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Über die Stellung der deutschen Sozialdemokratie zum Militarismus Redaktionelle Überschrift. Diese Rede wurde auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gehalten, der vom 9. bis 14. Oktober 1899 in Hannover stattfand.

Die Rede Schippels, besonders im ersten Teil, war eine Verteidigung des Militarismus, wie sie ein Kriegsminister ganz gut einer Militärvorlage beilegen könnte. (Heiterkeit.) Mir wurde hier mehrfach vorgeworfen, ich wäre in einer so unerwartet milden Weise aufgetreten, ich hätte mit einer so herzgewinnenden Milde gesprochen. Das kommt daher, weil ich allgemeinen theoretischen Debatten in bezug auf den Opportunismus nicht allzuviel praktische Bedeutung beimesse. Wichtig ist für mich die Bekämpfung der konkreten Erscheinungen des Opportunismus, und als solche betrachte ich vor allem die Stellung Schippels zum Militarismus. Für mich und auch für die Partei heißt es: Hic Rhodus, hic salta! Hier soll Schippel Rede und Antwort stehen.

Genosse Geyer hat gesagt, wenn wir auf unsere bisherige prinzipielle Gegnerschaft gegen den Militarismus verzichten, so würde das unsern Kampf sehr in die Länge ziehen. Nein, ich glaube, wenn wir auf den Kampf gegen den Militarismus in der bisherigen Form verzichten, dann können wir überhaupt einpacken, dann hören wir überhaupt auf, eine sozialdemokratische Partei zu sein. (»Sehr wahr!«) Der Militarismus ist der konkreteste und wichtigste Ausdruck des kapitalistischen Klassenstaates, und wenn wir den Militarismus nicht bekämpfen, dann ist unser Kampf gegen den kapitalistischen Staat nichts als eine leere Phrase. (Beifall.) Ich will hier nicht auf den Ton der Schippelschen Artikel und auch nicht auf das Pseudonym eingehen. Ich glaube, er ist dafür schon genügend durch den maliziösen Druckfehlerteufel getroffen, denn, wie Sie bereits bemerkt haben werden, heißt es in dem Antrag Mergner, der seinen Ausschluß verlangt, Schippel habe sich gegen die Erziehung zur allgemeinen W ahrhaftigkeit schwer vergangen. (Heiterkeit.) Es soll natürlich »W ehrhaftigkeit« heißen. Ich will auch nicht auf die technische Seite der Milizfrage eingehen. Schippel sagt, Kautsky verstehe in diesen Dingen nicht einmal das Abc. Als ich das hörte, erschrak ich furchtbar, denn wie muß es um eine Partei bestellt sein, deren theoretischer Vertreter von einer der wichtigsten praktischen und theoretischen Fragen nicht einmal das Abc versteht! (›Sehr gut!‹) Wenn eine so hohe Bildung nötig ist, um die Milizforderung zu begreifen, daß nicht einmal ein Kautsky sich dazu emporschwingen kann, wie soll dann die Masse der Proletarier dies Postulat verteidigen! Ich betrachte eben die ganzen breiten Erörterungen Schippels über die technischen Fragen als ein Ablenkungsmittel, um unsere Aufmerksamkeit von der wichtigsten, der politischen Seite abzuwenden. Wir brauchen uns auf technische Einzelheiten schon deshalb nicht einzulassen, weil uns keine konkrete Vorlage zur Einführung der Miliz beschäftigt. Wenn wir eine solche Vorlage haben, würden wir eine Neuner-Kommission wählen, die darüber zu beraten hätte. (Heiterkeit.) Heute gilt es für uns, das Postulat in seiner allgemeinen Form aufzustellen und besonders auf seine politische Seite Nachdruck zu legen. Mit dem Argument, daß der Verteidigungskrieg sich notwendig in einen Angriffskrieg verwandelt und wir dazu stehendes Heer brauchen, hat sich Schippel wieder auf den Boden der üblichen Argumentation der deutschen Regierung gestellt, die den Angriff bloß als eine Form der Verteidigung hinstellt. Es würde Schippel schwerfallen, zu beweisen, daß das Milizsystem zur wirklichen Verteidigung in allen Formen nicht noch besser zu brauchen ist als die stehenden Heere.

Schippel hat in seinen Artikeln ausdrücklich hervorgehoben, daß der Militarismus eine wirtschaftliche Entlastung für uns sei, und heute hat er nachzuweisen gesucht, daß die Miliz jedenfalls keine wirtschaftliche Entlastung wäre. Die Zahlennachweise Schippels erscheinen mehr als zweifelhaft, aber selbst wenn die Miliz uns ebensoviel kosten würde wie der Militarismus, so könnten wir doch ruhig mit den beiden Händen für die Miliz stimmen, denn dann geben wir wenigstens unser Geld aus, um dafür ein Mittel der Verteidigung nicht nur gegen den äußeren Feind, sondern auch gegen die inländischen Unterdrücker zu haben, dem Militarismus bringen wir aber die Geldopfer zu dem Zwecke, damit man uns erwürgt und unterdrückt. (›Sehr gut!‹)

Schippel ist ja nicht der einzige; ich verweise nur auf die Auersche Äußerung in Hamburg, Auf dem sozialdemokratischen Parteitag vom 3. bis 9. Oktober 1897 in Hamburg hatte Ignaz Auer den Vorstoß Max Schippels gegen die antimilitaristische Haltung der Sozialdemokratie unterstützt. auf Heine Wolfgang Heine hatte in einer Rede am 10. Februar 1898 im dritten Berliner Reichstagswahlkreis die opportunistische Auffassung vertreten, die Sozialdemokratie könne einer preußisch-junkerlichen Regierung Militärforderungen für »Volksfreiheiten« bewilligen. Mit diesem Kompromiß wollte Heine den antimilitaristischen Kampf der deutschen Sozialdemokratie revidieren. und auf Vollmars letzte Rede in München. Gemeint ist Georg von Vollmar, der in dieser Versammlung Ende September 1899 u. a. die opportunistischen Anschauungen Max Schippels und Eduard Bernsteins verteidigt hatte. Ich begreife nicht, wie jemand, der den Militarismus technisch für unentbehrlich und wirtschaftlich für eine Entlastung hält, so unlogisch ist, gegen die Militärausgaben zu stimmen. Da bleibt doch nur übrig, daß jene Genossen entweder früher oder später die Militärforderungen bewilligen, oder aber, daß sie ihren Standpunkt verlassen und sich auf den Boden unserer Milizforderung stellen. Jetzt allerdings lehnen sie die Militärforderungen noch ab, aber wenn ihre Auffassungen mehr an Boden gewonnen haben, dann werden sie schließlich auch für die Militärvorlagen stimmen. (Unruhe, Widerspruch und Zustimmung.)

Einige Genossen haben gefragt, ja wo ist der Opportunismus, von dem ihr gesprochen habt? Nun, Genossen, in den Äußerungen Schippels, Heines, Vollmars über den Militarismus haben Sie die beste Antwort. Dort ist der Opportunismus in der krassesten Form zum Ausdruck gekommen. Dagegen müssen wir vorgehen. Bitte, nehmen Sie meinen Antrag an, der die Schippelsche Auffassung zurückweist, und antworten Sie dadurch Schippel mit denselben Worten, die er uns zugerufen hat:

Fort mit dem Brei –
Ich brauch' ihn nicht
Aus Bappe schmied' ich kein Schwert!


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