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Es ist Zeit!

Kein Feuer flammt zum Himmel von den Bergen,
Kein Herold wird von Tal zu Tal gesandt.
Den Strom durcheilt kein Schiff, geführt von Fergen:
Und doch geht heil'ge Botschaft durch das Land.

Was uns vereint in Freuden und in Schmerzen,
Im Fürstenrock, wie in des Bauers Kleid,
Ein heil'ger Geist ist's, der in tausend Herzen
Allmächtig aufsteht, rufend: »Es ist Zeit!«

Ja, es ist Zeit, der höchsten Pflicht zu denken,
Der alten Pflicht, die uns im Herzen ruht.
Der großen Vorzeit Fahne nicht zu senken
Und treu zu sein dem angestammten Blut.

Ja, es ist Zeit, an unsre Brust zu klopfen,
Zu fragen uns, sind wir der Ahnen wert?
Bevor im Aug' der bittern Reue Tropfen,
Daß wir es nicht sind, uns zu spät belehrt.

Ja, es ist Zeit, ist höchste Zeit, zu prüfen.
Ob uns nicht schwand der Ehre alter Hort,
Ob wir den Tag des Lebens nicht verschliefen,
Ob denn noch lebt das alte deutsche Wort.

Weh uns! wenn wir gedankenlos uns schmücken
Mit einem Namen, dem kein Name gleicht,
Der uns erhöht vor aller Völker Blicken,
Durch dessen Kraft das Höchste wir erreicht.

Weh uns! wenn wir auf fremde Schultern laden
Die Pflicht, weil's uns an eigner Kraft gebricht.
Es gibt kein Volk, kein Glück von Gottes Gnaden,
Wer sich entmannt, den hört der Himmel nicht.

Beim großen Gott! Noch lebt ein stolzer Funken
Des alten Feuers tief in unsrer Brust;
Noch ist der Enkel nicht so tief gesunken,
Noch ist der Sohn der Mutter sich bewußt.

O deutsches Volk, du Volk in diesen Gauen,
Wer nicht mit Ehrfurcht deinen Namen nennt,
Der soll die Burgen, soll die Städte schauen,
Er ist ein Blinder, wenn er dich verkennt!

Wir kennen dich! Wir sind nicht abgefallen.
Wir halten treu zu deinem heiligen Wort;
Dem Donner gleich soll's durch die Berge schallen:
Es gibt ein Rütli auch an diesem Ort!

Der Ew'ge sprach: Wo zwei in meinem Namen
Vereinigt sind, da bin ich unter euch. –
So sagen wir: In unsers Bundes Rahmen
Ist unser Volk, ist unser ganzes Reich!

Ja, unser Reich, das nimmer zu den Toten
Hinuntersinkt, solang das Herz uns schlägt.
O deutsches Wort! wir senden dich als Boten,
Der unsern Schwur zu allen Brüdern tragt.

Geh hin, geh hin! Nach Norden und nach Süden,
Nach Ost und West, bei Sonn- und Mondenschein,
Zu Land, zu Wasser, – du sollst nie ermüden,
Wohin du kommst, du wirst willkommen sein.

Geh hin, geh hin! Vom Tal steig zu den Hügeln,
Fort sollst du wandeln ohne Ruh' und Rast,
Dem Sturmwind gleich, mit ungehemmten Flügeln
Schwing dich zur Hütte, schwing dich zum Palast!

Was du auch bringst, ob Freuden oder Schmerzen,
Du wirst verstanden, zündest fort und fort;
Ein einzig Herz sind alle deutschen Herzen:
So werde Tat, du starkes deutsches Wort!


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