W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Mannheim, 4. November 1777.

... Ich bin alle Tage bei Cannabich. Heut ist auch meine Mama mit mir hingegangen. Er ist ganz ein andrer Mann, als er vorher war; es sagt es auch das ganze Orchester. Er ist sehr für mich eingenommen. Er hat eine Tochter, die ganz artig Klavier spielt, und damit ich ihn mir recht zum Freunde mache, so arbeite ich jetzt an einer Sonata für seine Mademoiselle Tochter, welche schon bis auf das Rondeau fertig ist. Ich habe, wie ich das erste Allegro und Andante geendiget hatte, selbe hingebracht und gespielt; der Papa kann sich nicht vorstellen, was die Sonate für einen Beifall hat. Es waren einige von der Musik just dort, der junge Danner, ein Waldhornist Lang und der Hautboist, dessen Namen ich nicht mehr weiß, welcher aber recht gut bläst und einen hübschen seinen Ton hat. Ich habe ihm ein Präsent mit dem Hautboiskonzert gemacht; es wird im Zimmer bei Cannabich abgeschrieben. Der Mensch ist närrisch für Freude; ich habe ihm das Konzert heut auf dem Pianoforte beim Cannabich vorgespielt, und obwohlen man wußte, daß es von mir ist, so gefiele es doch sehr. Kein Mensch sagte, daß es nicht gut gesetzt seie, weil es die Leute hier nicht verstehen; sie sollen nur den Erzbischof fragen, der wird sie gleich auf den rechten Weg bringen. Heute habe ich alle meine sechs Sonaten beim Cannabich gespielt. Herr Kapellmeister Holzbauer hat mich heut selbst zum Herrn Intendant Graf Savioli geführt. Cannabich war just dort. Herr Holzbauer sagte auf welsch zum Grafen, daß ich möchte die Gnade haben, mich bei S. Kurfürstlichen Durchlaucht hören zu lassen. »Ich bin schon vor fünfzehn Jahren hier gewesen; ich war dort sieben Jahr alt, aber nun bin ich älter und größer geworden, und so auch in der Musik.« – »Ah,« sagte der Graf, »das ist der –«; was weiß ich, für wen er mich hielt. Da nahm aber gleich der Cannabich das Wort, ich stellte mich aber, als wenn ich es nicht hörte, ließ mich mit andern in Diskurs ein. Ich merkte aber, daß er ihm mit einer ernsthaften Miene von mir sprach. Der Graf sagte dann zu mir: »Ich höre, daß Sie so ganz passabel Klavier spielen?« Ich machte eine Verbeugung ...

Die Welschen sind hier jetzt miserabel angeschrieben; sie haben nur zwei Kastraten hier und die sind schon alt. Man läßt sie halt absterben. Der Sopranist möchte schon auch lieber den Alt singen; er kann nicht mehr hinauf. Die etliche Buben, die sie haben, sind elendig. Die Tenor und Baß wie bei uns die Totensinger. Der Herr Vizekapellmeister Vogler, der neulich das Amt machte, ist ein öder musikalischer Spaßmacher, ein Mensch, der sich recht viel einbildet und nicht viel kann. Das ganze Orchester mag ihn nicht. Heut aber, als Sonntag, habe ich eine Messe vom Holzbauer gehört, die schon sechsundzwanzig Jahr alt ist und aber recht gut ist. Er schreibt sehr gut, einen guten Kirchenstil, einen guten Satz der Vokalstimmen, und Instrumenten und gute Fugen. Zwei Organisten haben sie hier, wo es der Mühe wert wäre, eigenst nach Mannheim zu reisen. Ich habe Gelegenheit gehabt, sie recht zu hören; dann hier ist es nicht üblich, daß man ein Benedictus macht, sondern der Organist muß dort allzeit spielen. Das erstemal habe ich den zweiten gehört und das andertemal den ersten. Ich schätze aber nach meiner Meinung den zweiten noch mehr als den ersten. Denn wie ich ihn gehört habe, so fragte ich: »Wer ist der, welcher die Orgel schlägt?« – »Unser zweiter Organist.« Er schlagte miserabel. Wie ich den andern hörte: »Wer ist denn der?«

– »Unser erster.« Der schlagte noch miserabler. Ich glaub, wenn man sie zusammenstößte, so würde noch was Schlechters herauskommen. Es ist zum Totlachen, diesen Herren zuzusehen. Der zweite ist bei der Orgel wie das Kind beim Dreck; man sieht ihm seine Kunst schon im Gesichte an. Der erste hat doch Brillen auf. Ich bin zur Orgel hingestanden und habe ihm zugesehen in der Absicht, ihm etwas abzulernen; er hebt die Hände bei einer jeden Note in alle Höhe auf. Was aber seine Force ist, ist, daß er sechsstimmig spielt, meistenteils aber quintstimmig und oktavstimmig! Er läßt auch oft für Spaß die rechte Hand aus und spielt mit der linken ganz allein; mit einem Worte, er kann machen, was er will, er ist völlig Herr über seine Orgel...


 << zurück weiter >>