Eduard Mörike
Maler Nolten
Eduard Mörike

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Die Saiten klangen aus. Es war ein allgemeines Schweigen. Die Gesellschaft sah sich lächelnd an, und schon während des Gesangs verkündigten einige schlaue Gesichter eine angenehme Überraschung, wobei es mit ganz natürlichen Dingen zugehen dürfte. Es rauschte jetzt und knackte in den Zweigen, zwischen denen jemand behutsam herunterzusteigen schien. Ein Fuß stand bereits auf dem letzten Aste; ein kecker Sprung noch, und, wen man am wenigsten erwartete, den auch die wenigsten kannten – Raymund, der Bildhauer, stand mit der Zither, sich tief verneigend, vor der verblüfft-erfreuten Versammlung. Amandus und der Obrist klatschten, Bravo rufend, in die Hände. Raymund sprang auf den Maler zu, der wie aus den Wolken gefallen dastand; die übrigen hörten inzwischen von der Pfarrerin, wer der Herr wäre. Agnes hatte den Schauspieler Larkens vermutet, ja Nolten selbst, als die Musik anfing, bebte das Herz bei dem gleichen Gedanken, und es dauerte eine ganze Zeit, bis er sich wieder fassen konnte.

Man nahm nun ordentlich am runden Tisch unter dem Schirme Platz; mit dem besten Weine füllten die Gläser sich frisch, und während die Frauenzimmer das Strickzeug vornahmen, begann der Bildhauer: »Zuvörderst ist es meine Pflicht, mit wenig Worten den Schein des Greulichen und Ungeheuren von meiner Hieherkunft zu entfernen, besonders um der Damen willen, denen der Schreck noch nicht ganz aus den Gliedern gewichen sein muß, weil bis jetzt keine sich getraute, mich auch ein wenig freundlich anzuschauen. Nun also: zwei Tage, bevor Sie, lieber Nolten, die Rückkehr in ihr Vaterland antraten, die ich mir so nahe gar nicht vermutend sein konnte, war ich genötigt, in nicht sehr erfreulichen Angelegenheiten eines Bruders nach K*** zu reisen, was kaum sechs Meilen von hier liegt. Ich wußte damals noch nichts von Ihren Verbindungen in dieser Gegend, und weder ein Neuburg noch ein Halmedorf existierte für mich in der Welt, sonst hätt ich wohl um Aufträge bei Ihnen angefragt und wäre vielleicht nicht so schmählich um Ihren Abschied gekommen. Doch wider Hoffen und Vermuten sollt ich um vieles glücklicher werden. Ich war bereits acht Tage in K***, so kommt ein Brief, pressant, an mich dorthin – (von wem? das raten Sie wohl nicht!) mit dem dringenden Auftrage, im Rückweg einen kleinen Abstecher zu Ihnen zu machen und ein beigelegtes Schreiben eigens in Ihre Hände zu überliefern.« (Er gab Theobalden den Brief und wandte sich gegen die andern.) »Dem schönen Zufall muß ich noch besonders lobpreisende Gerechtigkeit widerfahren lassen, der mich zwei Stunden von hier mit dem Herrn Obrist zusammenführte; wir gesellten uns als fremde Passagiere zueinander und wären beinahe ebenso wieder geschieden, als kaum noch zu rechter Zeit sich entdeckte, daß wir die gleiche Absicht hätten. Wer weiß mir eine artigere Fügung? Ich war's zufrieden, sogleich nach Halmedorf mitzureiten. Dort hieß man mich denn freundlich bleiben, und Herr Pastor war ganz glückselig, eine doppelte Überraschung veranstalten zu können. Der Plan zu diesen Späßen ward heute früh entworfen, und gerne ließ ich mir's gefallen, mein Mittagsmahl hier unter freiem Himmel zu verzehren, von Volkers rotem Wein zu trinken und meine Rolle einzuüben. Auch hab ich, wenn man Lust hätte, den Geiger zu malen, diesem Hügel vorläufig eine Ansicht abgemerkt, wo er sich als ein Hintergrund ganz unvergleichlich ausnehmen müßte.«

Indessen spiegelte sich auf Noltens Angesicht die erhaltene Botschaft mit leserlicher Freude: ja so mächtig ergriffen war er, daß er Agnesen das Blatt nur still hinbieten und Raymunden die Hand nur mit einem leuchtenden Blicke des Dankes über den Tisch reichen konnte. »Nun«, sagte jener, »ich darf der erste sein, der Ihnen Glück wünscht.« »So sind wir nicht die letzten!« rief der Obrist mit dem Pfarrer, indem man die Gläser erhob. Agnesen stürzte eine Träne aus den schönen Augen und auch sie hob ihr Glas. Es wurde sofort erklärt: daß Nolten und Raymund einen sehr vorteilhaften Ruf in die Dienste eines hochgebildeten und verehrten Fürsten des nördlichen Deutschlands erhalten haben, zunächst um bei einer gewissen Privatunternehmung des kunstliebenden Regenten verwendet zu werden, doch sollte die Anstellung auf zeitlebens sein. Die Sache ging durch den Maler Tillsen und den alten Hofrat, deren Empfehlung man, wie es schien, das Ganze eigentlich zu danken hatte. Etwas Geheimnisvolles war immer dabei, und Nolten hatte Ursache zu glauben, daß noch ganz andere Hebel gewirkt haben müßten. Jenes Schreiben selbst war von dem Hofrat. Er gibt sich alle Mühe, dem Freunde dies Offert so einleuchtend als möglich zu schildern, er hatte zum Überfluß Raymundens mündliche Beredsamkeit noch in Reserve gestellt, wenn Nolten je Bedenken tragen sollte, die Stelle anzunehmen, ein Zweifel, dessen nur der Hofrat fähig sein konnte, weil er immer von seiner eignen Seltsamkeit ausging. Was übrigens die Sendung Raymunds anbelangt, so verhielt sich's wirklich so, wie er vorhin erklärte; er selber hatte beim Antritt seiner Reise noch keine Ahnung von den Dingen, die im Werke waren.

Die beiden Künstler schlossen jetzt in der Aussicht auf ihr gemeinschaftliches Ziel sogleich Brüderschaft, und wer hätte nicht Teil an ihrem Glücke nehmen sollen? Alle sprachen durcheinander aufs lebhafteste von der Sache hin und her.

»Ja«, fragte die Pfarrerin, »und der Zug geht wohl bald vor sich?«

»Bald oder nicht! wie man's nimmt; jeder Tag später macht mir Langeweile!« rief Raymund, indem er sich ungeduldig auf dem Absatz herumwarf. »In zwei Monaten ist der Termin.«

»Da wird man erst ein Pärchen aus euch machen müssen?« sagte der Pfarrer zu Agnes hin.

»Dacht ich es doch!« rief Raymund, »bleibt mir nur, ihr schwarzen Herrn, mit euren Weitläufigkeiten fort! Soviel ihr aus den beiden machen könnt, sind sie ja schon.« Er sprach dies halb im Scherz, doch hätte der Pfarrer nicht wissen dürfen, daß er die Geistlichen für etwas Überflüssiges hielt und nie recht hatte leiden mögen.

»Wie?« rief Amandus, »Sie sind, wie ich höre, auch Bräutigam: Sie lassen sich wohl gar nicht kopulieren?«

»Bewahre Gott mich davor!« antwortete der Bildhauer. »Die Kopula ist schon gefunden.«

»So sind Sie ein Heide?«

»Und zwar ein frommer!«

»Doch was sagt Ihre Braut zu Ihrem Vorsatz?«

»Ich habe sie noch nicht gefragt.«

»Und«, sagte der Pfarrer, leicht abbrechend, »was spricht lieb Agneschen?« Sie schaute auf, sie hatte nicht gehört, wovon die Rede war, da sie sich angelegentlich mit Nolten unterhielt. Nach der sonderbaren, beinahe verdrießlichen Wendung, welche das Gespräch der beiden Männer genommen, war es natürlich, daß die Frauen im stillen schon das arme Mädchen bedauerten, das an einen so närrischen und wilden Menschen geraten müssen, und dies Mitleiden verbarg sich endlich gar nicht mehr, als Theobald sich eifriger nach Henrietten erkundigte, und Raymund anfing, mit aller ihm eigenen treuherzigen Lebhaftigkeit zu erzählen, auf welchem guten Fuß er mit ihr lebe, wie sie sich unterhielten, welche Untugenden und »Dummheiten« er ihr schon abgewöhnt, was für Talente an ihr entwickelt habe. Da er zum Beispiel ein leidenschaftlicher Freund vom Kegelschieben sei und es für die gesundeste Motion halte, so habe er sich in den Kopf gesetzt, seine Braut müsse es aus dem Fundamente lernen. Er habe den Unterricht, auf einer unbesuchten Bahn, auch sogleich mit ihr begonnen; es geschehe ihr zwar einigermaßen sauer, doch zeige sie den besten Willen und werde es mit der Zeit sehr weit bringen. Ferner, weil er wahrgenommen, daß sie mit einer törichten Furcht vor allem Feuergewehr und Schießen gestraft sei, und ihm solche übertriebene Alterationen in den Tod zuwider seien, so habe er sie von dem Lächerlichen dieses Benehmens zuerst theoretisch überzeugt, ihr den Mechanismus einer Flinte, die Wirkung des Pulvers ruhig und ordentlich erklärt und endlich einen praktischen Anfang im Schloßgraben bei der Scheibe gemacht, der aber leider bis jetzt den gehofften Erfolg noch nicht bewiesen. Im Fall es nun, wie das ungeschickte Ding ihn mit Tränen versichert habe, er aber noch nicht glaube, wirkliche Nervenschwäche wäre, so würde er freilich davon abstehen müssen, doch hoffe er es noch durchzusetzen.

Die Frauenzimmer, sowie die Männer, konnten nicht umhin, ihr Mißfallen auszudrücken, es gab einen allgemeinen Streit, und Agnes fing an dem Bildhauer im Herzen recht gram zu werden, sie kannte ihn nicht genug und hielt ihn für boshaft; wie nun ihr ganzes Wesen seit jener Botschaft gewaltsam aufgeregt war, so nahm sie auch den gegenwärtigen Fall heftiger auf als sie sonst getan haben würde, sie glaubte eine ihrer Schwestern von einem Barbaren mißhandelt, die Wange glühte ihr vor Unwillen und ihre Stimme zitterte, so daß Theobald, der diese Ausbrüche an ihr fürchtete, sie sanft bei der Hand nahm und beiseite führte.

Raymund hatte, wie ernst es mit den Vorwürfen besonders der Frauenzimmer gemeint sei, gar nicht bemerkt, weil es ihm in der Gesellschaft durchaus an allem Takte gebrach. Sein unruhiger von einem aufs andere springender Sinn war schon ganz anderswo mit den Gedanken, während man ihn über seinen Fehler nachdenklich gemacht und fast verletzt zu haben meinte. Er blickte durch den Tubus in die Ferne und schüttelte zuweilen mit dem Kopf; auf einmal stampft er heftig auf den Boden. »Ums Himmels willen, was ist Ihnen?« fragte der Oberst. »Nichts!« lachte Raymund, aus seinem Traum erwachend, »es ist nur so verflucht, daß ich die Jette jetzt nicht da haben soll! sie nicht am Schopfe fassen kann und recht derb abküssen! Sehn Sie, lieber Oberst, eigentlich ist's nur die Unmöglichkeit, was mich foltert, die plumpe, physische Unmöglichkeit, daß der einfältige Raum, der zwischen zweien Menschen liegt, nicht urplötzlich verschwindet, wenn einer den Willen recht gründlich hat, daß dies Gesetz nicht fällt, wenn auch mein Geist mit allem Verlangen sich dagegen stemmt! Ist so was nicht, um sich die Haare auszuraufen und mit beiden Füßen wider sich selber zu rennen? Wie dort der Berg, der Mollkopf, glotzt und prahlt, recht dreist die Fäuste in die Wampen preßt, daß er so breit sei!« Hier schlug Raymund ein schallendes Gelächter auf, machte einen Satz in die Höhe und sprang wie toll den Abhang hinunter.

»Nun ja, Gott steh uns bei! so etwas ist noch nicht erhört!« hieß es mit einem Munde. Aber Nolten nahm sich des Bildhauers mit Wärme an; er schilderte ihn als einen unverbesserlichen Naturmenschen, als einen Mann, der seine Kräfte fühle, und übrigens von aller Tücke, wie von Affektationen gleich weit entfernt sei, und wirklich gelang es ihm durch einige auffallende Anekdoten von der Herzensgüte seiner Sansfaçon die Gesellschaft so weit auszusöhnen, daß man zuletzt nur noch lächelnd die Köpfe schüttelte. Alle gesellige Lust flammte noch einmal auf; man sprach nun erst recht kordial von Noltens und Agnesens Zukunft; der Bildhauer hatte sich auch wiedereingefunden, unvermerkt verflossen ein paar Stunden und einige Stimmen erinnerten endlich nur leise an den Heimweg. Die Sonne neigte sich zum Untergang. Das herrlichste Abendrot entbrannte am Himmel und das Gespräch verstummte nach und nach in der Betrachtung dieses Schauspiels. Agnes lehnt mit dem Haupt an der Brust des Geliebten, und wie die Blicke beider beruhigt in der Glut des Horizonts versinken, ist ihm, als feire die Natur die endliche Verklärung seines Schicksals. Er drückt Agnesen fester an sein Herz; er sieht sich mit ihr auf eine Höhe des Lebens gehoben, über welche hinaus ihm kein Glück weiter möglich scheint. Wie nun in solche Momente sich gern ein leichter Aberglaube spielend mischt, so geschah es auch hier, als der helle Doppelstrahl, der von dem Mittelpunkt des roten Luftgewebes ausging, sich nach und nach in vier zerteilte. Was lag, wenn man hier deuten wollte, der Hoffnung unseres Freundes näher, als einen Teil des wonnevoll gespaltnen Lichts auf zwei geliebte, weit entfernte Gestalten fallen zu lassen, deren wehmütige Erinnerung sich jeden Abend einige Male bei ihm gemeldet hatte. Allein wie sonderbar, wie schmerzlich muß er es eben jetzt empfinden, daß er dem treusten Kinde, das hier in seinen Armen geschmiegt mit leisen Küssen seine Hand bedeckte, und dann ein Auge aller Himmel voll, gegen ihn aufrichtete – nunmehr nicht seinen ganzen Busen öffnen durfte! Er mußte den Kreis seines Glücks, seiner Wünsche im stillen für sich abschließen und segnen, doch in die Mitte desselben darf er Agnesen als schützenden Engel aufstellen.

Die übrigen waren aufgestanden, man wollte gehen. Theobald trennte sich schwer von diesem glücklichen Orte, noch einmal überblickt' er die Runde der Landschaft und schied dann mit völlig befriedigter Seele.

Alsbald bewegte sich der Zug munter den Hügel hinab. Am Wäldchen wurde nicht versäumt, das Echo wieder anzurufen; Raymund brachte allerlei wilde Tierstimmen hervor und stellte mit Hussa-Ruf und Hundegekläff das Toben einer Jagd vollkommen dar; die Frauenzimmer sangen manches Lied, und gemächlich erreicht man das Pfarrhaus, wo die von Neuburg sich sogleich zum Abschied wenden wollen, trotz den Vorstellungen des Pfarrers, der einen Plan, die sämtlichen Gäste diese Nacht in Halmedorf unterzubringen, komisch genug vorlegte. Raymund schloß sich der Partie des Malers an, um morgen von Neuburg aus weiterzureisen. Wenigstens müsse man den Mond noch abwarten, meinte Amandus, und er wollte seine Kalesche, ein uraltes aber höchst bequemes Familienerbstück, inzwischen parat halten lassen. So verweilte man sich aufs neue; den Männern schien erst jetzt der Wein recht zu schmecken, und Nolten selbst überschritt sein gewöhnliches Ziel. Währenddem hat der Himmel sich umzogen, es wurde völlig Nacht, und Agnes, von seltsamer Unruhe befallen, ließ mit Bitten und Treiben nicht nach, bis man endlich zum letzten Wort gekommen war und die beschwerte Kutsche vom Haus wegrollte. Raymund ritt vor den Pferden her und kaum hatten sie das Dorf im Rücken, so fing er herzhaft an zu singen. Er nahm in seinem frohen Übermut dem Bauernburschen, der nebenher leuchtete, die beiden Fackeln ab und schwang sie rechts und links in weiten Kreisen, indem er sich an den wunderlichen Schatten höchlich ergötzte, die er durch verschiedene Bewegung der Brände in eine riesenhafte Länge, bald vor-, bald rückwärts, schleudern konnte. Sooft es anging kam er an den Schlag und brachte die Gesellschaft durch allerlei phantastische Vergleichungen über seine Reiterfigur zum innigen Lachen. Er war wirklich höchst liebenswürdig in dieser Laune, selbst Agnes ließ ihm Gerechtigkeit widerfahren. Der Maler wetteiferte mit ihm, teils schauerliche, teils liebliche Märchen aus dem Stegreife zu erzählen, wobei sich Theobald ganz unerschöpflich zeigte. Als sie im Wald an einer öden Strecke Ried vorüberkamen, hieß es, hier sei vor vielen hundert Jahren das Herz eines Zauberers nach dessen Tode in die Erde gegraben worden, das dann, zum schwarzen Moos verwachsen, als ein unendliches Gespinst rings unterm Boden fortgewuchert habe. Daraus wäre von dem Riesen Flömer eine unermeßliche Strickleiter gemacht worden, die er gegen den halben Mond geworfen; das eine Ende sei mit der Schleife am silbernen Horne hängen blieben und nun sei der Riese triumphierend zum Himmel hinaufgeklettert. Agnes erinnerte, im Gegensatz zu solchen Ungeheuern, an eine kleine anmutige Elfengeschichte, die Nolten als Knabe ihr vorgemacht hatte, und so gab jedes einen Beitrag her; auch die drei andern jungen Leute blieben nicht zurück, vielmehr diese trauliche Dunkelheit schien sie nun erst mehr aufzuwecken. Der Bildhauer fand den Gedanken Noltens, daß, um die romantische Fahrt vollkommen zu machen, Raymund notwendig Henrietten auf seinem Rappen hinter sich haben sollte, ganz zum Entzücken, und sogleich fing er an, die sämtlichen Balladen, welche von nächtlichen Entführungen, Gespensterbräuten usw. handeln, mit Pathos zu rezitieren. Nun war es aber für unsre beiden Liebenden der süßeste Genuß, zwischen alle diesen Spielen einer unstet umherflackernden Einbildung auf Augenblicke heimlich im stilleren Herzen einzukehren und die Gedanken auf das Bild der nächsten reizenden Zukunft zu richten, sich einander mit einem halben Wort ins Ohr, mit einem Händedruck zu sagen, wie man sich fühle, was eines am andern besitze, wieviel man sich erst künftig noch zu werden hoffe.

Schon eine Zeitlang hatte Raymund von ferne ein Fuhrwerk zu hören geglaubt; es kam jetzt näher und eine Laterne lief mit. Es war der Wagen des Barons. Der Herr Förster schicke ihn entgegen, sagte der Knecht mit einem Tone, der eine schlimme Nachricht fürchten ließ. Der gnädige Herr, hieß es, sei schnell dahingefallen, von einem Nervenschlag spreche der Arzt, vor zwei Stunden habe man ihm auf das Ende gewartet, sie möchten eilen, um ihn noch am Leben zu sehn. Welche Bestürzung! welche Verwandlung der frohen Gemüter! Schnell wurden die Wagen gewechselt, der eine fuhr zurück, der andre eilte Neuburg zu.

Der Baron erkannte bereits den Maler nicht mehr, er lag wie schlummernd mit hastigem Atem. Theobald kam nicht von seinem Bette, er und die einzige Schwester des Sterbenden, eine achtungswürdige Matrone, und ein alter Kammerdiener waren zugegen, als der verehrte Greis gegen Morgen verschied.


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