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Das Bild Kaiser Josefs.

(Gesprochen beim Festkommerse der Turner zur Feier der Enthüllung des Kaiser-Josef-Denkmals zu St. Pölten am 9. Mai 1886.)

Wir haben heut ein hohes Werk vollendet,
Das Bild der Bilder auferbaut in Erz;
Ein tausendfält'ger Jubel ward gespendet
Ihm, der uns alles, alles gab: sein Herz.

Es war ein Sturm von Bannern und von Kränzen,
Von Weihgesang und mächtig ernstem Laut,
Kein Aug' blieb trocken, manches sah ich glänzen.
Von heiliger Begeistrung schön betaut.

Ich sah vereint die Armen und die Reichen,
Ich sah verklärt manch trauriges Gesicht;
Die ros'gen Wangen sah ich und die bleichen
In Freude strahlend – Licht von seinem Licht!

Hehr wie ein Hymnus ging das Fest zu Ende,
Wie eine Brandung zog die Menge fort;
Und Gleichgesinnte drückten sich die Hände:
Das Erzbild aber schwieg, es sprach kein Wort.

Stumm blieb ich stehn. Und wie der laute Reigen
Von hinnen war, der letzte Schall verschwand,
Da fiel mir auf das Herz des Bildes Schweigen,
Es wurde mir, als ob ich es verstand.

Ich sah empor. Und wie von Ehrfurcht trunken,
Geschah es mir, daß ich zusammenbrach;
Auf die granitnen Stufen hingesunken,
Hab' ich gehört, was Kaiser Josef sprach.

Der Kaiser sprach: »Du, einer von den tausend,
Vernimm mein Wort und tu es allen kund:
Ich danke euch! Ihr rühmt mich fast zu brausend,
Zu viele Worte schenkt mir euer Mund.

Ich war ja nie ein Freund von Prunk und Kränzen,
Ich war ein ernster, stiller Mann der Pflicht,
Wer zu viel spricht, der spricht oft, um zu glänzen.
Oh, gebt mir Wahrheit! Worte gebt mir nicht!

Soll euer Beifall mir als Huldigung gelten.
Dann prüft euch selbst, seid schlicht von Herz und Sinn;
Ich wollte lieber, daß mich Feinde schelten,
Als daß ich euch ein eitler Mantel bin.

Meint ihr es ehrlich, bin ich euer Kaiser,
Bin ich der Gott auf eures Herzens Grund,
Dann übt mein Beispiel, schmückt nicht bloß die Häuser,
Tragt mich im Herzen, tragt mich nicht im Mund!

Mich und die Wahrheit oder Wort und Schein,
Das sag' dem Volk. Und was es dann erwähle,
Ihr habt mein Bild, doch wollt ihr meine Seele,
Dann müßt ihr wahrhaft josefinisch sein!

In meinem Geiste treu und neugeboren.
So will ich euch für mein unsterblich Reich;
Erst dann komm' ich herein zu euren Toren,
Dann lebt das Erz, dann bin ich unter euch!


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