Eduard Mörike
Maler Nolten
Eduard Mörike

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Den andern Morgen, noch ehe Agnes aufgestanden war, erzählte er die gestrige Szene dem Vater, den er schon wider Erwarten milde gestimmt fand. Der Alte gestand ihm, daß bald nachdem er die beiden verlassen, er etwas Ähnliches, wo nicht noch Schlimmeres, zu befürchten angefangen habe, und seine Heftigkeit bereue. Es bleibe nichts übrig, als man gebe nach; daß sie aber am Ende nicht auch die Reise verweigere, müsse man ja vorbauen. – »Laß uns Frieden schließen!« sagte er beim Frühstück zu der Tochter und bot ihr die Wange zum Kuß; »ich habe mir den Handel überschlafen, und es soll dir noch so hingehn; man muß eben auf einen Vorwand denken, wegen der Leute. Aber soviel merk ich schon«, setzte er scherzhaft gegen den Schwiegersohn hinzu, »der Pantoffel steht Ihnen gut an, von der Bösen da.« Die Böse schämte sich ein wenig, und der Zwist war vergessen. Zu der Reise ließ sie sich willig finden und mit den Vorbereitungen ward noch heute der Anfang gemacht. Zur erheiternden Begleitung wollte man unterwegs Nannetten, Theobalds jüngste Schwester, aufnehmen, die er ohnedies vorderhand zu sich zu nehmen entschlossen war.

 

Nunmehr überspringen wir einen Zeitraum von wenigen Wochen, in denen der Wagen unsrer beiden Liebenden schon eine gute Strecke weit auf landfremden Wegen fortgerollt sein mag. Man war um zwei muntere Augen vermehrt und in der Tat um so viel reicher geworden. Denn wenn das Glück eines Paares, welchem vergönnt ist, auf unabhängige und bequeme Weise ein größeres Stück Welt miteinander zu sehen, schon an sich für den seligsten Gipfel des mit zarten Sorgen und Freuden so vielfach durchflochtenen Brautstandes mit Recht gehalten wird, so gewinnt diese glückliche Zweiheit gar sehr an herzinnigem Reiz durch das Hinzutreten einer engbefreundeten jüngern Person, deren lebendige, mehr nach außen gerichtete Aufmerksamkeit den beiden die vorüberfliegende Welt in erhöhter Wirklichkeit zuführt, und jene wortlose Beschaulichkeit, worein Liebende in solcher Lage sich sonst so gerne einwiegen lassen, immer wieder wohltätig aufschüttelt. Eine solche Ableitung nun war unserm Paare um so nötiger, als gewisse schwere Stoffe auf dem Grunde der Gemüter, sowenig man es einander eingestand, sich anfangs nicht sogleich zerteilen wollten. Diesen Vorteil aber gewährte Nannettens Gegenwart vollkommen. Sowohl im Gefährte, wo sie sich mit Konrad, dem Kutscher, einem treuherzigen Burschen aus Neuburg, gleich auf den lustigsten Fuß zu setzen wußte, als in den Gasthöfen, wo sie die Eigenheiten der Fremden genau zu beobachten, auf alle Gespräche zu horchen und die Merkwürdigkeiten einer Stadt immer zuerst auszukundschaften pflegte – überall zeigte sie eine rasche und praktische Beweglichkeit, und wo man hinkam, erwarb sie sich durch ein ansprechendes Äußere, durch ihren naiven und schnellen Verstand die charmantesten Lobsprüche. – Das Wetter, das in den ersten Tagen meist Regen brachte, hatte sich gefaßt und versprach beständig zu bleiben. So langte man eines Abends ganz wohlgemut in einer ehemaligen Reichsstadt an, wo übernachtet werden mußte. Unsere Gesellschaft war in dem besten Gasthofe untergebracht, und während diese sich auf ihre Weise gütlich tut, möge der Leser es nicht verschmähen, auf kurze Zeit an einer entfernten Trinkgesellschaft aus der niedern Volksklasse teilzunehmen. Konrad hofft seine Rechnung dort besser als an jedem andern Orte zu finden; man hat ihn auf ein großes Brauereigebäude, den Kapuzinerkeller, neugierig gemacht und er wird uns den Weg dahin zeigen.

Es lag der genannte Keller in einem ziemlich düstern und schmutzigen Winkel der Altstadt und bildete den Schluß einer Sackgasse, die meist von Küfern, Gerbern und dergleichen bewohnt war. Konrad sitzt in dem vordern allgemeinen Trinkzimmer, hart an der offnen Tür einer Nebenstube, der er seine ganze Aufmerksamkeit schenkt. Dort hat nämlich ein Zirkel von fünf bis sechs regelmäßigen Gästen seinen Tisch, dessen schmale Seite von einem breitschultrigen Manne mit pockennarbigem Gesicht besetzt ist, einem aufgeweckten und, wie es scheint, etwas verwilderten Burschen. Aus seinen kleinen schwarzen Augen blitzte die helle Spottlustigkeit, eine zu allerlei Sprüngen und Possen aufgelegte Einbildungskraft. Er trug seine Scherze übrigens mit trockener Miene vor, und machte die Seele der Gesellschaft aus. Man nannte ihn den Büchsenmacher, auch wohl Stelzfuß, denn er hatte ein hölzernes Bein. Zwei Mann unter ihm saß ein Mensch von etwa sechsunddreißig Jahren. Es war keine besonders feine Beobachtungsgabe nötig, um in dieser Gestalt, diesem Kopfe etwas Bedeutenderes und durchaus Edleres zu entdecken, als man sonst in einem solchen Kreis erwarten würde. Ein schmales, ziemlich verwittertes und tiefgefurchtes Gesicht, das unstete feurige Auge, eine leidenschaftliche Hast in den anständigen Bewegungen zeugten offenbar von ungewöhnlichen Stürmen, die der Mann im Leben mochte erfahren haben. Er sprach wenig, sah meist zerstreut vor sich nieder, und doch, je nachdem ihm die Laune ankam, konnte er an Einfällen den Stelzfuß sogar überbieten, nur daß dies immer auf eine feinere Weise geschah, und ohne sich das geringste zu vergeben. Alle betrachteten ihn mit auffallender Distinktion, ja mit einer gewissen Scheu, obgleich er nur Joseph, der Tischler, hieß. Ihm gegenüber hatte ein jüngerer Geselle, namens Perse, ein Goldarbeiter, sein Glas stehen. Es war der einzige, mit dem Joseph auch außerhalb dem Wirtshaus einigen Umgang pflegen mochte. Von den übrigen wüßten wir nichts weiter zu sagen, als daß es aufgeweckte Leute und ehrbare Handwerker waren.

»Mir fehlt heut etwas«, sagte der Büchsenmacher, »ich weiß nicht was. Ich hab das Licht nun schon viermal hintereinander geputzt, in der Meinung, derweil ein frisches Trumm in meinem Kopf zu finden, denn euer einerlei Geschwätz da von Meistern, Kunden, Herrschaften ist mir ganz und gar zum Ekel; ich weiß von diesem Quark lange nichts mehr und will vorderhand auch nichts davon hören. Die Lichtputze noch einmal! und jetzt was Neues, ihr Herrn! Mir schnurrt eine Grille im Oberhaus. Es wäre nicht übel, der Mensch hätte für seinen Kopf, wenn der Docht zu lang wird, auch so eine Gattung Instrumente oder Vorrichtung am Ohr, um sich wieder einen frischen Gedankenansatz zu geben. Zwar hat man mir schon in der Schule versichert, daß seit Erfindung der Ohrfeigen in diesem Punkte nichts mehr zu wünschen übrig sei; das mag vielleicht für junge Köpfe gelten, aber ich bin bald vierzig; nur in diesem köstlichen Öl, ich meine diesen goldnen Trank aus Malz und Hopfen, find ich ein kleines Surrogat für –«

»Spaß beiseit!« rief Perse ihn unterbrechend, »ich kann mir überhaupt nicht denken, Lörmer, wie dir's nur eine Stunde wohl sein mag bei dem unnützen Leben, das du in den zwei Monaten führst, seit du Hamburg verlassen hast. Bei Gott, ich wollt dich schon mehrmals auf dies Kapitel bringen und dir zureden, denn mich dauert's in der Seele, wenn sie davon erzählen, wie du ein geschickter Arbeiter gewesen, wie du Grütz und Gaben hättest, dich den ersten Meistern in deinem Fache gleichzustellen und dein Glück zu machen auf Zeitlebens – und nun! sich hier auf die faule Haut legen, höchstens um Taglohn für Hungersterben da und dort ein Stück Arbeit annehmen in einer fremden Werkstatt und dich schlecht bezahlen lassen für gute Ware, wie sie dem Geübtesten nicht aus der Hand geht! Heißt das aber nicht gesündigt an dir selber? ist das nicht himmelschreiend?«

Der Angeredete schaute verwundert auf über diese unerwartete Lektion und lauerte einigermaßen beschämt nach Joseph hinüber, als wollte er dessen Gedanken belauschen: aber dieser traf ihn mit einem finstern, bedeutungsvollen Blick, wobei sich die übrigen allerlei zu denken schienen.

»Was?« nahm der Perse wieder das Wort, »will dem Kerl niemand die Wahrheit sagen? hat keiner das Herz, ihm den Leviten zu lesen, wie's recht ist? Redet doch auch ihr andern!«

»Redet nicht ihr andern!« entgegnete ernsthaft der Büchsenmacher; »das ist, hol mich der Teufel, kein Text für diesen Abend und für die Schenke, wo man Fried haben will. Ich sag euch, und das ist mein letzt Wort in der Sache: gar gut weiß ich, woran ich bin mit mir selber, und soviel ist auch gewiß, wenn ich will hat dies tolle Leben ein End über Nacht. Der Lörmer wird sich vom Kopf bis zum Fuß das alte Fell abziehen mit einemmal, wie man einen Handschuh abreißt. Ihr sollt sehen. Laßt mich aber indes mit eurer Predigt in Ruh, sie richtet in zwei Jahren nicht aus, was der ungefähre Windstoß eines frischen Augenblicks bei mir aufjagt. – Muß aber heut ja von Lumperei die Rede sein, so will ich euch und« – hiermit nahm der Sprecher plötzlich seine wohlbehagliche, muntere Haltung wieder an – »will ich euch ein Rätsel vorlegen in betreff eines Lumpen, der sich auf unbegreifliche Weise innerhalb vierundzwanzig Stunden zum flotten Mann poussiert hat, und zwar ist es einer aus unserer Gesellschaft.« »Wie? Was?« riefen einige. »Ohne Zweifel«, erwiderte der Büchsenmacher; »er befindet sich zwar gegenwärtig nicht unter uns und schon mehrere Tage nicht, aber er rechnet sich zur Kompanie, er versprach heute zu kommen, und es wäre unbarmherzig, wenn ihr ihn nicht wenigstens als Anhängsel, als ein Schwänzchen von mir wolltet mitzählen lassen.« »Ah!« rief man lachend, »die Figur! die Figur! er meint die Figur!«

»Allerdings«, fuhr der andere fort, »ich meine das spindeldünne bleichsüchtige Wesen, das mir von Hamburg an, ungebetenerweise und ohne vorausgegangene genauere Bekanntschaft hieher folgte, um, wie er sagte, in meinen Armen den Tod seines unvergeßlichen Freundes und Bruders, des Buchdruckers Murschel, zu beweinen. Nun wißt ihr, ich bewohne seit einiger Zeit mit diesem zärtlichen Barbier, Sigismund Wispeln, eine Stube, er ißt mit mir und ich teile aus christlicher Milde alles mit ihm, bis auf das Bett, das ich mir aus billigen Gründen allein vorbehalten. Man hat aber keinen Begriff, was ich für ein Leiden mit dieser Gesellschaft habe. Schon sein bloßer Anblick kann einen alterieren. Eine Menge kurioser Angewohnheiten, eine unermüdliche Sorgfalt, seine Milbenhaut zu reiben und zu hätscheln, seine rötlichen Haare mit allerlei gemeinem Fette zu beträufeln, seine Nägel bis aufs Blut zu schneiden und zu schaben – ich bekomme Gichter beim bloßen Gedanken! und wenn er nun die Lippen so süß zuspitzt und mit den Augen blinzt, weil er, wie er zu sagen pflegt, an der Wimper kränkelt, oder wenn er sich mit den tausend Liebkosungen und Gesten an mich anschmiegt, da dreht sich der Magen in mir um und ich hab ihn wegen dieser Freundschaftsbezeugungen mehr als einmal wie einen Flederwisch an die Wand fliegen lassen. Nun ging ich neulich damit um, mir das Geschöpf mit guter Art vom Hals zu schaffen. Vielleicht ist euch nicht bekannt, daß der Kerl an Händ und Füßen, besonders aber zwischen den Zehen, wirkliche Schwimmhäute hat, auch lebe ich der festen Überzeugung, man würde aus seinen Gliedmaßen lauter schmale Stäbe von Fischbein, statt der Knochen, ziehen und überhaupt die wunderbarsten Dinge bei ihm entdecken. Mein Rat war also, sich zuvörderst von einem Professor besichtigen und dann dem Fürsten empfehlen zu lassen, vor allen Dingen aber sich aus meinem Logis zu verlegen. Dieser mein Vorschlag kam freilich etwas unerwartet, und ich mußte ihm schon einige Tage Zeit gönnen, um sich zu fassen. Gestern morgen aber stand er ungewöhnlich früh vom Bette auf; ich lag noch halbschlafend mit geschlossenen Augen, mußte aber im Geist jede Gebärde verfolgen, die der Widerwart während des Ankleidens machte, jede Miene, nein, ich sage passender, jeden Gesichtsschnörkel, der sich während des Waschens zwanzig- und dreißigfältig bei ihm formierte. Jetzt griff er nach seinem ordinären Frühstück, einem vollen Glas mit kaltem Brunnenwasser, jetzt hört ich ihn seine beinernen Finger auf den Tisch setzen und knackend abdrucken, daß die Wände gellten, das gewöhnliche Manöver, wodurch er mich zum Erwachen, zum Gespräch zu bringen sucht, und: ›Guten Morgen, Bruder! wie schlief sich's‹ lispelt er, aber ich rühre mich nicht. Er wiederholt den Gruß noch einigemal, ohne Erfolg; endlich fühle ich meine Nase zärtlich von zwei eiskalten Fingerspitzen gehalten, ich fahre auf und der Freund hat eben noch Zeit, sich meinem Zorn durch eine schnelle Ausbeugung zu entziehen. Allein wie groß war mein Erstaunen, als ich den Hundsfott im neuen schwarzen Frack, mit neumodisch hoher Halsbinde und süperbem Hemdstrich in der Ecke stehen sah. Die mir wohlbekannte verblichene Hose aus Nanking und die abgenutzten Schuhe zeugten zwar noch von gestern und ehegestern, aber die übrige Pracht, woher kam sie an solchen Schuft? Gestohlen oder entlehnt waren wenigstens die Kleider nicht, denn bald fand ich die quittierten Rechnungen von Tuchhändler und Schneider mit Stecknadeln wie Schmetterlinge an das bekannte armselige Hütchen gesteckt, das naseweis von dem hohen Bettstollen auf seinen veränderten Herrn blickte. Vergebens waren alle meine Fragen über diese glücklich begonnene Besserung der Umstände meines Tropfen; ich erhielt nur ein geheimnisvolles Lächeln und noch heute ist mir das Rätsel nicht gelöst. Der Schuft muß auch bare Münze haben; er sprach von einer Schadloshaltung, von einem Kostgeld und dergleichen. Übrigens speist er, wie ich höre, jetzt regelmäßig im Goldenen Schwan. Nun! sagt mir, ist einer unter euch, der mir beweist, es gehe so was mit natürlichen, oder doch ehrlichen Dingen zu? Sagt, muß man den Menschen nicht in ein freundschaftliches Verhör nehmen, ehe die Obrigkeit Verdacht schöpft und unsern Bruder einsteckt?«

Man sprach, man riet, man lachte herüber und hinüber. Endlich nahm der Stelzfuß das Wort wieder, indem er sagte: »Weil wir ohnedem jetzt an dem Kapitel von den Mirakeln sind, so sollt ihr noch eine kleine Geschichte hören. Sie hat sich erst heute zugetragen, steht aber hoffentlich in keinem Zusammenhang mit der vorigen. Diesen Morgen kommt ein Jude zu mir, hat einen Sack unterm Arm und fragt, ob ich nichts zu schachern hätte, er habe da einen guten Rock zu verhandeln. Der Kerl muß die schwache Seite an dem meinigen entdeckt haben; das verdroß mich und ich war dem Spitzbuben ohnedies spinnefeind. Während ich also im stillen überlege, auf was Art ich den Sünder am zweckmäßigsten die Treppe hinunterwerfe, fällt mir zufällig meine Taschenuhr ins Aug. Nun weiß ich nicht, war es ein weichherziger Gedanke an meinen seligen Vater, von welchem mir das Erbstück kam, oder was war es, daß ich plötzlich in mitleidige Gesinnungen überging. Ich dachte, ein Jud ist doch gleichsam auch eine Kreatur Gottes und dergleichen; kurz, ich nahm die Uhr höchst gerührt vom Nagel an meinem Bette, besah sie noch einmal und fragte: was sie gelten soll? Der Schurke schlug sie nun für ein wahres Spottgeld an und ich gab ihm einen Backenstreich, den schlug er aber gar nicht an, und endlich wurden wir doch handelseinig.«

Alles lachte über diese sonderbare Erzählung, nur dem Joseph schien sie im stillen weh getan zu haben.

»Wartet doch«, fuhr der Stelzfuß fort, »das Beste kommt noch. Ich ging mit meinen zwei Talern, die ich ungesehn, wie Sündengeld in die Tasche steckte, aus dem Haus, ohne recht zu wissen wohin. Soviel ist sicher, ich langte endlich vor dem besten Weinhaus an und nahm dort ein mäßiges Frühstück zu mir. Da mir aber, wie gesagt, ein Jude meinen Zeitweiser gestohlen, so wußt ich schlechterdings nicht, woran ich eigentlich mit dem Tag sei; kurz, es wurde Abend, eh mir der Kellner die letzte Flasche brachte. Ich gehe endlich heim, ich komme auf meiner Kammer an und spaziere in der Dämmerung auf und ab; zuweilen blinzl' ich nach dem leeren Nagel hinüber und pfeife dazu, wie einer, der kein gut Gewissen hat. Auf einmal ist mir, es lasse sich etwas hören wie das Picken eines solchen Dings, dergleichen ich heute eins verlor; ganz erschrocken spitz ich die Ohren. Das tut wohl der Holzwurm in meinem Stelzfuß, denk ich, und stoße den Stelzen gegen die Wand, wie immer geschieht, wenn mir's die Bestie drin zu arg macht. Aber Pinke Pink, Pinke Pink, immerfort und zwar nur etliche Schritte von mir weg. Bei meiner armen Seele, ich dacht einen Augenblick an den Geist meines guten Vaters. Indessen kommt mir ein Päckel unter die Hand, ich reiß es auf und, daß ich's kurz mache, da lag meine alte Genferin drin! Weiß nicht, wie mir dabei zumut wurde; ich war ein veritabler Narr für Freuden, sprach französisch und kalmukisch untereinander mit meiner Genferin, mir war, als hätten wir uns zehn Jahre nicht gesehn. Jetzt fiel mir ein Zettel in die Finger, der – nun, das gehört nicht zur Sache. Schaut, hier ist das gute Tier!« und hiemit legte er die Uhr auf den Tisch.

»Aber der Zettel?« fragte einer, »was stand darauf? wer schickte das Paket?« – Der Büchsenmacher griff stillschweigend nach dem vollen Glas, drückte nach einem guten Schluck martialisch die Lippen zusammen und sagte kopfschüttelnd: »Weiß nicht, will's auch nicht wissen.« »Aber dein ist die Uhr wieder?« »Und bleibt mein«, war die Antwort, »bis ins Grab, das schwör ich euch.«

Während dieser Erzählung hatte Perse etlichemal einen pfiffigen Blick gegen den Tischler hinüberlaufen lassen, und er und alle merkten wohl, daß Joseph der unbekannte Wohltäter gewesen war.


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