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Achtzehntes Kapitel.
Hilde hat gerade noch gefehlt!

»Kann ich auch so Schale Kaffee haben?« fragte Kaschmir, als er sich glücklich mit Klaus' feinen Kleidern herausstaffiert hatte. Er sah übrigens famos aus. Die Kleider saßen ihm wie angegossen.

»Es ist noch genug in der Kanne,« sagte Henrik, »läute nur der Schwester, dann bringt sie dir eine frische Tasse!«

»Ha, ha, ha! Frische Tasse! Nein, da muß ich schon wirklich lachen! Kann ich doch aus eine von die da trinken. Oder lieber gleich aus Kanne!«

Kaschmir goß den restlichen Inhalt in ein paar Schluck hinunter.

»Komisch übrigens,« sagte Henrik, »daß du gar nichts zu mir und meinen Kameraden geredet hast, als ihr uns in der Elchkalbshütte besucht habt!«

»War ich gar nicht mit,« antwortete Kaschmir kurz.

»Du warst vielleicht im Lager?«

»Na, was denn? Bei die kleinen Kinder und die Weibsbilder, und hab ich an eine Saugflasche gelutscht.«

»Weißt du, ich bin jetzt ganz sicher, daß der Panther die Hasenschnauze nicht getötet hat!«

»Ja, weiß ich auch! So was tut Panther nicht. – Wo ist denn diese Protz hingegangen? Was mir seine Kleider geben hat!«

»Er hat einen Weg zu machen. Wichtige Angelegenheiten.«

»Kommt gleich wieder?«

»Oh nein, das wird schon eine Weile dauern, eine Stunde glaub ich – mindestens.«

Kaschmir ging seiner Wege.

Henrik grübelte weiter. Es war kein Zweifel, daß er – und die andern Buben – jetzt alle Rätsel gelöst hatten – aber würde Klaus es fertig bringen, die notwendigen Beweise dafür herbeizuschaffen, daß der Panther unschuldig war? Und der Moppel der Mörder? Das Dumme war nur, daß er die Botschaft vom Doppel-Nelson an den Moppel ganz allein aufgenommen hatte. Sie hätten mehrere sein müssen. Mindestens drei. Aber hatte dieser Christian Nelson jetzt wochenlang telegraphiert, so würde er es morgen, das letzte Mal, wohl auch noch tun. Klaus und Tor mußten eben gefälligst in der Stadt bleiben! Und morgen früh um sechs Uhr hatten sie sich gütigst im Krankenhaus einzufinden, um Doppel-Nelsons Botschaft mitzuschreiben. Allerdings war heute Klaus' Geburtstag, aber darauf konnte man keine Rücksicht nehmen. Den konnte er morgen feiern oder übermorgen. Wenn man Ostern und Pfingsten schieben kann, so wird man wohl auch noch einen Geburtstag schieben können.

Plötzlich zuckte er zusammen.

Unten aus dem Garten drang ein schriller Schrei herauf.

»Klaus! Klaus! So bleib doch stehen!«

Der Schrei kam von einer Dame. Henrik fühlte wie ihm bis in die Zehen hinunter eiskalt wurde. Das klang nach – Hilde!

Hilde war also in die Stadt gekommen – und Klaus war von seiner Expedition zurückgekehrt. Eine Fliege und eine Wespe auf einen Schlag!

In der nächsten Sekunde öffnete sich die Tür und Hilde kam hereingestürmt.

»Dieser unverschämte Lausbub!« – Hilde hatte vor Aufregung fast keine Puste mehr. – »Und das ist deine Schuld, Henrik!« – Henrik wurde es ganz schlecht von dem vielen Parfüm. Hildes Augen sprühten Blitze. Sie sank auf einen Stuhl, fächelte sich mit dem Taschentuch und stöhnte: »Und die Gäste, die da sitzen und warten! Und – und – puh! – diese Hitze! Und die Schokolade, die ganz kalt wird!«

»Kommst du gerade?« stammelte Henrik.

»Wie? Was? Ich! Ja, ich komme mit dem Auto, der Willi hat mich hergebracht. Ja, sag mir nur, wo ist denn Klaus hin? Antworte mir, das sag ich dir!«

»Er hat einen Ausgang zu machen, glaub ich!«

»Einen Ausgang? Was für einen Ausgang? Aber da wird er doch nicht über die Planke klettern müssen, um diesen Ausgang zu machen? Was?«

»Wie sagst du? Über die Planke ist er geklettert?«

»Nicht geklettert, eher gesprungen! Der Lümmel!«

»Hast du mit ihm gesprochen?«

»Nein, wieso denn? Kaum komm ich zur Gartentür herein, so erblicke ich ihn da zwischen den Büschen und laufe zu ihm hin, denn ich habe doch eine wahnsinnige Wut gehabt, das ist klar, und so hab ich meinen Sonnenschirm geschwungen und gerufen: Du Schlingel! Was, du willst durchbrennen? Und da fängt er zu laufen an, ich ihm nach: Klaus, Klaus, hab ich gerufen, so bleib doch stehen!«

»Ja, das hab ich gehört!« sagte Henrik.

» Du ja, aber er nicht! Wie eine Tigerkatze ist er über die Planke geklettert und verschwunden. Aber weißt du, was er sich unterstanden hat, wie er auf der anderen Seite heruntergesprungen ist? Eine lange Nase hat er mir gemacht! Mir, seiner eigenen leiblichen Schwester!«

»Ach nein, seine leibliche Schwester bist du nicht, Hilde!«

Henrik mußte sich in die Unterlippe beißen, um nicht herauszuplatzen.

Hilde war aufgesprungen und durchbohrte Henrik mit den Blicken:

»Was? Klaus – Klaus ist nicht mein leiblicher Bruder, sagst du?«

»Doch, Klaus schon. Aber nicht der, der dir die lange Nase gemacht hat!«

»Aber das war doch Klaus.«

»Hat er ein seidenes Hemd und weiße Hosen angehabt?«

»Ich werde doch Klaus noch kennen!«

» Hat er ein seidenes Hemd und weiße Hosen angehabt? frage ich.«

»Ja, natürlich! Und einen Schlips und farbige Strümpfe!«

»Dann war es nicht Klaus. Dann war es ein Zigeuner.«

Hilde sank wieder auf den Sessel. Sie hatte die Augen geschlossen und fächelte sich wild mit dem Taschentuch.

»Ein Zigeuner« stöhnte sie und schnappte nach Luft.

Henrik konnte sich nicht mehr halten:

»Ja, ein Freund von uns. Übrigens ist er der Neffe von dem Schwarzensee-Mörder.«

»Schwarzensee-Mörder!« japste Hilde.

»Ja, den sie gestern verhaftet haben. Dem Panther also.«

»Wasser, Wasser!« stammelte Hilde.

»Und dem hat der Klaus also seine Kleider geliehen.«

»Zu Hilfe!«

»Damit er ins Gefängnis gehen kann, seinen Onkel besuchen!« Jetzt ertönte nur mehr ein halbersticktes Ächzen von Hilde.

Im selben Augenblick kam Tor hereingestürmt.

»Ist der Klaus noch nicht zurück?« rief er. Aber als er Hilde erblickte, erstarben ihm die Worte auf den Lippen. Er wurde puterrot, verbeugte sich ungeschickt und stammelte:

»Entschuldigen schon, Fräulein Hilde, aber ich hab wirklich nicht gewußt –.«

Hilde hatte sich erhoben und rief, Flammenblitze in den Augen:

»Ja! Sie sind wirklich der Rechte! Das muß ich schon sagen! Also so passen Sie auf Klaus auf! Antworten Sie nichts, sage ich Ihnen! Das schlechte Gewissen schaut Ihnen ja aus den Augen, Herr – Herr –.«

»Solm,« stammelte Tor.

»Gut! Also Herr Solm, Sie sind ja ein besonders geeigneter Kamerad für meinen Bruder – und jetzt haben Sie also meinen Bruder seine Kleider mit einem – mit einem – mit einem Zigeuner tauschen lassen!«

Tor sah wütend aus, aber als Henrik ihm einen ermunternden Blick zuwarf, beherrschte er sich und machte einen Bückling.

»Bitte schön, dem Fräulein Ihr Herr Bruder hat das selber wollen!«

»Nein, das hat mein Bruder gewiß nicht gewollt, Herr Solm, ihr zwei, Sie und der dort habt ihn dazu angestiftet. – Aber Gott, oh Gott, das hab ich ja ganz vergessen – der Mord, was ist denn das für ein Mord, von dem Klaus heute früh beim Telephon gesprochen hat?«

»Der Schwarzenseemord, natürlich,« sagte Henrik.

»Ja, der Mord am Schwarzensee, bei dem wir dabei waren, alle drei!«

»Also die Hasenschnauze!«

»Die der Moppel umgebracht hat!«

»Und wofür der Panther sitzt!«

»Den wir beschlossen haben zu retten, weil er ganz unschuldig ist!«

»Die Bluthunde können es beweisen!«

»Denn die haben die Blutspuren bis zur Brücke hinunter verfolgt.«

»Und das ist überhaupt ein Blödsinn, daß der Mörder in den Fluß gesprungen sein soll!«

»Denn er ist einfach mit Handschellen versehen in das Gendarmerieauto gesteckt worden!«

»Hol Wasser, Tor, tummel dich – du großer Gott, wenn die jetzt bloß nicht der Schlag getroffen hat!«


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