Egon Erwin Kisch
Der rasende Reporter
Egon Erwin Kisch

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Versteigerung von Castans Panoptikum am 24. Februar 1922

Ein Podium, auf dem der Auktionator, nach rechts gewendet, vor einem Tische agiert. Dahinter auf Postamenten die Wachsfiguren Goethes, Sternickels, Rothschilds und King Edwards VII.

Der Auktionator: . . . Zum ersten, zum zweiten – bietet niemand mehr für Napoleon? – und zum dritten. (Mit dem Auktionshammer zuschlagend.) Verkauft! Der Name des Käufers, bitte?

Stimme: Schaubudenbesitzer Klein.

Der Auktionator (den Namen notierend): Danke. (Verkündend.) Die Auktion ist für heute beendet, die restlichen Figuren werden morgen versteigert. Beginn acht Uhr vormittags. (Er geht vom Podium und zündet sich eine Zigarette an.)

Der Prokurist des Hauses A. Rothschild (ein alter Herr mit Zylinder, weißen Handschuhen und Silberstock): Gestatten Sie die Frage, ob man noch eine der Figuren kaufen könnte?

Der Auktionator: Kaufen? Unmöglich! Aber Sie können sich doch morgen an der Versteigerung beteiligen.

Der Prokurist: Das wollte ich eben vermeiden. Es handelt sich, hm, um die Figur einer Persönlichkeit, die, hm, unserem Hause nahesteht. Und wir wünschen nicht, daß die Zeitungen darüber berichten, um welchen Preis sie losgeschlagen wurde. Wenn es ein zu geringer Betrag wäre, so wäre uns das, hm, peinlich. Sie begreifen: eine Persönlichkeit, die, hm, unserem Hause nahesteht. Andererseits, hm, möchten wir auch keinen allzu hohen Preis bezahlen.

Der Auktionator: Es handelt sich wohl hier um die Figur des seligen Herrn Sternickel?

Der Prokurist: Nein, ich kann leider nicht sagen, hm . . .

Der Auktionator: Ach so, ich weiß schon; es handelt sich um den alten Rothschild?

Der Prokurist (etwas betroffen): Wie gesagt, hm, ich darf keinerlei . . .

Der Auktionator: Ja, wenn sich's um Nummer 222 handelt, den alten Rothschild – da ist die Sache ganz anders!

Der Prokurist: Wieso?

Der Auktionator: Ja, da kann ich, hm, leider keinerlei Angaben machen, hm, Amtsgeheimnis, hm.

Der Prokurist (zieht die Brieftasche, entnimmt ihr eine Banknote und hält sie in der Hand): Wenn ich Sie, hm, aber bitte?

Der Auktionator (nimmt die Banknote): Na, wenn Sie mich so bitten, kann ich es Ihnen wohl sagen. (Flüsternd.) Also, die bisherigen Besitzer von Castans Panoptikum haben in Erfahrung gebracht, daß das Bankhaus Rothschild den Maier Anselm dahier kaufen will.

Der Prokurist: Verteufelt! Unser ganzes Unternehmen ist voll von Spionen. (Mit scheuem Blick auf die Figur Rothschilds schlägt er sich auf den Mund. Gleichsam zur Figur.) Das heißt: In allen Bankhäusern verraten jetzt die Angestellten die Beschlüsse und Tips an die Spekulanten . . . Bei uns ist's noch verhältnismäßig besser . . .

Der Auktionator: . . . na, und da haben eben die bisherigen Besitzer von Castans Panoptikum beschlossen, den alten Maier Rothschild hinaufzulizitieren, damit sie recht viel Geld herausschlagen. Ich weiß sogar, bei welchem Betrage die Castan-Gesellschaft Ihnen die Figur in der Hand lassen will.

Der Prokurist: Nun? Bei welchem Preis denn?

Der Auktionator (achselzuckend): Amtsgeheimnis!

Der Prokurist (Brieftasche, Banknote): Wenn ich Sie aber bitte!

Der Auktionator (Banknote nehmend): Na, wenn Sie mich so bitten, kann ich's Ihnen wohl sagen: Sie haben beschlossen, den Preis bis auf dreißigtausend Mark hinaufzutreiben.

Der Prokurist: Verflucht! Und wieviel ist denn eine solche Wachspuppe de facto wert?

Der Auktionator: Das ist eine Liebhabersache, fünfzehnhundert bis fünftausend Mark etwa. Sehen Sie, für den Goethe da hat sich zum Beispiel noch gar kein Interessent gefunden. Der wird wahrscheinlich morgen an eine Seifenfabrik losgeschlagen. Der olle King Edward da ist auch schon keine Attraktion mehr für eine Schaubude. Seine Zeit scheint vorbei, aber eine Freundin interessiert sich für ihn, die war schon zweimal hier, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen, und wird ihn vielleicht kaufen. Viel wird sie ja dafür nicht bezahlen müssen. Na, und der Rothschild ist auch nichts mehr für ein Panoptikum. Den Stinnes hätten sie modellieren sollen; aber vor dem haben sie wohl Angst gehabt, daß er dann die ganzen Nummern verschiebt. Wenn sich nicht Ihr Bankhaus für den Rothschild interessiert hätte, so würden sich wohl schon nächste Woche ein paar Leute mit ihm die Hände waschen. Der Sternickel da, das ist ein anderer Kerl. Um den raufen sich die Panoptikums und die Schaubudenbesitzer . . .

Die Besitzerin der Diele »Zur feschen Böhmin« (ist eingetreten): Guten Abend wünsch ich. (Sie knickst vor Edward VII.)

Der Prokurist (zum Auktionator): Also ich danke Ihnen vorläufig für die Informationen. Gute Nacht! (Ab.)

Der Auktionator (zum Prokuristen): Gute Nacht! (Zur feschen Böhmin.) Sie wünschen, mein Fräulein?

Die fesche Böhmin: Sie wissen ja, Herr Versteigerungspräsident, ich komm wegen Seiner Majestät, meinem goldenen Edi. (Sie streichelt die Figur Edwards.) Mein Schnuckichen, mein Bubi, mein Süßer! Kennst du noch deine kleine Inaff? Wie hat sie dich immer gestreichelt, deine süße Inaff!

Der Auktionator: Sie haben ihn wohl persönlich gekannt?

Die fesche Böhmin: Gekannt? Geliebt hab ich ihn. (Zur Figur.) Hab ich dich geliebt? Inaff, Inaff? Wissen Sie, so hat er mich nämlich immer genannt, wenn ich ihn abgebusselt hab. »Inaff, Inaff!«

Der Auktionator: Wie haben Sie ihn denn kennengelernt?

Die fesche Böhmin: In Marienbad hat er mich einmal angesprochen, ganz unvermutet hat er sich erlaubt, mich anzusprechen – mir nix, dir nix! (Zur Figur, drohend.) Du Schlankerl!

Der Auktionator: So? Er hat Sie angesprochen?

Die fesche Böhmin: Ja, denken Sie sich, ganz als ein Fremder spricht er da eine fremde Dame an! (Zur Figur.) Du bist mir ein Feiner!

Der Auktionator: Wie kam denn das?

Die fesche Böhmin: No, ich bin ihm eben ein bisserl nachgelaufen, eine Woche lang oder vierzehn Tage, sehr diskret, wissen Sie, ganz unauffällig bin ich so neben ihm gegangen oder zwei Schritte vor ihm und hab mich so hie und da ein bisserl nach ihm umgedreht – aber wissen Sie, ganz unauffällig, so zum Beispiel –, no, und eines Tages hat er mich einfach zu sich herangewinkt, mir nix, dir nix – bitte, eine ganz fremde Dame! Und nachmittags bin ich zu ihm hinaufgekommen ins Hotel Savoy – wissen Sie, das war ein feines Hotel, ich bin schon in meinem Leben in vielen Hotels gewesen, das können Sie mir schon glauben, aber so ein feines Hotel hab ich noch nicht gesehen! – Also ich bin zu ihm hinaufgekommen in das Hotel, und ich war sehr freundlich zu ihm, sehr leutselig, und schon nach einer halben Stunde hat er mich so gerne gehabt, daß er zu mir gesagt hat: Inaff!

Der Auktionator: Wissen Sie denn auch, was das heißt: enough!?

Die fesche Böhmin: Nein, das weiß niemand auf der ganzen Welt, das wird ein Wort aus Indien sein, (flüsternd) aus Hinterindien vielleicht – Sie entschuldigen schon – er war ja auch Kaiser von Indien, mein Bubi, mein Kleines! Damals, wie wir uns geliebt haben, war er noch nicht Kaiser, nicht einmal König, damals war er noch Prinz von Waaleß. Und wie er dann König geworden ist, ist er wieder nach Marienbad gekommen, no, und ich wollt ihn ansprechen und bin so um ihn herumgeschlichen beim Kreuzbrunnen, und er hat mich wiedererkannt, ich hab's ganz deutlich gehört, wie er gesagt hat »Inaff« – aber diese Gauner, diese Detektivs haben mich weggewiesen. Na, ich hab ihm aber einen Brief geschrieben –!

Der Auktionator: Auf den haben Sie wohl keine Antwort erhalten?

Die fesche Böhmin: Aber da täuschen S' Ihnen groß! Er hat mir fünfzig Dukaten geschickt, und dafür hab ich mir die Weinstube aufgemacht hier in Berlin, »Zur feschen Böhmin«, eine Diele mit Sektzwang – inaff! –, Jägerstraße 14. Wenn S' amal zu mir kommen, Herr Auktionspräsident, kriegen S' Regiepreise, morgen abend können Sie zu mir kommen, ich lade Sie ein, da brauchen S' überhaupt nichts für den Sekt zu zahlen, und eine Kellnerin schick ich Ihnen ins Séparée, ein Mädel, sag ich Ihnen, bildhübsch und sehr geschickt.

Der Auktionator (geil und rasch): Also gut, ich komme! Morgen abend!

Die fesche Böhmin: Aber da müssen S' morgen schnell mit dem Hammer klopfen, daß ich ihn billig bekomme, meinen Bubi da. Ich will mir ihn nämlich neben mein Bett stellen, damit meine Freunde und meine Gäste sehen, was ich für noblichte Bekanntschaften hab.

Der Auktionator: Machen wir, machen wir! Und morgen abend komm ich zu Ihnen, Jägerstraße 14. (Er streckt ihr die Hand hin.) Gut?

Die fesche Böhmin: Aber, wie gesagt. (Zur Figur.) Gute Nacht, Königliche Hoheit (Hofknicks), mein Zuckerbubi (sie küßt die Gestalt). Inaff? Inaff?

Der Auktionator: Gute Nacht, mein Fräulein!

Die fesche Böhmin: (abgehend): Gute Nacht. Und klopfen Sie nur recht schnell mit dem Hammerl.

Der Auktionator: Enough! (Er zieht den Paletot an, setzt den Hut auf, verlöscht das Licht, geht ab. Man hört, wie er die Tür abschließt. Die vier Figuren bleiben im Halbdunkel allein.)

Goethe: Mehr Licht!

Rothschild: Wie Sie wünschen, Herr Geheimrat! (Zu Sternickel.) Möchten Sie nicht die Freundlichkeit haben, Herr Sternickel, mir für e Augenblick die Blendlaterne zu borgen, damit ich den Schalter gleich finde.

Sternickel: Nee, oller Rothschild, een Juden jeb ick meene Instrumente nich in die la maing. Ick dreh mir meine Dinger lieber alleene. (Er knipst das elektrische Licht an.)

Edward VII.: That's terrible! Da werde ich jetzt ewig bei diesem schrecklichen Weibsbild stehen müssen, in ihrem Schlafzimmer.

Rothschild: Sein Se froh, daß Se nix zu Seife verarbeitet werden, wie mein Landsmann da, der Herr Geheimrat Goethe.

Goethe:
Denn alles, was besteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht.

Sternickel: Na, Sie hätten doch ooch vorjezogen, hier noch een paar Jährchen uff dem Sockelchen zu stehn. Bei mir is det was anderes: Ick bin froh, det ick wechkomme. Hier wird man in eenem fort an die Schattenseiten von sein' Beruf erinnert. Lauta Andenken an den Scharfrichter, lauta Fallbeile, Richtschwerter, Folterinstrumente – und det eenzige Frauenzimmer hier is de eiserne Jungfrau.

Rothschild: Ausgerechnet für Herrn Sternickel wird man e Prinzessin mit Reizwäsche hereinstellen.

Sternickel: Halt man die Schnauze, alter Itzig! Mit dir redet doch keener! Ick unterhalte mir mit Herrn Joethe. Sagen Se mal, es is doch janz schön hier . . .

Goethe: Es möcht kein Hund so länger leben . . .

Sternickel: Wieso denn nich? Freun Sie sich jar nich, wenn die Onkels mit die Kataloge komm' und nachblättern, Nummer 165, der berühmte Dichterfürst Joethe?

Goethe:
Oh, sprich mir nicht von jener bunten Menge,
Bei deren Anblick uns der Geist entflieht.

Rothschild: Gar so bunt war die Menge auch nix in die letzten Jahre. Während des ganzes Tages hab ich mir den Kopf zerbrochen und kalkuliert, wie sich das Unternehmen rentieren soll. In so e teuern Gegend! In der Friedrichstraße, bei die hohen Mieten! Das ist nix e so wie bei uns in Frankfurt, was, Herr Geheimrat? »Ja, mein Frankfurt lob ich mir, es is e klein Paris und bildet unsere Leut!«

Goethe (entrüstet verbessernd): Mein Leipzig lob ich mir.

Rothschild: Was heißt »mein Leipzig«? Sie sind doch aus Frankfurt, ich hab Sie doch noch gekannt, wie Sie noch e klaaner Rotzbub waren. Wenn Sie mich auch nix erwähnt haben in Ihrer »Wahrheit und Dichtung«. Ich war Ihnen zu wenig nobel! Sehn Se, und morgen werden Sie doch zu Seife verarbeitet, und ich werd in mei Bankhaus aufgestellt, als Denkmal . . .

Goethe:
Es kann die Spur von meinen Erdentagen
Nicht in Äonen untergehn . . .

Sternickel: Det is aber doch schade um Sie. Der einzige Mensch, mit dem man sich geistig unterhalten konnte.

Edward VII.: Aoch ich bin very sorry, that Sie verarbeitet werden. Hoffentlich werden Sie eine Seife for really gentlemen.

Rothschild: Schad, daß ich nix mehr am Leben bin, sonst hätt ich Sie angekauft für unsere Frankfurter Filiale . . .

Goethe:
Macht nicht so viel Federlesen!
Setzt auf meinen Seifenstein:
Dieser ist ein Mensch gewesen.
Und das heißt: ein Kämpfer sein.

Edward VII.: Excuse me, Mister Sternickel, sind Sie aoch in Frankfurt geboren?

Sternickel: Nee, Majestät, nur hinjericht' worden bin ick in Frankfurt.

Goethe und Rothschild (gleichzeitig): Frankfurt an der Oder.

Sternickel: Geboren bin ick in Nieder-Mechanna, Kreis Rybnik, am . . . am, (er nimmt den Katalog vom Auktionstisch und blättert) aha, Nummer 310, geboren am 11. Mai 1866, gelernter Müller, hat im Januar 1903 zu Ortwig in der Mark an seinem Dienstherrn Kallies, an dessen Ehefrau und dessen Magd seinen ersten Raubmord . . .

Edward VII.: Enough!

Sternickel (weiterlesend): Seine nächste Bluttat verübte Sternickel . . .

Edward VII.: Enough! Enough!

Goethe:
Ihr laßt den Armen schuldig werden,
Dann überlaßt Ihr ihn der Pein . . .

Rothschild: Sehr gut gesagt, Herr Geheimrat, sehr gut! »Ihr laßt den Armen schuldig werden.« Die Armen waren mir von jeher immer etwas schuldig.

Edward VII.: Bitte, keine Anspielungen, Mister Rothscheild. Ich habe mir zwar von Ihrem Neffen, Sir James, Geld ausgeborgt, aber das ist doch hoffentlich ein Unterschied.

Rothschild: Ob das ein Unterschied ist! E Armer borgt sich aus aus Not, e Reicher borgt sich aus aus Übermut.

Edward VII.: Stellen Sie sich vielleicht auf den Standpunkt from the sozialen Ausgleich?

Rothschild: Wenn Se so fragen, is es schon e Unrecht, daß es gar e so große Unterschiede gibt zwischen arm und reich.

Sternickel (zu Rothschild, gehässig): Vielleicht jar keen Unterschied, nich? Mit dein Gemauschel von de soziale Jerechtigkeit kannste mir bloß jiftig machen. Det muß Reiche und Arme jeben: Wo kommen wir sonst hin? Wo soll ma denn da einbrechen? Wen soll man denn da ausrauben, wenn se alle jleich haben . . .

Rothschild: Man soll auch nicht!

Sternickel: Det möcht dir so passen, du vermanschte Wachsfigur!

Goethe: Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied!

Sternickel (noch immer ärgerlich): So 'n Quatsch. »Soziale Jerechtigkeit.« Wat soll 'n dann werden!

Goethe:
Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde,
Als unsre Schulweisheit sich träumen läßt.

Rothschild: Das is doch nix von Ihnen, Herr von Goethe!

Goethe (erstaunt): Nicht von mir?

Sternickel: Von mir ooch nich!

Goethe: Nicht von mir? Ich Ebenbild der Gottheit, und nicht einmal von mir? Von wem denn?

Edward VII.: That's from Shakespeare.

Sternickel: Aha – Shakespeeareh, sprich Schecksbier, Nummer 152, det is der, was neben die Schneewittchengruppe, Nummer 142, steht.

Goethe (noch immer erstaunt): Von Shakespeare?

Edward VII.: Yes, from Shakespeare.

Goethe: Perfides Albion!

Sternickel (hat zum Fenster hinausgesehen; pfeift): Achtung, Lampen! Die Jäste komm'.

Goethe: Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten! . . .

Alle stellen sich eilig auf ihre Postamente, auch Sternickel, nachdem er das Licht ausgelöscht, den Katalog wieder auf den Tisch gelegt hat. Man hört lärmendes Kommen.

Der Auktionator (öffnet die Tür, legt Hut und Paletot ab, tritt zum Auktionstisch, klingelt): Also, letzter Tag der Versteigerung. Zum Angebot steht: Katalognummer 310, der gefürchtete Massen- und Raubmörder August Sternickel. Mindestgebot 1500 Mark! Ich bitte um Angebot.

Stimme: Hier.

Der Auktionator: 1500 Mark zum ersten . . .

Andere Stimme: 2000 . . .

Der Auktionator: 2000 Mark zum ersten . . .

Stimmen (der Auktionator jeweils wiederholend): 3000, 4000, 5000, 7000, 7500, 9000, 10 000.

Der Auktionator: 10 000 zum ersten . . .

Stimme: 11 000 . . .

Der Auktionator: 11 000 Mark zum ersten, zum zweiten . . .

Andere Stimme: 11 500 . . .

Stimme: 12 000 . . .

Der Auktionator: 12 000 Mark zum ersten, zum zweiten ist denn sonst kein Angebot für den berühmten Sternickel? – und zum dritten. (Schlagend.) Verkauft! (>Notierend.) Ihren Namen, bitte . . .

Stimme: Teschke, Jahrmarktsaussteller.

Der Auktionator: Zum Angebot steht: Katalognummer 34, King Edward VII. von Großbritannien, Mindestgebot 1500 Mark. Ich bitte um Angebot!

Die fesche Böhmin: Hier.

Der Auktionator (sehr schnell): 1500 Mark geboten, zum ersten, zum zweiten, zum dritten. (Zuschlagend.) Verkauft.

Männerstimme: 2000.

Der Auktionator: Schon verkauft. (Unwilliges Gemurmel der Bieter.) Namen, bitte.

Die fesche Böhmin: Zdenka Procházková, Weinstube »Zur feschen Böhmin«, Jägerstraße 14, Telefon Zentrum 1 30 59, Zigeunermusik, Damenbedienung.

Der Auktionator: Zum Angebot steht: Katalognummer 165, der hervorragende Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe. Mindestgebot 1500 Mark. Ich bitte um Angebot. (Pause.) Der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang Goethe. Mindestgebot 1500 Mark. Bietet denn niemand? Mindestgebot also 1300 Mark, (nach Pause) 1200 Mark, (nach Pause) 1000 Mark, soviel sind ja allein die Kleider wert . . .

Stimme: 900 Mark.

Der Auktionator: 900 Mark zum ersten, 900 Mark zum zweiten, 900 Mark zum dritten. (Hammerschlag.) Verkauft. Namen, bitte.

Stimme: A. B. Schaum & Co., Fettsiederei, Moabit.

Der Auktionator: Zum Angebot steht: Katalognummer 222. Rothschild, Maier Anselm, Mindestgebot 1500 Mark.

Castans Stimme: 3000 Mark.

Der Prokurist: 4000 Mark.

Castans Stimme: 10 000 Mark.

Der Prokurist: 20 000 Mark.

Castans Stimme: 30 000 Mark.

Der Auktionator: 30 000 Mark zum ersten, 30 000 Mark zum ersten, (zögernd) 30 000 Mark zum ersten – bietet denn niemand mehr? – (aufgeregt ins Publikum schreiend) 30 000 Mark zum ersten, (resigniert kopfschüttelnd) 30 000 Mark zum zweiten und dritten. (Langsam zuschlagend.) Zum dritten. Verkauft. Der werte Name, bitte.

Castan: Direktion Castans Panoptikum G. m. b. H.

Der Auktionator: Danke, Schluß der Versteigerung!

Die Menge geht unter lebhaftem Rhabarber ab. Castan und der Prokurist disputieren erregt. Hinter ihnen »die fesche Böhmin«, die sich an der Figur Edwards zu schaffen macht.

Castan: Sie können die Figur zum Versteigerungspreis haben, Herr Prokurist.

Prokurist: Danke. Ich weiß ja Herrn Rothschild bei Ihnen in guten Händen, und darum war es uns hauptsächlich zu tun.

Die fesche Böhmin (zu Edward VII.): Bist bei mir auch in guten Händen, mein Schnuckichen, bleibst jetzt bei mir, inaff?

Castan: Ich gebe Ihnen also die Figur um 20 000 Mark.

Prokurist: Danke, nein.

Castan: Aber bis 20 000 haben Sie doch mitgeboten!

Prokurist: Ich wollte nur, daß unser Gründer nicht allzu billig verschleudert werde. Das hätte dem Prestige unseres Bankhauses geschadet.

Castan: Aber, zum Teufel, was soll ich denn mit der alten Wachsfigur anfangen? Ich gebe sie Ihnen für 15 000 Mark, (da der Prokurist den Kopf schüttelt) für 10 000 Mark.

Prokurist: Danke, ich habe keinen Bedarf.

Castan: Ich kann doch, um Gottes willen, nicht die ganzen 30 000 Mark verlieren!

Prokurist: Wozu haben Sie denn mitgesteigert?!

Castan: Ich bitte Sie, machen Sie mir doch irgendein Angebot, damit ich wenigstens die Figur loswerde.

Prokurist: Ich bin eventuell bereit, Ihnen das Mindestgebot zu bezahlen.

Castan: 1500 Mark?

Prokurist: Jawohl, nicht einen Pfennig mehr.

Castan: Na, besser als nichts. Eingeschlagen! (Der Prokurist schlägt ein.)

Maier Anselm Rothschild (klopft dem Prokuristen auf die Schulter): Bravo, junger Mann! Sie handeln in meinem Geiste!

Der Prokurist, die fesche Böhmin, der Auktionator und Castan erschrecken und stehen mit offenem Munde, wie zu Figuren erstarrt, da, während die vier Figuren einander zulächeln.

 


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