W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

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Paris, 12. Juni 1778.

... Nun muß ich doch auch Ihnen von unserm Raaff etwas schreiben. Sie werden sich ohne Zweifel erinnern, daß ich von Mannheim aus gar nicht zu gut von ihm geschrieben habe, daß ich mit seinem Singen nicht zufrieden war, enfin, daß er mir halt gar nicht gefallen hat. Das war aber die Ursach, weil ich ihn zu Mannheim sozusagen gar nicht gehört hatte; ich hörte ihn das erste Mal in der Prob von Holzbauers Günther. Da war er nun in seinen eigenen Kleidern, den Hut auf dem Kopf und einen Stock in der Hand. Wenn er nicht sang, so stund er da wie das Kind beim Dreck. Wie er das erste Rezitativ zu singen anfing, so gings ganz passabel, aber dann und wann tat er einen Schrei, der mir nicht gefiel. Die Arien sang er so gewiß faul und oft einige Töne mit zuviel Geist, das war meine Sache nicht. Das ist eine Gewohnheit, die er allzeit gehabt hat, die vielleicht die Bernacchische Schule mit sich bringt; dann er ist ein Schüler vom Bernacchi. Bei Hof hat er allzeit Arien gesungen, die ihm meiner Meinung nach gar nicht angestanden, weil er mir gar nicht gefallen hat. Hier endlich, als er im Consert spirituel debutierte, sang er die Szene vom Bach Non sò d'onde viene, welches ohnedem meine Favoritsache ist, und da habe ich ihn das erste Mal singen gehört; er hat mir gefallen, das ist in dieser Art zu singen, aber die Art an sich selbst, die Bernacchische Schule, die ist nicht nach meinem Gusto. Er macht mir zu viel ins Cantabile. Ich lasse zu, daß er, als er jünger und in seinem Flor war, seinen Effekt wird gemacht haben, daß er wird surpreniert haben; mir gefällts auch, aber mir ists zuviel, mir kömmts oft lächerlich vor. Was mir an ihm gefällt, ist, wenn er so kleine Sachen singt, so gewisse Andantino, wie er auch so gewisse Arien hat; da hat er so seine eigene Art. Jeder an seinem Ort. Ich stelle mir vor, daß seine Hauptforce war die Bravura, welches man auch noch an ihm bemerkt, so wie es sein Alter zuläßt, eine gute Brust und langer Atem, und dann diese Andantino. Seine Stimme ist schön und sehr angenehm; wenn ich so die Augen zumache, wenn ich ihn höre, so finde ich an ihm viel Gleiches mit dem Meißner, nur daß mir Raaffs Stimme noch angenehmer vorkömmt. Ich rede von jetzt, dann ich habe beide nicht in ihrer guten Zeit gehört; ich kann also von nichts als von der Art oder Methode zu singen reden, dann diese bleibt bei den Sängern. Meißner hat, wie Sie wissen, die üble Gewohnheit, daß er oft mit Fleiß mit der Stimme zittert, ganze Viertel, ja oft gar Achtel in aushaltender Note markiert, und das habe ich an ihm nie leiden können. Das ist auch wirklich abscheulich, das ist völlig ganz wider die Natur zu singen. Die Menschenstimme zittert schon selbst, aber so, in einem solchen Grade, daß es schön ist, das ist die Natur der Stimme. Man machts ihr auch nicht allein auf den Blasinstrumenten, sondern auch auf den Geigeninstrumenten nach, ja sogar auf den Klavieren. Sobald man aber über die Schranken geht, so ist es nicht mehr schön, weil es wider die Natur ist. Da kömmts mir just vor wie auf der Orgel, wenn der Blasbalg stößt ...


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