W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

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Wien, 21. März 1785.

Hochschätzbarster Herr geheimer Rat!

Ich habe sehr gefehlt, ich muß es bekennen, daß ich Ihnen nicht gleich den richtigen Empfang Ihres Briefes und mitgeschickten Pakets gemeldet habe; daß ich in der Zwischenzeit zwei Briefe von Ihnen noch sollte erhalten haben, ist nicht deme also; ich würde auf den ersten sogleich aus dem Schlaf geweckt worden sein und Ihnen geantwortet haben, wie ich es itzt tue. Ich bekam Ihre zwei Briefe letzten Posttag miteinander; ich habe schon selbst bekennt, daß ich hierinne gefehlt habe, daß ich Ihnen nicht gleich geantwortet habe. Was aber die Opera anbelanget, würde ich Ihnen damals ebensowenig darüber haben schreiben können als itzt. Lieber Herr geheimer Rat! Ich habe die Hände so voll zu tun, daß ich fast keine Minute finde, die ich für mich anwenden könnte. Als ein Mann von so großer Einsicht und Erfahrung wissen Sie selbst besser als ich, daß man so was mit aller möglichen Aufmerksamkeit und Überlegung nicht einmal, sondern vielmal überlesen muß. Bisher hatte noch nicht Zeit, es einmal ohne Unterbrechung zu lesen. Alles was ich dermalen sagen kann, ist, daß ich es noch nicht aus Handen geben möchte; ich bitte Sie also, mir dies Stück noch auf einige Zeit anzuvertrauen. Im Falle es mir Lust machen sollte, es in Musik zu setzen, so wünschte doch vorher zu wissen, ob es eigentlich an einem Orte zur Aufführung bestimmt seie. Dann so ein Werk verdiente sowohl von seiten der Poesie als Musik nicht umsonst gemacht zu sein. Ich hoffe mir über diesen Punkt eine Erläuterung von Ihnen.

Nachrichten, die zukünftige teutsche Singbühne betreffend, kann ich Ihnen noch dermalen keine geben, da es dermalen noch (das Bauen in dem dazu bestimmten Kärntnertortheater ausgenommen) sehr stille hergehet. Sie soll mit Anfangs Oktober eröffnet werden. Ich meinesteils verspreche ihr nicht viel Glück. Nach den bereits gemachten Anstalten sucht man in der Tat mehr die bereits, vielleicht nur auf einige Zeit gefallene teutsche Opera gänzlich zu stürzen, als ihr wieder emporzuhelfen und sie zu erhalten. Meine Schwägerin Lange nur allein darf zum teutschen Singspiele. Die Cavalieri, Adamberger, Teyber, lauter Teutsche, worauf Teutschland stolz sein darf, müssen beim welschen Theater bleiben, müssen gegen ihre eigenen Landsleute kämpfen! Die teutschen Sänger und Sängerinnen dermalen sind leicht zu zählen. Und sollte es auch wirklich so gute als die benannten, ja auch noch bessere geben, daran ich doch sehr zweifle, so scheint mir die hiesige Theaterdirektion zu ökonomisch und zu wenig patriotisch zu denken, um mit schwerem Geld Fremde kommen zu lassen, die sie hier im Orte besser, wenigstens gleich gut und umsonst hat. Dann die welsche Trupp braucht ihrer nicht, was die Anzahl betrifft; sie kann für sich alleine spielen. Die Idee dermalen ist, sich bei der teutschen Opera mit Akteurs und Aktricen zu behelfen, die nur zur Not singen. Zum größten Unglück sind die Direkteurs des Theaters sowohl als des Orchesters beibehalten worden, welche sowohl durch ihre Unwissenheit als Untätigkeit das meiste dazu beigetragen haben, ihr eigenes Werk fallen zu machen. Wäre nur ein einziger Patriot mit am Brette, es sollte ein anderes Gesicht bekommen! Doch da würde vielleicht das so schön aufkeimende Nationaltheater zur Blüte gedeihen, und das wäre ja ein ewiger Schandfleck für Teutschland, wenn wir Teutsche einmal mit Ernst anfingen, teutsch zu denken, teutsch zu handeln, teutsch zu reden und gar teutsch – zu singen !!! Nehmen Sie nur nicht übel, mein bester Herr geheimer Rat, wenn ich in meinem Eifer vielleicht zuweit gegangen bin. Gänzlich überzeugt, mit einem teutschen Manne zu reden, ließ ich meiner Zunge freien Lauf, welches dermalen leider so selten geschehen darf, daß man sich nach solch einer Herzensergießung kecklich einen Rausch trinken dörfte, ohne Gefahr zu laufen, seine Gesundheit zu verderben ...


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