W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

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Paris, 14. Mai 1778.

... Ich glaube, ich habe Ihnen schon im letzten Brief geschrieben, daß der Duc de Guines, dessen Tochter meine Skolarin in der Komposition ist, unvergleichlich die Flöte spielt, und sie magnifique die Harfe; sie hat sehr viel Talent und Genie, besonders ein ohnvergleichliches Gedächtnis, indem sie alle ihre Stücke, deren sie wirklich zweihundert kann, auswendig spielt; sie zweifelt aber stark, ob sie auch Genie zur Komposition hat, besonders wegen Gedanken, Ideen. Ihren Vater aber (der, unter uns gesagt, ein bißchen zu sehr in sie verliebt ist) sagt, sie habe ganz gewiß Ideen, es seie nur Blödigkeit, sie habe nur zu wenig Vertrauen auf sich selbst. Nun müssen wir sehen. Wenn sie keine Ideen oder Gedanken bekömmt (dann itzt hat sie wirklich gar keine), so ist es umsonst, dann ich kann ihr, weiß Gott, keine geben. Die Intention vom Vater ist, keine große Komponistin aus ihr zu machen. »Sie soll«, sagte er, »keine Opera, keine Arien, keine Konzerte, keine Sinfonien, sondern nur große Sonaten für ihr Instrument und für meines schreiben.« Heute habe ich ihr die vierte Lektion gegeben, und was die Regeln der Komposition und das Setzen anbelangt, so bin ich so ziemlich mit ihr zufrieden. Sie hat mir zu dem ersten Menuett, den ich ihr aufgesetzt, ganz gut den Baß dazu gemacht; nun fängt sie schon an dreistimmig zu schreiben. Es geht, aber sie ennuyiert sich gleich; aber ich kann ihr nicht helfen, ich kann ohnmöglich weiterschreiten, es ist zu früh, wenn auch wirklich das Genie da wäre. So aber ist leider keines da, man wird alles mit Kunst tun müssen. Sie hat gar keine Gedanken, es kömmt nichts, ich habe es auf alle mögliche Art mit ihr probiert. Unter anderm kam mir auch in Sinn, einen ganz simplen Menuett aufzuschreiben und zu versuchen, ob sie nicht eine Variation darüber machen könnte. Ja, das war umsonst. Nun, dachte ich, sie weiß halt nicht, wie und was sie anfangen soll. Ich fing also nur den ersten Takt an zu variieren und sagte ihr, sie solle so fortfahren und bei der Idee bleiben; das ging endlich so ziemlich. Wie das fertig war, so sprach ich zu ihr, sie möchte doch selbst etwas anfangen, nur die erste Stimme, eine Melodie. Ja, sie besann sich eine ganze Viertelstund, und es kam nichts. Da schrieb ich also vier Täkte von einem Menuett und sagte zu ihr: »Sehen Sie, was ich für ein Esel bin: itzt fange ich einen Menuett an und kann nicht einmal den ersten Teil zu Ende bringen; haben Sie doch die Güte und machen Sie ihn aus.« Da glaubte sie, das wäre ohnmöglich. Endlich mit vieler Mühe kam etwas an Tag; ich war doch froh, daß einmal etwas kam. Dann mußte sie den Menuett ganz ausmachen, das heißt nur die erste Stimme. Über Haus aber habe ich ihr nichts anders anbefohlen als meine vier Täkte zu verändern und von ihr etwas zu machen, einen andern Anfang zu erfinden, wenns schon die nämliche Harmonie ist, wenn nur die Melodie anderst ist. Nun werde ich morgen sehen, was es ist. ...


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