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Über die Agitation der Partei gegen den ChinakriegRedaktionelle Überschrift. Die Rede wurde auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gehalten, der vom 17. bis 21. September 1900 in Mainz stattfand.

Wenn ich mit wenigen Worten auf die Weltpolitik eingehe, so geschieht es nicht, um der Diskussion zu Punkt 7 Redaktionelle Überschrift. Diese Rede wurde auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gehalten, der vom 17. bis 21. September 1900 in Mainz stattfand. vorzugreifen; ich will nur die praktische Frage streifen, ob die von unserer Partei in bezug auf den Chinakrieg entfaltete Agitation zu der Tragweite des Ereignisses in richtigem Verhältnis stand. Es ist unmöglich, darauf nicht mit Nein zu antworten. Freilich hat unsere Presse und voran der ›Vorwärts‹ sehr viel getan, um die Abenteuerpolitik der Regierung zu brandmarken. Aber das genügt nicht. Der Schwerpunkt der Agitation dürfte in diesem Falle nicht in der Presse liegen, die nur auf eine kleine Minderheit der Bevölkerung wirkt, sondern in der mündlichen Agitation, die in weite, unserer Bewegung noch fernstehende Kreise dringt; in dieser Beziehung ist aber sehr wenig geschehen. Bis jetzt haben wir es immer verstanden, auf reaktionäre Anschläge mit einer imposanten Volksbewegung zu antworten. Jetzt aber, wo Ereignisse eintreten, die an Tragweite alles von uns in den letzten zehn Jahren Erlebte übertreffen, Ereignisse, die einen Wendepunkt in der Geschichte des ganzen kapitalistischen Europas bilden, da ist keine planmäßige Agitation durch Protestversammlungen eingeleitet worden. Freilich forderte unsere Presse die Einberufung des Reichstags, eine Forderung, die für uns ganz selbstverständlich ist. Sollte aber diese Forderung unsere einzige Losung sein, so könnte man wirklich sagen, daß bei der Sozialdemokratie der große Berg der Weltpolitik ein lächerliches Mäuschen geboren hat. Denn von diesem Reichstag, der die Flottenvorlage bewilligt hat, konnte man doch voraussehen, daß er die treueste Stütze der jetzigen Weltpolitik sein wird. Wir können deshalb die Einberufung des Reichstags nur von dem Standpunkt aus betrachten, daß er die Tribüne unseres Protestes bildet. Nun fragt es sich aber, war es nicht tausendmal wichtiger, den Protest in Volksversammlungen zu tragen und sich direkt an die Massen zu wenden? Ich will dem Parteivorstand durchaus keinen Vorwurf machen, er hat triftige Gründe für alles, was er tut; ich bringe die Frage nur deshalb zur Sprache, weil sonst leicht Mißverständnisse über die Gründe entstehen könnten. So könnten z. B. Fernstehende den falschen Eindruck gewinnen, als ob wir eine vorwiegend parlamentarische Partei wären, die die größten weltgeschichtlichen Vorgänge nicht anders als durch ein paar Reden im Reichstag zu parieren weiß, oder es könnten schlecht Informierte zu der falschen Ansicht kommen, als ob unsere Partei, die doch in allen Fällen so interessante Protestbewegungen entfaltet hat, hier, wo es sich um einen blutigen Krieg des vereinigten kapitalistischen Europas gegen Asien handelt, sich so ruhig verhält, weil sie auf den offiziellen und nichtoffiziellen Chauvinismus zu viel Rücksicht nimmt, das wäre für uns natürlich fatal. Gerade weil ich weiß, daß unserem Vorstand nichts ferner liegt als eine Überschätzung der parlamentarischen Aktion oder Rücksicht auf den Chauvinismus, deshalb möchte ich, daß in Zukunft zu derartigen unbegründeten Vermutungen kein Anlaß gegeben wird. (Beifall.)


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