W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

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Mannheim, 19. Februar 1778.

... Ich habe mir nie etwas anders vorgestellt, als daß Sie die Reise mit den Weberischen mißbilligen werden; dann ich habe es niemal, bei unsern dermaligen Umständen verstehts sich, im Sinn gehabt. Aber ich habe mein Ehrenwort gegeben, an Ihnen das zu schreiben. Herr Weber weiß nicht, wie wir stehen; ich sag es gewiß niemand. Weil ich also gewünscht habe, in solchen Umständen zu sein, daß ich auf niemand zu denken hätte, daß wir alle recht gut stünden, so vergaß ich in dieser Berauschung die gegenwärtige Ohnmöglichkeit der Sache und mithin auch, Ihnen das zu melden, was ich itzt getan habe. Die Ursachen, daß ich nicht nach Paris bin, werden Sie genugsam in den letzten zwo Briefen vernommen haben. Wenn nicht meine Mutter selbst davon angefangen hätte, so wäre ich gewiß mitgereist. Nachdem ich aber merkte, daß sie es nicht gern sieht, so sah ich es auch nicht mehr gern; dann sobald man mir nicht trauet, so traue ich mir selbst nicht mehr. Die Zeiten, wo ich Ihnen auf dem Sessel stehend das orangna fiagata fà sang und Sie am Ende auf das Nasenspitzel küßte, sind freilich vorbei; aber hat dessentwegen meine Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam gegen Sie abgenommen? Mehr sage ich nicht. Was Sie mir wegen der kleinen Sängerin in München vorwerfen, muß ich bekennen, daß ich ein Esel war, so eine derbe Lüge an Sie zu schreiben. Sie weiß ja gar noch nicht, was Singen heißt. Das ist wahr, daß für eine Person, die erst drei Monat die Musik gelernt, sie ganz fürtrefflich sang; und überdas hatte sie eine sehr angenehme, reine Stimme. Die Ursach, warum ich sie so lobte, mag wohl gewesen sein, weil ich von früh morgens bis nachts nichts hörte als: »Es gibt keine bessere Sängerin in ganz Europa; wer diese nicht gehört hat, der hat nichts gehört.« Ich getrauete mir nicht recht zu widersprechen, teils weil ich mir gute Freund machen wollte, teils weil ich schnurgerade von Salzburg herkam, wo man einem das Widersprechen abgewöhnt. Sobald ich aber allein war, so mußte ich von Herzen lachen. Warum lachte ich doch auch nicht in Ihrem Brief? Das begreife ich nicht ...

Was Sie wegen der Mademoiselle Weber schreiben, ist alles wahr, und wie ich es geschrieben habe, so wußte ich so gut wie Sie, daß sie noch zu jung ist und daß sie Aktion braucht und vorher öfter auf dem Theater rezitieren muß. Allein mit gewissen Leuten muß man öfters nach und nach weiterschreiten. Die guten Leute sind es müde, hier zu sein wie – Sie wissen schon wer und wo. Mithin glauben sie, es seie alles tunlich. Ich habe ihnen versprochen, alles an meinen Vater zu schreiben. Unterdessen als der Brief nach Salzburg lief, sagte ich schon immer, sie soll doch noch ein wenig Geduld haben, sie seie noch ein bißchen zu jung usw. Von mir nehmen sie auch alles an, dann sie halten viel auf mich. Itzt hat auch der Vater auf mein Anraten mit der Madame Toscani (Komödiantin) geredet, damit sie seine Tochter in der Aktion instruiert. Es ist alles wahr, was Sie von der Weberin geschrieben haben, ausgenommen eins nicht, nämlich, daß sie wie eine Gabrielli singt; dann das wäre mir gar nicht lieb, wenn sie so sänge. Wer die Gabrielli gehört hat, sagt und wird sagen, daß sie nichts als eine Passagen- und Rouladenmacherin war; und weil sie sie aber auf eine so besondere Art ausdrückte, verdiente sie Bewunderung, welche aber nicht länger dauerte, als bis sie das vierte Mal sang. Dann sie konnte in die Länge nicht gefallen: der Passagen ist man bald müde, und sie hatte das Unglück, daß sie nicht singen konnte. Sie war nicht imstande, eine ganze Note gehörig auszuhalten, sie hatte keine messa di voce, sie wußte nicht zu soutenieren, mit einem Wort, sie sang mit Kunst, aber mit keinem Verstand. Diese aber singt zum Herzen und singt am liebsten cantabile. Ich habe sie erst durch die große Aria an die Passagen gebracht, weil es notwendig ist, wenn sie in Italien kömmt, daß sie Bravourarien singt. Das Cantabile vergißt sie gewiß nicht, dann das ist ihr natürlicher Hang. Der Raaff hat selbst (der gewiß nicht schmeichelt) gesagt, als er um seine aufrichtige Meinung gefragt wurde: »Sie hat nicht wie eine Skolarin, sondern wie eine Professora gesungen.« ...


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