W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

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München, 24. November 1780.

... Wegen der Geschichte vom Mara will ich sie Ihnen ganz erzählen. Warum ich Ihnen nie etwas davon schrieb, ist Ursach, weil ich mir dachte, wissen Sie nichts davon, werden Sie es schon hier selbst hören, und wissen Sie was, so ist es allzeit Zeit, Ihnen die ganze Wahrheit davon zu schreiben, dann vermutlich wird man wohl was dazugemacht haben; wenigstens hier in der Stadt hat man sie auf gar vielerlei Art erzählt. Ich kann es aber am besten wissen, weil ich zugegen war und folglich bei der ganzen Affäre Zuseher und Zuhörer war. Als die erste Sinfonie vorbei war, traf es Madame Mara zu singen. Da sah ich ihren Herrn Gemahl hinter ihr mit einem Violoncell in der Hand herschleichen; ich glaubte, es wird eine mit einem Violoncell obligate Aria sein. Der alte Danzi, ein sehr guter Akkompagnateur, ist erster Violoncellist hier. Auf einmal sagt der alte Toeschi (auch Direktor, der aber in dem Moment, wenn Cannnbich da ist, nichts zu befehlen hat) zum Danzi ( NB. seinem Schwiegersohn): »Steh Er auf und laß Er den Mara hersitzen.« Als dies Cannabich hört und sieht, schreit er: »Danzi, bleiben Sie sitzen! der Kurfürst sieht gerne, wenn seine Leute akkompagnieren.« Darauf ging die Aria an, Giovanni Mara stunde wie ein armer Sünder mit dem Baßel in der Hand hinter seiner Frau. Als sie in den Saal eintraten, waren sie mir beide schon ohnerträglich, dann so was Freches hat man nicht bald gesehen; Sie werden in der Folge davon überzeugt sein. Die Aria hatte einen zweiten Teil, die Madame Mara fand es nicht für gut, das Orchester vorher zu avisieren, sondern ging mit ihrer angebornen air d'effronterie unter dem letzten Ritornell herab, um den hohen Herrschaften ihr Kompliment zu machen. Unterdessen fing ihr Mann mit dem Cannabich an. Alles kann ich nicht schreiben, es würde zu lang; mit einem Wort, er beschimpfte das Orchester, den Charakter des Cannabich. Natürlicherweise war Cannabich aufgebracht, kriegte ihn am Arm und sagte: »Hier ist der Platz nicht, Ihnen zu antworten.« Mara wollte noch reden, er drohte ihm aber, wenn er nicht schwiege, ihn hinausführen zu lassen. Alles war über die Impertinenz des Mara aufgebracht. Unterdessen war ein Konzert, vom Ramm, da gingen die zwei lieben Eheleute zum Grafen Seeau klagen: sie fanden aber auch da, wie bei allen Leuten, daß sie unrecht hatten. Endlich beging die Madame Mara die Sottise, selbst zum Kurfürsten deswegen hinabzugehen, und ihr Mann sagte unterdessen ganz stolz: »Meine Frau klagt itzt eben beim Kurfürsten, das wird dem Cannabich sein Unglück sein, es tut mir leid.« Er wurde aber ganz herrlich darüber ausgelacht. Der Kurfürst antwortete auf die Klage der Madame Mara: »Madame, Sie haben wie ein Engel gesungen, obwohlen Ihnen Ihr Mann nicht akkompagniert hat«; und als sie ihre Klage poussieren wollte, sagte er: »Ja, das geht mich nichts an, sondern Graf Seeau.« Als sie sahen, daß da nichts zu machen war, so gingen sie weiter, obwohlen sie noch zwei Arien zu singen hatte. Das heißt auf deutsch den Kurfürsten affrontieren, und ich weiß gewiß, wenn nicht der Erzherzog und viele andere Fremde dagewesen wären, nam würde ihnen ganz anders begegnet sein; aber auf diese Art war dem Graf Seeau bange, schickte ihnen gleich nach, und sie kamen wieder zurück. Sie sang ihre zwei Arien, ohne von ihrem Mann akkompagniert zu sein. Bei der letzten, ich glaube immer, daß es Herr Mara mit Fleiß getan, gingen ( NB. nur in der Abschrift, wo Cannabich spielte) drei Täkte ab. Als dieses kam, hielt Mara dem Cannabich den Arm, dieser fand sich gleich, schlug aber mit dem Bogen auf das Pult und schrie laut: »Hier ist alles gefehlt!« Wie die Aria aus war, sagte er: »Herr Mara, ich will Ihnen einen Rat geben, lassen Sie es Ihnen gesagt sein, halten Sie keinem Direktor von einem Orchester den Arm, dann Sie können sich sonst immer auf ein halb Dutzend Ohrfeigen Rechnung machen.« Maras Ton war aber nun schon ganz herabgestimmt, er bat um Verzeihung, entschuldigte sich aufs beste. Das Schändlichste bei der ganzen Affäre war, daß Mara (ein elender Violoncellist, wie alles hier sagt) gar sich nicht bei Hof hätte hören lassen, wenn nicht Cannabich gewesen wäre, der sich darum Mühe gegeben hat. In der ersten Akademie, da ich noch nicht hier war, spielte er Konzert, akkompagnierte seiner Frau, setzte sich, ohne weder dem Danzi noch jemand was zu sagen, an Danzi seinen Platz, das ließ man so hingehen. Der Kurfürst war mit seinem Akkompagnement gar nicht zufrieden, sagte, er sehe lieber, daß seine Leute akkompagnierten. Cannabich, der das wußte, sagte es dem Grafen, bevor die Akademie anfing, er könne wohl auf der andern Seite mitspielen, aber Danzi muß auch spielen; und als Mara kam, sagte er es ihm, und doch beging er diese Impertinenz. Wenn Sie sie kennen sollten, diese zwei Leute, man sieht ihnen den Stolz, Grobheit und wahre Effronterie im Gesichte an...


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