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Dreizehntes Capitel.
Ein bedenklicher Bericht.


Es folgten nun einige stille Tage häuslicher Einsamkeit, an denen Hermann sich in seiner nachträumenden Aufregung mit der von Bercagny erwarteten Arbeit versuchte. Ein Versuch blieb es noch immer, und einen gründlichen Ernst konnte er noch nicht fassen. Denn wenn er nun auch einen Ausgangspunkt dafür an seinen Erinnerungen aus Halle gefunden hatte, so wollte es doch auch damit nicht recht vorwärts gehen. Jüngere, nähere Erlebnisse durchkreuzten ihm jene ältern. Das liebe Halle ward ihm zwar durch die Briefe seines Vaters und seiner Schwester im Gedächtniß aufgefrischt, aber Adele schlug zu fieberhaft in seinen Pulsen. Eine Unruhe, ein Verlangen stürmten in seinem Blute, und regten ihn mit üppigen Phantasien und wol auch mit ungeordneten Wünschen auf. Zum ersten mal waren in seiner Brust die ruhig angesessenen Grundsätze mit neu eindringenden Begierden in Kampf gerathen.

Von einem einsichtsvollen Vater mit Sorgfalt, auch für gesellschaftlichen Verkehr erzogen, und voll edlen Bestrebens, hatte Hermann seine laufenden Stunden mit eifrigen Studien, seine Zukunft mit hohen und weitaussehenden Entwürfen ausgefüllt. Was ihm dazwischen – einem so gesunden, empfindsamen und lebensfrischen Jüngling – von Regungen der Liebe gelegentlich begegnet war, hatte doch mehr durch schwärmerische Vorstellungen, als – wie diesmal – durch aufgeregte Sinne sein Herz berührt. Nun war ihm diese reizende Creolin wie ein Zauber angethan. Er konnte sich seiner Phantasiebilder durch keine Zerstreuung entschlagen, und rief er ernste Betrachtungen in sich auf, so trat gleich die lächelnde Gräfin hervor und sagte: Du ehrlicher Deutscher, begnügst dich mit dem ledernen Ueberzug und lässest das allerliebste Händchen selbst einem Andern. O was bist du doch für ein lederner Bursche!

Wenn dann diese fieberhaften Wallungen so mächtig wurden, daß sie seinen Gedankenkreis trübten und verwirrten, so mußte er die Feder wegwerfen; es ward ihm zu heiß und enge im Zimmer; er rannte fort – den Elisabetherplatz hinaus, über die Rasenecke des Friedrichsplatzes hinab in die kühle Au, wo er sich mehr als einmal nicht anders helfen konnte, als daß er einen glatten Lindenbaum oder schlanken Fichtenstamm umarmte, und den süßen Namen Adele in die Luft hauchte.

Allerdings waren Aufregungen dieser Art dem jungen Freunde neu; aber es war auch der erste Lebensmai, der ihn aus den Gehegen der Studien in den freien Kreis thätiger Bestrebungen geführt hatte, – neu diese nahe Berührung mit einer Tochter der Antillen, die noch vom Dufte jener heißen Klimate umhaucht schien und fast nur in jenen Duft gekleidet war. Und wer weiß, welchen unmerklichen Einfluß die Atmosphäre einer Gesellschaft, wie jene in der Jerôme'schen Residenz war, auf jugendliche Pulse ausüben konnte!

Beruhigter zurückgekehrt, überredete er sich, daß es ihm eigentlich noch an positivem Stoffe zu seiner Arbeit für Bercagny fehle. Er überlegte hin und her, bis ihm Rehfeld's Einladung an Lina's Polterabend einfiel. Der Baron hatte sich ihm als ein Mann von ausgebreiteten Bekanntschaften und Verbindungen in Berlin und in Norddeutschland überhaupt verrathen, und Hermann war unbefangen genug, sich die vertrautesten Mittheilungen von ihm zu versprechen.

Der Baron hatte vor dem Thor, in der Allee nach Napoleonshöhe, eine artige Wohnung gemiethet. Er saß eben in einer bequemen Piquéjacke, aus einer langen Pfeife rauchend, auf dem kleinen Altan des Hauses, als der junge Freund gegen Abend seinen Besuch machte. Er eilte ihm entgegen, empfing ihn sehr aufgeräumt, wie es schien aus vergnügtem Nachträumen über die Briefschaften, die durcheinander auf einem Tischchen lagen. Er setzte dem jungen Freund einen zweiten Stuhl hinaus auf den Balcon und machte ihm eine Pfeife zurecht, wobei er dem herbeigeschellten Bedienten Wein zu bringen befahl.

Es ist mir sehr lieb, sagte er unter wiederholtem Händedruck, daß Sie mich endlich besuchen. Ich dachte schon, Sie hätten jenen Abend Anstoß an mir genommen. Man ist manchmal ein närrischer Kerl, und – kommt in Cassel auch als närrischer Kerl am besten fort. Sehen Sie, hier können wir den schwülen Abend angenehm verplaudern und – vertraulich. Denn wenn in Cassel auch die Wände Ohren haben, die Lindenbäume da vor uns sind verschwiegene Gesellen und meine treuen Nachbarn. Sie scheinen aber auch von der geheimen Polizei zu wissen, denn sie flüstern nur untereinander. Ich bin gestern Abend vom Land herein zurückgekommen Ich habe einige angenehme Bekanntschaften in der Umgegend, da nach Homberg hin. Der Adel hat artige Landsitze zwischen kostbaren Waldungen. Ich denke den Winter fleißig zu jagen, wenn ich bis dahin – nicht selber gejagt bin. Ha, ha! Dies Cassel nimmt sich von auswendig – aus einiger Ferne, ganz anders aus, als von inwendig. Das junge Reich hat einen steifen, rauhen Landesanzug über einem weichen, üppigen Residenzunterfutter. Inwendig wohnt die Lust und der Leichtsinn, auswendig Groll und – Muth. Aber – wie haben Sie's getrieben? Brav Bekanntschaften gemacht? 'was Neues gelernt?

Hermann ging kurz und mit gleichgültiger Miene über seine letzten Tage hinaus, und brachte dann auch sein Anliegen wie einen zufälligen Unterhaltungsstoff aufs Tapet.

Aha! rief Rehfeld mit einem schalkhaften Lächeln. Ich dachte mir's wohl, daß ein junger Mann von Ihrem Sinn und Streben sich den großen Angelegenheiten und – den Bestrebungen der Zeit nicht für immer fremd halten kann. Man muß sie wenigstens kennen – lenkte er mit einem beobachtenden Blick auf Hermann ein – und ich will auch nicht mehr sagen, als daß ich mich ein wenig um die Dinge bekümmert habe und – einem ehrlichen, verschwiegenen Freunde Manches vertrauen kann. Sie sagten mir damals, daß Sie vom Tugendbund, von Fichte's Reden und andern preußischen Bewegungen nichts Genaueres wüßten. Allerdings ist der Tugendbund auch erst im Werden, beunruhigt aber schon die Franzosen gewaltig. Aeußerlich will er auch gar kein Geheimniß sein, und der König hat ihn durch eine Cabinetsordre öffentlich genehmigt. Ein Verein bildet sich nämlich von Königsberg aus durch Preußen – angeblich für sittlich-wissenschaftliche Zwecke, um die schweren Verluste des Staats an Geld und Ländergebiet durch geistige und moralische Kraft des Volks zu ersetzen. Kraft und Tüchtigkeit auf der einen – Muthlosigkeit oder Ueberspannung auf der andern Seite sollen an diesem Bunde für eine tüchtige Zukunft Preußens einen starken Anhalt und eine rechtschaffene Leitung finden. Ein Unternehmen, das die Folgen des jenaer Unglücks, das Elend des Kriegs, die Noth der Zeit zu mildern sucht, könnte den Franzosen, die das Land noch besetzt halten, nicht unstatthaft, nicht als Verschwörung erscheinen; aber – sie glauben an geheime, dem König vielleicht selbst verheimlichte Artikel des Bundes; sie träumen von einer Volksopposition nach dem Vorbilde der jetzigen Aufstände in Spanien; sie fürchten ein stilles Unternehmen zur Befreiung des Vaterlandes von französischem Druck und Einfluß, und – die geheimen Zwecke des Bundes, die Mittel und Wege dazu, Das ist es, was sie zu erforschen streben.

Hermann fragte nach den Stiftern und Mitgliedern des Bundes. Der Baron nannte ihm verschiedene Männer, die dem jungen Freunde zum Theil persönlich bekannt waren.

Die angesehensten und berühmtesten Mitglieder sind es vielleicht dem Namen nach nicht, bemerkte Rehfeld. Sie wollen, ihrer amtlichen Stellung nach, nicht namentlich dem Bund angehören, sind aber vielleicht im Geiste desselben die wirksamsten, einflußreichsten Kräfte.

Ich kann mir denken, sagte Hermann, was das Geheimnißvolle des Bundes, der zusammenhaltende Eifer, das Vorbereiten der Hülfsmittel nützen, wie sehr das Bewußtsein von einem solchen Bunde, die Ahnung von wirksamen Genossen alle Gleichgesinnten weit und breit in Deutschland ermuthigen muß. Das ist eine geistige Macht, die wir der Waffengewalt Frankreichs entgegenführen können.

Ja! rief der Baron vergnügt, indem er, lebhaft einschenkend, mit Hermann auf das Glück und Ziel des Bundes anstieß. Und dieser Muth hat sich schon in den Reden Ihres großen Lehrers Fichte verkündigt, und – sehen Sie – daß aus dem Kreise seiner Zuhörer aus allen Ständen nichts verrathen worden, ist schon eine stillschweigende Verschwörung.

Letzten Winter hat er sie gehalten? fragte Hermann.

Sagen Sie – losgelassen! lachte Rehfeld, und zwar inmitten der französischen Besatzung von Berlin, oft unterbrochen von der Janitscharenmusik der an der Akademie vorüberziehenden Truppen. Man hat es eine hohe That genannt. Nun freilich! Den Thron Napoleon's haben sie noch nicht umgeworfen, wie Josua's Posaunen die Mauern von Jericho. Doch hätten sie leicht zu einer Probe führen können, ob französische Kugeln durch ein philosophisches Ich unschädlich durchgehen, wie durch blauen Dunst, und ob also unser deutscher Idealismus kugelfest sei.

Sind die Reden gedruckt? fragte Hermann.

Noch nicht! erwiderte der Baron; aber – sie circuliren in Abschriften, einzeln. Und – – da liegt Einiges davon, was mir eben geschickt worden.

Er holte aus den Briefschaften ein feingeschriebenes Heftchen hervor und sagte:

Ich will Ihnen eine Stilprobe geben, keine gerade der gewaltigsten Stellen, aber eine für mich sehr ansprechende Ansicht. Fichte redet von der Vaterlandsliebe und spricht dabei über die Liebe überhaupt einen Gedanken aus, der – glaube ich – bei uns hier in Cassel nicht hoffähig ist. Er bezeichnet ein Volk als die geistige Natur der menschlichen Umgebung, aus welcher der Einzelne mit all' seinem Denken und Thun und mit seinem Glauben an die Ewigkeit desselben abstammt und seine Bildung empfängt. Unter derselben Naturordnung, behauptet er, werden, so lange dies Volk besteht, auch alle fernere Offenbarungen des Göttlichen in demselben eintreten und in ihm sich gestalten. Und nun sagt er –

Der Baron hatte in dem Heft hin- und hergeblättert, und las dann:

»Der Glaube des edeln Menschen an die ewige Fortdauer seiner Wirksamkeit auch auf dieser Erde gründet sich demnach auch auf die Hoffnung der ewigen Fortdauer des Volks, aus dem er selbst sich entwickelt hat, und der Eigenthümlichkeit desselben nach jenem verborgenen Naturgesetz, ohne Einmischung und Verderbung durch irgend ein fremdes, in das Ganze dieser Gesetzgebung nicht gehöriges Volk. Diese Eigenthümlichkeit ist das Ewige, dem er die Ewigkeit seiner selbst und seines Fortwirkens anvertraut, die ewige Ordnung der Dinge, in die er sein Ewiges legt. Ihre Fortdauer muß er wollen, denn sie allein ist ihm das entbindende Mittel, wodurch die kurze Spanne seines Lebens hienieden zu fortdauerndem Leben ausgedehnt wird.«

Und nun, fuhr Rehfeld fort, leitet der Redner aus dieser großen Ansicht vom Verhältniß des Einzelmenschen zu seinem Volke zweierlei ab: die Liebe zum Volke, es achtend, ihm vertrauend, seiner sich freuend, mit der Abstammung aus ihm sich ehrend, und zweitens die Pflicht, sich thätig, wirksam, aufopfernd für dasselbe zu erweisen. Bei dieser Gelegenheit sagt er dann –

Der Baron las wieder:

»Die Liebe, die wahrhaft Liebe und nicht blos eine vorübergehende Begehrlichkeit ist, haftet nie auf Vergänglichem, sondern sie erwacht, entzündet sich und ruht nur in dem Ewigen. Nicht einmal sich selbst vermag der Mensch zu lieben, es sei denn, daß er sich als etwas Ewiges erfasse; außerdem vermag er sich sogar nicht zu achten, noch zu billigen. Noch weniger vermag er etwas außer sich zu lieben, außer also, daß er es aufnehme in die Ewigkeit seines Glaubens und seines Gemüths, und es anknüpfe an diese.«

Edle, herrliche Gedanken! rief Hermann hingerissen, als ihm der Baron mit fragender Heiterkeit in die Augen blickte. Aber, lieber Herr von Rehfeld, Sie müssen mich Alles lesen lassen. Nicht wahr?

Da nehmen Sie das Heft zu sich! antwortete der Baron. Ich hab's zwar selbst noch nicht ganz gelesen; aber Sie bringen mir's dann bald wieder. Und morgen geht mir ohnehin der Tag auf Beantwortung der Briefe ganz darauf; denn morgen Nacht spricht der Bote ein, der –

Er hielt inne, und sagte rasch:

So! Stecken Sie's zu sich!

Hermann dankte mit herzlichem Wort und Handdruck und erhob sich zu gehen. Der Baron, indem er ihn bis vor das Haus begleitete, sagte leichthin:

Es sind freilich nur Gedanken eines Philosophen, eines Idealisten; aber wie – wenn sie befruchtend in den Schoos eines Bundes, wie des Tugendbundes, und in die Herzen eines unterdrückten Volks fallen und als Thaten geboren werden? Wenn, wie Fichte darlegt, die Eigenthümlichkeit eines Volks keine Einmischung eines fremden, in seine Gesetzgebung nicht gehörigen Volks verträgt, – sagen Sie: Ist dann eine Erhebung gegen Fremdherrschaft nicht eine nationale Pflicht?

Hermann stutzte über diese Frage. Er behielt sich vor, dieselbe ernstlich zu erwägen, wünschte Gutenacht und wandelte nachdenklich dem Thore zu.

Dämmerung lag unter den Lindenbäumen; aus den Gärten zog mit der feuchten Abendluft die Würze der blühenden Stauden und der Blumenbeete über die hohen grünen Hecken; in den Gebüschen des sogenannten Weinbergs schlug eine Nachtigall. Die Allee war von Spazierenden belebt, und auf der Thorwacht stimmten die Soldaten ein lustiges Lied an.

Unter diesen Eindrücken kam der aufgeregte junge Freund nach Hause, und warf sich sogleich über das mitgebrachte Heft, bis er es tief in der Nacht durchgelesen hatte. Aus demselben fielen auch, von gleicher Hand geschrieben, ein paar Blätter, die bedeutende Notizen über geheime Unternehmungen in Preußen und Norddeutschland und über die dabei betheiligten Personen – Männer zum Theil von hoher Stellung und berühmtem Namen, enthielten. Wahrscheinlich hatten sich diese Blätter in das Heft verschoben; denn sie waren doch zu wichtig, als daß Rehfeld sie, auch bei dem guten Vertrauen, das er für Hermann gefaßt zu haben schien, mit Absicht eingelegt haben sollte.

Hatte nun der vermeintliche Mangel an Stoff den jungen Freund zum Baron getrieben, so saß er am andern Tage in der noch größern Verlegenheit des Ueberflusses. Von all' den mündlichen und schriftlichen Mittheilungen hochgestimmt, und dazwischen doch von manchem Inhalt auch wieder unbegreiflicherweise beunruhigt, griff er wieder zu seiner Arbeit. Bei der edeln Unbefangenheit seines Herzens, und unter der hohen Meinung, die er von Bercagny's Absichten einmal gefaßt hatte, war so wenig Ahnung als Gedanke von Verrath in seiner Seele. Was ihn dennoch in der Freiheit seiner Abfassung hemmte, schien ihm in der Form einer für ihn ganz neuen Darstellung zu liegen. Es sollte doch, seiner Meinung nach, keine eigentlich gelehrte, sondern eine geschäftliche – was man sagt praktische Arbeit sein, die ihre eigenthümliche Handhabe verlangte. Er überdachte seinen Gegenstand, ordnete seinen Stoff; aber aus diesem selbst, wie es schien, sprang Einiges hervor, was sich wie geflissentlich gegen die Feder des Berichterstatters sperren wollte. Die Absicht schwebte ihm zwar im Allgemeinen vor, daß er die innere Macht deutscher Ideen und den Einfluß deutscher Geister auf das nationale Leben darzulegen habe; sobald er aber nach Worten, namentlich für diesen Einfluß suchte, und um die Gedanken an Fremdherrschaft und Volkserhebung herumging, überfiel ihn eine Angst, über die er sich keine Rechenschaft geben konnte, und die er für Verdruß über seine mangelhafte Entwickelungs- und Darstellungsgabe zu nehmen gestimmt war. Er hätte einsehen sollen, daß es bloße Ungeduld war, und daß es ihm an Ernst und innerer Sammlung fehlte.

In dieser Unzufriedenheit mit sich selbst stand er mehr als einmal auf, die Feder wegwerfend und entschlossen, die ganze Arbeit zu unterlassen. Dann überlegte er aber wieder, daß jeder Weg zu einem Lebensberuf ihm einen mühsamen Anfang bieten werde; daß es seine Pflicht sei, zu ringen und sich anzustrengen, und daß seine Ehre erfodere, die zugesagte und sogar voraus honorirte Arbeit zu liefern. Nun wurde ihm auch klar, daß es ja seine Aufgabe nicht sei, den Gegenstand in einem einzigen Bericht zu erschöpfen, sondern daß er den reichen Stoff in einer Reihe von Berichten abhandeln dürfe. Er setzte also wieder an, und wollte sich das erste mal ganz im Allgemeinen halten. Fichte's Ideen boten einen Schatz von Betrachtungen, besonders auch über deutsche Nationalität und Volkserziehung. Um aber auch Bercagny's Verlangen nach Personalkenntniß nicht leer ausgehen zu lassen, schilderte Hermann eine kleine Reihe der einflußreichsten Schriftsteller, unter denen er mit dankbarer Anerkennung Henrich Steffens aufführte, dessen Schrift: »Ueber die Idee der Universitäten«, er als ein theures Handbuch der Studenten bezeichnete. Die erhebende Empfindung, mit welcher er diese Schrift zuerst gelesen hatte, mochte ihm gegenwärtiger sein, als der Gedankengang derselben, der in den Augen der Franzosen schwerlich Gnade gefunden hätte.

Der fertige und reingeschriebene Bericht befriedigte freilich den so hoch gespannten Freund auch nicht; ja, er erklärte ihn für das Mühsamste und zugleich Oberflächlichste, was wol noch aus seiner zerkauten Feder geflossen oder vielmehr zusammengetröpfelt sei. Allein er wollte die Sorge einmal vom Herzen haben, und glaubte am besten darüber hinaus zu kommen, wenn er die Arbeit nur nicht persönlich überbrächte, sondern sie überschickte. Rasch packte er die saubern Bogen ein, versiegelte und übergab sie dem Lohndiener zur Bestellung.

Die Last vom Herzen geschüttelt, rieb er seelenvergnügt die Hände. Und wie man aus einem anhaltenden hohen Schwung der Seele leicht auf eine Plattheit fällt, so ging es Hermann mit dem ziemlich frostigen Witze, den er seinem fortgebrachten Packete lachend nachschickte.

Ungenügend mag Bercagny den Bericht finden, rief er, aber leichtfertig darf er nicht genannt werden, denn er ist schwer genug fertig geworden!



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