Eduard Mörike
Maler Nolten
Eduard Mörike

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Mittagszeit war da, die Mädchen angekleidet und Nolten bereit, mit ihnen zu gehen. Eine Tochter des Präsidenten empfing sie auf das artigste, und nach einiger Zeit erschien der Vater; außerdem kam niemand von der Familie zum Vorschein. Die Frau, mit dreien andern Kindern, einem ältern Sohne und zwei Töchtern, wurde erst heute abend vom Lande erwartet, und zwar, wie man überall wußte, nur um ihren Aufenthalt wieder auf einige Monate mit dem Gemahl zu wechseln.

Während der Präsident sich, bis man zu Tische ging, eifrig mit dem Maler unterhielt, gesellte sich Margot zu den beiden Frauenzimmern. Sie war immer der Liebling des Vaters gewesen und bildete, weil es ihrer innersten Natur widersprach, ausschließende Partei zu nehmen, eine Art von leichtem Mittelglied zwischen den zwei getrennten Teilen.

Es war serviert, man setzte sich. Für jetzt betraf die Unterhaltung nur Dinge von allgemeinerem Interesse. Ein zartes Einverständnis der Gemüter schloß von selbst den Gegenstand geweihter Trauer für diese Stunde aus. Dagegen war der Augenblick, wo endlich das Gefühl sein Recht erhielt, einem jeden desto inniger willkommen. Wir sind genötigt, hier so manches bemerkenswerte Wort der wechselseitigen Aufklärung über die Eigentümlichkeit und allmähliche Verkümmerung von Larkens' Wesen zu übergehen, und erzählen dafür mit den eignen Worten des Präsidenten, auf welche Art er zur Bekanntschaft des Schauspielers gelangte.

»Vor einem Vierteljahr machte die hiesige Bühne den bis daher in Deutschland noch nicht erhörten Versuch, Ludwig Tiecks Lustspiele aufzuführen. Die Idee war von dem berühmten S*** ausgegangen, welcher als Gast hier einige Monate spielte und für jenes enthusiastische Projekt weniger die Intendanz, als vielmehr die höheren Privatzirkel des gebildeten Publikums, denen er Vorlesungen hielt, zu elektrisieren wußte. Nach einer sehr gründlichen Vorbereitung unserer Akteurs, und nachdem er durch eine Reihe anderer, gewohnter Vorstellungen sich vorweg das Zutrauen sämtlicher Theaterliebhaber im höchsten Grade gewonnen hatte, ward endlich ›Die verkehrte Welt‹ angekündigt. Die wenigen, welche diese geistvolle Dichtung kannten und schätzten, wollten freilich voraussehn, daß bei der Stumpfsinnigkeit, nicht nur der Menge, auf die man im voraus verzichtete, sondern der sogenannten Gebildeten, die schöne Absicht im ganzen verunglücken müsse; ja S*** selbst soll dies vorhergesehen haben, und man glaubt, er habe diesmal teils auf Kosten des großen Publikums, teils seines eigenen Rufs, einer Privatvorliebe zu viel nachgegeben. Auf der andern Seite ist seine Uneigennützigkeit zu bewundern, da ihm offenbar mehr daran lag, das Genie des Dichters vor den Einsichtsvollen zu verherrlichen, als ihn zur Folie seiner persönlichen Kunst zu gebrauchen. Da inzwischen auch die Eingeweihten das mögliche taten, um eine allgemeine Erwartung zu erregen, den Philistern eins anzuhängen und ihnen die Köpfe im voraus zu verrücken, so versprachen sich diese, vom Titel des Stückes verführt, ein recht handgreifliches Spektakelstück und alles ging glücklich in die Falle. Die Aufführung, ich darf es sagen, war meisterhaft. Aber Gott verzeihe mir, noch heute, wenn ich an den Eindruck denke, weiß ich mich nicht zu fassen. Diese Gesichter, unten und auf den Galerien, hätten Sie sehen müssen! Tieck selbst würde die Physiognomie des Haufens, als mitspielender Person, neben den unter die Zuschauer verteilten Rollen, sich nicht köstlicher haben denken können. Diese unwillkürliche Selbstpersiflage, dies fünf- und zehnfach reflektierte Spiegelbild der Ironie beschreibt kein Mensch. In meiner Loge befand sich der Legationsrat U., einer der wärmsten Verehrer Tiecks; wir sprachen und lachten nach Herzenslust während eines langen Zwischenakts (denn eine ganze Viertelstunde lang war der Direktor in Verzweiflung, ob er weiterspielen lasse oder aufhöre). Während dieses tollen Tumultes nun, während dieses Summens, Zischens, Bravorufens und Pochens hörten wir neben uns, nur durch ein dünnes Drahtgitter getrennt, eine Stimme ungemein lebhaft auf jemanden losschwatzen: ›O sehn Sie doch nur um Gottes willen da aufs Parterre hinunter! und dort! und hier! der Spott hüpft wie aus einem Sieb ein Heer von Flöhen an allen Ecken und Enden hin und her – Jeder reibt sich die Augen, klar zu sehen, jeder will dem Nachbar den Floh aus dem Ohre ziehen und von der andern Seite springen ihm sechse hinein – Immer ärger! – ein Teufel hat alle Köpfe verdreht – es ist wie ein Traum auf dem Blocksberg – es wandelt alles im Schlaf – Herrn und Damen bekomplimentieren sich, im Hemde voreinander stehend, glauben sich auf der Assemblee, sagen: ›Waren Sie gestern auch in der verkehrten Welt? Gottlob nun wäre man doch wieder bei sich selbst‹ usw. – Der alte Geck dort aus der Kanzlei, o vortrefflich! bietet einer muntern Blondine seine Bonbonniere mit großmächtigen Reichssiegeloblaten an und versichert, sie wären sehr gut gegen Vapeurs und Beängstigungen. Hier – sehn Sie doch, gerade unterm Kronleuchter – steht ein Ladendiener vor einem Fräulein und lispelt: ›Gros de Naples-Band? Sogleich. Wieviel Ellen befehlen Sie wohl?‹ Er greift an sein Ohr, zieht es in eine erstaunliche Länge, mißt ein Stück und schneidet's ab. Aber bemerken Sie nicht den Inkroyable am dritten Pfeiler vom Orchester an? wie er sich langsam über die Stirne fährt und auf einmal den Poeten embrassiert: ›O Freund! ich habe schön geträumt diese Nacht! Ich habe ein winzig kleines Spieldöschen gehabt, das ich hier, schaun Sie, hier in meinen hohlen Zahn legte, ich durfte nur ein wenig darauf beißen und die ganze Zauberflöte, sag ich Ihnen, die ganze Oper von Wolfgang Amadeus Mozart, spielte drei Stunden en suite fort. Eine Dame, die neben mir stand, behauptete, es wäre ja Rataplan, der kleine Tambour, was ich spiele – Himmel! sagt ich, ich kenne ja doch die Bären und die Affen und diese heilgen Hallen! O göttlich war's – Nein! – Aber da drüben, ich bitte Sie – –‹ ›Erlauben Sie‹, unterbrach hier eine tiefe Baßstimme die Rede des Schalks mitten im Fluß, ›erlauben Sie, mein lustiger, unbekannter Herr, daß ich endlich frage: wollen Sie mich foppen, oder wollen sie andere ehrliche Leute mit diesem Unsinn foppen?‹ ›Ach ganz und gar nicht‹, war die Antwort, ›keins von beiden, ich bitte tausendmal um Vergebung – Aber was ist denn unserm Herrn Nachbar da zugestoßen? der weint ja erschrecklich – Mit Erlaubnis, haben Sie den Wadenkrampf?‹ – In diesem Augenblick öffnet sich unser Gitter, ein langes weinerliches Gesicht beugt sich herein mit den erbärmlichen Worten: ›Ach, liebe Herren, ist es denn nicht möglich, daß ich durch Ihre Loge hinaus, fort aus diesem Narrenhaus, ins Freie kommen könnte? Oder wenn das nicht ist – so sein Sie so gütig – nur eine kleine Bitte – Wie heißt denn das Indigo Perfektum von obstupesco, ich bin betäubt, verwirrt, bin ein Mondskalb geworden? das Perfektum Indikativi wollt ich sagen – O lachen Sie nicht – ich bin der unglückseligste Mann, bin seit einiger Zeit am hiesigen Lyzeo Präzeptor der lateinischen Sprache, habe mir's recht sauer werden lassen – auch hatte es bis jetzt keine Gefahr, man war mit mir zufrieden – allein seit einer halben Stunde, bei dem verkehrten verfluchten Zeug da – ich weiß nicht – mein Gedächtnis – die gemeinsten Wörter – ich mache von Minute zu Minute eine Probe mit mir, examino memoriam meam – es ist mir, wie wenn mein Schulsack ein Löchlein, rimulam, bekommen hätte, zuerst nur ein ganz geringes, aber es wird immer größer, ich kann schon mit der Faust – o entsetzlich! es rinnt mir schockweise alles bei den Stiefeln hinaus, praeceps fertur omnis eruditio, quasi ein Nachlaß der Natur – o himmelschreiend, in einer halben Stunde bin ich rein ausgebeutelt, bin meinem schlechtesten Trivialschüler gleich – Lassen Sie mich hinaus, hinaus! ich sprenge die Verzäunung –‹

Ich und der Legationsrat kamen ganz außer uns. Der Mensch aber, empört durch unser Lachen, schlug uns das Gitter vor der Nase zu und wir sahen ihn eine ganze Weile nicht wieder. Wir glaubten anfangs, es wäre etwa eine komische Figur aus dem Lustspiele, der Legationsrat schwur scherzend, gar Tieck selber müsse es gewesen sein. Indessen ging der letzte Aufzug an und ging gleich den ersten herrlich vorüber. Der Vorhang fiel. Das alterierte Publikum drängte sich murrend und drohend nach den Türen, einige wollten auf der Stelle Rechenschaft haben. ›Sieh da!‹ rief der Legationsrat mir zu, ›ein Beispiel, ein erstes und letztes für ganz Deutschland, ein Wahrzeichen für alle Direktionen, welche auf Sinn und guten Geschmack bei uns rechnen!‹ Plötzlich antwortete eine ganz gelassene Stimme am Gitter mit den Worten Cäsars: ›Pro ostento non ducendum, si pecudi cor defuit.‹ Und zugleich streckte sich wieder jenes Präzeptorsgesicht herein, aber ohne die vorige Grimasse und daher fast kaum mehr zu erkennen. ›Glauben Sie mir, meine Herren (denn ich habe mich unterdessen erholt und ein wunderbares Licht ging mir auf) dieses Stück wird vergöttert werden bei unsern Landsleuten, und die Direktionen können für solche Abende das Entree getrost auf das Dreifache steigern, um den Pöbel zu verschmerzen. Denken Sie an mich. Ihr Diener.‹ Während er das sagte, glaubte ich mich dunkel zu erinnern, daß mir dieses Gesicht nicht zum erstenmal begegne, ich wollte ihn schnell anreden, aber wie weggeblasen war er unter dem Gewühl. Ich und mein guter U., nachdem wir von unserm Erstaunen einigermaßen zurückgekommen waren, beschlossen, diesen Mann, wenn er sich anders hier aufhalte, was zu bezweifeln war, auszukundschaften, es koste was es wolle. Umsonst sahn wir uns auf den Treppen, an den Ausgängen überall um, fragten die Personen, denen er zunächst gesessen, niemand wußte von ihm. Nach acht Tagen dacht ich nicht mehr an den Vorfall und hielt den Unbekannten für einen Auswärtigen. – Ich befinde mich eines Morgens mit mehreren Bekannten auf dem Kaffeehause. Im Auf- und Abgehen klopf ich meine Zigarre am offenen Fenster aus und werfe zufällig einen Blick auf die Straße; ein Handwerker mit Brettern unterm Arm geht hart am Hause vorüber, meine Asche kann ihn getroffen haben, kurz, er schaut rasch auf und bietet mir das ganze Gesicht entgegen, mit einem Ausdruck, mit einer Beugung des Körpers, wie ich das in meinem Leben nur von einem Menschen gesehen hatte, und – genug, in diesem Momente wußt ich auch, wer er sei: der Komiker, den ich vor fünf Jahren im Geizigen des Molière bewunderte, Larkens. Unverzüglich schickt ich ihm nach, ohne mir gegen irgend jemand das geringste merken zu lassen. Er kam, in der Meinung, man verlange seine Dienste als Handwerker, ich ging ihm entgegen und ließ ihn in ein leeres Zimmer treten. Es gab nun, wie man denken kann, eine sehr sonderbare Unterredung, von welcher ich nur sage, daß ich mich ungewisser stellte als ich war, nur entfernt von großer Ähnlichkeit mit einem früheren Bekannten sprach, um ihm auf den Fall er sein Geheimnis lieber bewahren wollte, den Vorteil der Verleugnung ohne weiteres zu lassen. Hier aber erkannte man nun erst den wahren Meister! Eine solche köstliche Zunftmiene, so eine rechtfertige Zähheit – kein Flamänder malt diesen Ausdruck mit solcher Wahrheit. Man glaubte einen Burschen zu sehen, auf dessen Stirne sich bereits die Behaglichkeit zeichne, womit er am ruhigen Abend beim Bierkrug und schlechten Tabak den Auftritt seinen Kameraden auftischen wollte, nachdem er ihre Neugierde durch etwas unnötig längeres Feuerschlagen gehörig zu schärfen für dienlich erachtet. Wie hätte ich nun nach allem diesen es noch übers Herz bringen können, dem unvergleichlichen Mann sein Spiel zu verderben oder länger in ihn zu dringen? Ich entließ ihn also, konnte aber freilich nicht ganz ohne lachenden Mund mein: ›Adieu, guter Freund, und nehm Er's nicht übel!‹ hervorbringen. Er sah mir's um die Lippen zucken, kehrte sich unter der Tür noch einmal um und sagte im liebenswürdigsten Ton: ›Ich sehe wohl, der Schulmeister von neulich hat mir einen Streich gespielt, ich bitte, Euer Exz. mögen diese meine gegenwärtige Figur noch zur verkehrten Welt schlagen. Dürft ich aber vollends hoffen, daß dieser Auftritt unter uns bliebe, so würde ich Ew. Exz. sehr verpflichtet sein, und Sie haben hiemit mein Ehrenwort, daß mein Geheimnis ohne das mindeste Arge ist; aber für jetzt liegt mir alles dran, das zu scheinen, was ich lieber gar sein möchte.‹ Jetzt nahm ich länger keinen Anstand, ihn bei seinem Namen herzlich willkommen zu heißen. Da er natürlich geniert war, in seinem gegenwärtigen Aufzuge einen Diskurs fortzusetzen, und doch mein Interesse ihm nicht entging, so hieß er mich Zeit und Ort bestimmen, wo wir uns gelegener sprechen könnten, und so verabschiedete er sich mit einem unwillkürlichen Anstande, der ihm selbst in diesen Kleidern trefflich ließ.

Um mir nun die ganze sonderbare Erscheinung einigermaßen zu erklären, lag freilich der Gedanke am nächsten, es habe dem Künstler gefallen, die niedrige Natur eine Zeitlang an der Quelle selbst zu studieren, wiewohl derselbe Zweck gewiß auf andre Art bequemer zu erreichen war. Als wir kurz nachher auf meinem Gute zusammenkamen, schien er mich auch wirklich auf meinem Glauben lassen zu wollen; doch dachte er zu redlich, um nicht die wahre Absicht, deren er sich vielleicht schämen mochte, wenigstens als ein Nebenmotiv bemerklich zu machen, und da überdies eine hypochondrische Seite in seinem Gespräche mehrmals anklang, so erriet ich leicht, daß dies wohl der einzige Beweggrund sein müsse. Ich vermied natürlich von nun an die Materie gerne, aber auffallend war es mir, daß Larkens, wenn ich das Gespräch auf Kunst und dergleichen hinlenkte, nur einen zerstreuten und beinahe erzwungenen Anteil zeigte. Er zog praktische oder ökonomische Gegenstände, auch die unbedeutendsten, jedesmal vor. Mit wahrer Freude untersuchte er meine Baumschule und jede Art von Feldwerkzeug, zugleich suchte er sich beim Gärtner über all diese Dinge gelegentlich zu unterrichten und gab mitunter die sinnreichsten Vorteile an, die ihm weder Handbuch noch Erfahrung, sondern nur sein glücklicher Blick gezeigt haben kann. Übrigens waren unserer Zusammenkünfte leider nicht mehr als drei; vor sechs Tagen speiste er das letzte Mal bei mir.«

Der Präsident war fertig. Eine tiefe Wehmut war auf alle Gesichter ausgegossen und keins wollte reden. Hatte man während dieser Erzählung, wenigstens in der Mitte derselben, nur das rege Bild eines Mannes vor sich gehabt, welcher, obgleich nicht im reinsten und glücklichsten Sinne, doch durch die feurige Art, wie er die höchsten Glanzerscheinungen des Lebens und der Kunst in sich aufnehmen konnte, mit Leib und Seele dieser Welt anzugehören schien, und konnte man also auf Augenblicke völlig vergessen, es sei hier von einem Verstorbenen die Rede, so überfiel nun der Gedanke, daß man in wenig Stunden werde seinen Sarg in die Erde senken sehen, alle Gemüter mit einer unerträglichen Pein, mit einer ganz eigenen Angst, und unsern Freund durchdrang ein nie gefühlter brennender Schmerz der ungeduldigsten Sehnsucht. Sekundenlang konnte er sich einbilden, sogleich werde die Türe sich auftun, es werde jemand hereinkommen, mit freundlichem Gesicht erklären, es sei alles ein Irrtum, Larkens komme frisch, und gesund unverzüglich hieher. Aber ach! kein Wunder gibt es und keine Allmacht, um Geschehenes ungeschehen zu machen.

Der Präsident trat stille auf Theobald zu, legte die Hand auf seine Schulter und sprach: »Mein Lieber! es ist nun Zeit, daß ich eine Bitte, eine rechte Herzensbitte an Sie bringe, mit der ich seit gestern abend umgehe und welche Sie mir ja nicht abschlagen müssen. Bleiben Sie einige Tage bei uns. Es ist uns beiden unerläßliches Bedürfnis, des teuren Freundes Gedächtnis eine Zeitlang miteinander zu tragen und zu feiern. Wir werden, indem wir uns beruhigen, auch seinen Geist mit sich selber zu versöhnen glauben. Wir müssen, wenn ich so sprechen darf, dem Boden, welchem er seine unglückliche Asche aufdrang, die fromme Weihe erst erteilen, damit diese Erde den Fremdling mütterlich einschließen könne. Wenn Sie uns verlassen haben, so ist hier keine Seele außer mir, die Ihren Larkens kennte und schätzte wie er es verdient, und doch sollen zum wenigsten stets ihrer zwei beisammen sein, um das Andenken eines Abgeschiedenen zu heiligen. Ja, geben Sie meiner Bitte nach, überlegen Sie nicht – Ihre Hand! Morgen reisen wir alle aufs Gut und wollen, traurig und froh, eines dem andern sein was wir können.«

Nolten ließ den in Tränen schimmernden Blick freundlich auf Agnesen hinübergleiten, die denn, zum Zeichen was sie denke, mit Innigkeit die Hand Margots ergriff, welch letztere, diese Meinung liebreich zu erwidern, sich alsbald gegen beide Mädchen hinbeugte und sie küßte.

»Wer könnte hier noch länger widerstehn!« rief Nolten aus. »Ihre Güte, teurer Mann, ist fast zu groß für mich, ich nehme sie aber, wenn auch nur schüchtern, im Namen unseres Toten an. – Unsere Reise, meine guten Kinder«, setzte er gegen die Seinigen hinzu, »insofern sie dem Vergnügen gelten sollte, war ich seit gestern ohnehin entschlossen abzukürzen, ich wollte ungesäumt dem Orte unseres künftigen Bleibens und meiner Pflicht entgegengehn. Unvermutet hat sich uns nun eine dritte Aussicht eröffnet, die selbst mit ihrer schmerzlichen Bedeutung bei weitem den schönsten Genuß und die lieblichste Zuflucht verspricht.«


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