedenk, ein. Was meinst du wohl, Hausvater: hat etwa da der Mönch bei dieser Gelegenheit eigene Verletzung im Sinne, oder hat er anderer Verletzung im Sinne, oder hat er beider Verletzung im Sinne?«

»Das nicht, o Herr!«

»Nimmt also, Jīvako, nicht der Mönch bei dieser Gelegenheit eben untadelhafte Nahrung ein?«

»Allerdings, o Herr! – Reden hab' ich gehört, o Herr: ›Brahmā ist unbewegt.› Dafür hab' ich, o Herr, den Erhabenen bürgen sehn: denn der Erhabene, o Herr, ist unbewegt.«

»Jene Gier, Jīvako, jener Hass, jener Wahn, wo Wuth, wo Unlust, wo Widerstreit in den Sinn käme, solche Gier, solcher Hass, solcher Wahn ist vom Vollendeten verleugnet, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, ausgerodet worden, kann sich ferner nicht mehr entwickeln. Wenn deine Worte, Jīvako, das gemeint haben, geb' ich es dir zu.«

»Eben das, freilich, o Herr, haben meine Worte gemeint.«

»Wer da, Jīvako, um des Vollendeten oder Vollendeten Jüngers willen das Leben raubt, der erwirbt zu fünf Malen schwere Schuld. Weil er da also befiehlt ›Geht hin und bringt jenes Thier dort herbei!‹, darum erwirbt er zum ersten Mal schwere Schuld. Weil dann das Thier, zitternd und zagend herbeigeführt, Schmerz und Quaal empfindet, darum erwirbt er zum zweiten Mal schwere Schuld. Weil er dann spricht: ›Geht hin und tödtet dieses Thier!‹, darum erwirbt er zum dritten Mal schwere Schuld. Weil dann das Thier im Tode Schmerz und Quaal empfindet, darum erwirbt er zum vierten Mal schwere Schuld. Weil er dann den Vollendeten oder des Vollendeten Jünger ungebührend laben lässt, darum erwirbt er zum fünften Mal schwere Schuld,

Wer da, Jīvako, um des Vollendeten oder Vollendeten Jüngers willen das Leben raubt, der erwirbt zu diesen fünf Malen schwere Schuld.«

Nach diesen Worten sprach Jīvako der Hofarzt also zum Erhabenen:

»Wunderbar, o Herr, außerordentlich, o Herr! Gebührende Nahrung, wahrlich, o Herr, nehmen die Mönche ein, untadelhafte Nahrung, wahrlich, o Herr, nehmen die Mönche ein. – Vortrefflich, o Herr, vortrefflich, o Herr! Als Anhänger möge mich der Erhabene betrachten, von heute an zeitlebens getreu.« Die Schlussfolgerung dieser Rede ist bei Manus V. 51 in den Spruch zusammengefasst:

Anumantā viśasitā
nihantā krayavikrayī
samskartā copahartā ca
khādakaśceti ghātakāḥ.

Die Lehre vom brahmavihāro, von der J6#299;vako hat reden hören und hier Bürgschaft gesehn, wird nahezu gleichlautend von Āpastambas gepriesen, Dharmasūtram, 1, 8, 23, 1:

Ātmanpaśyansarvabhūtāni
na muhyeccintayankaviḥ:
ātmānaṃ caiva sarvatra yaḥ paśyet
sa vai Brahmā nākapṛ ṣṭhe virājati.


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