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Die apokalyptischen Reiter

Erhitzt vom Schauspiel trat ich in die Nacht
Und sinnend schritt ich durchs Gewühl der Straßen,
Wo die Paläste der Zehntausend stehn,
Die Prasser sind, weil Millionen darben.

Vor meinen Augen tanzte noch der Spuk
Der schnöden Kunst, die Gauklerin geworden;
Und rasen hört' ich den vertierten Schwarm
Der feinen Welt und heisern Beifall wiehern.

Ich betete aus tiefster Brust: Mein Gott!
Erhalte mir dies Grausen, diesen Schauder,
Wodurch ich weiß, daß ich ein Mensch noch bin
Und kein geschminktes Tier und keine Larve!

Und weiter schritt ich, immerfort hinaus,
Es wurde kalt und einsam auf den Straßen;
Und Mensch um Mensch und Licht um Licht verschwand,
Die Mitternacht erscholl von allen Türmen.

Den Mantel schlug ich schaudernd vors Gesicht,
Der Schneewind heulte, und der Boden knirschte,
Da sperrte mir mit einemmal den Weg
Ein häßlicher Gesell, der höhnisch grüßte.

Vertraulich nickend trat er dicht heran
Und sprach: Wohin in dieser kalten Stunde?
Suchst du dein Liebchen? spielst du, trinkst du, Freund?
Du bist wohl auf dem Weg zu einer Dirne?

Laß frei die Bahn!! so rief ich, du Gespenst;
Kreuz' mir den Weg nicht, fort, du Galgenvogel!
Doch er verzog sein beinernes Gesicht
Und sah mich an mit sternenlosen Augen.

Ich schauderte bei diesem toten Blick,
Und mich durchlief's wie Nebelnachtgeriesel.
Topp! sei nicht schüchtern! rief der Nachtgesell
Und schlug mich auf die Schulter, daß sie schmerzte.

Wer bist denn du? rief ich zurück. Er schwieg.
Ein grinsend Lächeln flog durch seine Züge.
Da fiel mir ein: heut ist Silvesternacht,
Und was man da erschaut, das gibt zu denken.

Er hielt mich fest. Da sah ich, wie der Mond
Sich bergen wollte hinter düstern Wolken;
Ein Sturm erhob sich, eisig Laub flog auf,
Und wie zur Abwehr ächzten alle Bäume.

Schau' hin, es kommt! so flüsterte der Mann.
Und wie ich hinsah, ballte sich der Nebel,
Der wie ein Schleier überm Luftraum lag,
Und stieg empor und wurde zu Gestalten.

Und näher kam's – ein grauses Wolkenbild,
Wie Nebelrosse und wie Nebelreiter.
Die Mähnen flatternd, in den Nüstern Glut,
Und gleich dem Sturmwind will's an uns vorüber.

Wer ist der Erste? rief ich, sag' mir das!
Gebeugt und elend hängt er müd im Sattel.
Das ist der Hunger, rief das Nachtgespenst,
Der zehrt das Land auf, trinkt das Blut der Armen.

Wer ist der Zweite? rief ich tiefbewegt,
Er schwingt ein blitzend Schwert mit blut'gen Händen.
Das ist der Krieg, rief jubelnd das Gespenst,
Der schont euch nicht, der wird euch alle würgen.

Was ist das Dritte? fuhr ich schaudernd fort,
Es legt den Pfeil an den gespannten Bogen.
Das ist mein Schatz, die Pest, rief das Gespenst,
Ihr Pfeil ist giftig und ihr Ziel unfehlbar.

Noch nicht genug? Wer ist der Vierte dort?
Ein Beingeripp mit hochgeschwungner Sense.
Das ist der Tod, der mäht in Stadt und Land,
Rief das Gespenst, der mordet die Geschlechter.

Ich sank zu Boden, sinnlos und betäubt,
Ich weiß nicht mehr, wie lang ich lag am Boden.
Als ich erwachte, war es heller Tag,
Und auf die Stadt des Reichtums schien die Sonne.


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