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33. Kapitel

So ganz in seinem Element wie Pfeffer lebte Duro bei weitem nicht. Noch immer bei Horn auf dem Hundehof, hatte er nur hin und wieder Gelegenheit, auf der Jagd die Enge seines Kerkers abzuschütteln.

Nicht nur die hohen Mauern machten diese Hundehandlung zum Gefängnis, das enge Zusammenleben so vieler Hunde entwickelte in manchem von ihnen den Verbrecher.

Als Horn einmal zwei Wochen verreist war, klappte die Heranschaffung des Futters sehr schlecht, da der Gehilfe sich täglich betrank und die Frau allein den Anforderungen des Betriebes nicht gewachsen war. Nach und nach wurden die Hunde sehr hungrig, und in der Nacht vor der Rückkehr Horns spielte sich ein Drama ab, dem beinahe das Pferd, das für das Heranholen des Futters gehalten wurde, zum Opfer fiel.

In einem zwei Meter hohen Verschlag lag der Braune und schlief. Es war schon nach Mitternacht, der Herbst war vorgeschritten, und der ungeheizte Raum ließ die nächtliche Kühle recht fühlbar werden. Außerhalb der Pferdebox konnten sich ungefähr zwanzig Hunde frei bewegen. Ihre Liegestätten waren Holzpritschen, die mit Stroh bedeckt wurden, doch in dem geringen Licht, das durch die hochgelegenen Fenster drang, liefen mehrere Hunde hin und her. Der Hunger ließ sie nicht ruhen.

Einer, ein hagerer Schäferhund, schnüffelte an der Tür zu dem Pferdestall, und Spitz folgte seinem Beispiel. Zwei Wände der Box wurden von der Mauer gebildet, die anderen beiden waren aus Balken und Brettern gezimmert. Jetzt drang ein Schnauben aus dem Stall, denn das Pferd war, erschreckt durch das Schnüffeln der Hunde, erwacht. Der Schäferhund knurrte. Auch dem Spitz sträubten sich die Nackenhaare, er war erregt, ohne recht zu wissen wodurch. Nun erhob sich wieder ein Hund, ein großer schwarzer, zottiger. Auch er stellte sich vor die Tür. Seine buschige Rute bewegte sich nicht, unverwandt war sein Kopf auf die Tür gerichtet. Auf einmal kam ein Geräusch von drinnen, der Wallach stand auf. Da schlug der schwarze Hund wütend an, und hell fiel der Spitz mit ein.

Das Pferd erschrak, sprang vollends auf die Füße und stieß dabei gegen die Tür, die, da sie nur lose eingeschnappt war, aufsprang. Sofort witschte der Schäferhund durch den Spalt und sprang den Braunen von hinten an. Fast im selben Augenblick dröhnte es dumpf, der Hund jaulte laut auf, und unter dem Schnauben des Gauls kam der Schäferhund in hohem Bogen aus der Box geflogen. Das Pferd hatte ausgekeilt und den Hund schwer getroffen. Zwei Meter von der Tür entfernt, fiel er klagend auf den Steinboden. Er konnte sich nur auf die Hinterbeine stellen, beide Vorderläufe und ein Schulterblatt waren gebrochen.

Zeichnung: Hans Hyan

Das alles geschah innerhalb weniger Sekunden, währendderen eine Meute von fünf oder sechs Kötern in den Stall stürmte, der große Schwarze voran. »Hans« begrüßte ihn mit einem scharfen Auskeilen seines Hufes, verfehlte ihn aber um Haaresbreite. So sprang der Schwarze von der Seite am Halse hoch und biß sich oben, wo die Mähne ansetzt, fest. Um die Beine des Pferdes bewegten sich jetzt etwa acht Hunde, die nach Bauch und Brust schnappten. Ächzend und prustend stampfte der Gaul. Hell klagte einer der Hunde, der getreten worden war, gleich darauf anhaltend und grell ein anderer, ihm hatte ein Vorderhuf das Kreuz zerschlagen.

Während das Pferd sich bäumte und sich gegen die Wände warf, hing der große schwarze Hund keuchend und knurrend an seinem Halse. Blut lief ihm in den Rachen und machte ihn noch wilder. Als jetzt ein anderer Hund sich in der Brust des Pferdes verbiß, geriet das gepeinigte Tier außer sich. Wenn Pferde in Entsetzen geraten, können sie, besonders in engem Raum, sehr gefährlich werden. Der Wallach, der hier gegen die zu Bestien gewordenen Hunde um sein Leben kämpfte, stieß einen schrillen Schrei aus. Pferde schreien selten, nur in großer Not.

Aber Hans, der alle Tage brav das Futter für die herangeholt hatte, die ihm jetzt ans Leben wollten, schrie nicht nur. Er stieg, ließ die Hufe niedersausen, keilte aus, daß die Wände splitterten, und fing auch an zu beißen. Er hatte sich in ein gewaltiges Tempo hineingearbeitet, und vier der Hunde waren bereits außer Gefecht gesetzt, als der Gaul die Tür fand und nun in dem großen Raum herumpolterte. Es war ein grausiger Lärm, der in dem dunklen Hundestall tobte.

Als das Pferd durch die enge Tür setzte, hatte der schwarze, zottige Köter seinen Griff am Halse fahrenlassen müssen. Er geriet unter einen Hinterhuf des Pferdes, das dem jämmerlich Heulenden eine Vorderpfote zertrat.

Einer der Hunde jagte mit tiefem Gebell hinter dem Braunen her, als der die Länge des Raumes in wenigen Fluchten nahm. Es war kein Hund im Stall, der, soweit er nicht tot oder verwundet war, sich ruhig verhalten hätte. Alles war in Bewegung, die einen in Flucht, die anderen in Verfolgung und Angriff. Wozu dieser Kampf am Ende noch geführt hätte, ist schwer zu sagen. Wohl möglich, daß die rasend gewordenen Hunde das Pferd schließlich doch noch getötet hätten, denn bei Pferden liegen die Adern zum Teil sehr dicht an der Oberfläche, auch sind die Weichen gegenüber Raubtierangriffen sehr gefährdet. Aber Hans, der sich so machtvoll verteidigt hatte, war gerettet, als tanzender Lichtschein von draußen durch die Fenster drang. Gleichzeitig erklang die rauhe Stimme des Gehilfen. Im nächsten Augenblick wurde die Tür aufgerissen, und der Mann drang, eine Pferdepeitsche in der Faust, ein.

Er schlug die Tür zu, stellte die Laterne an die Seite und stürzte dem Pferd entgegen. Es gelang ihm, teils durch Geschicklichkeit, teils auch durch Glück, den Halfter zu fassen, und so hing er denn mit der einen Hand am Kopf des Tieres, mit der anderen aber schwang er die Peitsche gegen die Köter. Dabei schrie er die Rabiatesten an: »Tyras, Lump, Hasso, Harras, du Satan! Platz, ihr Bestien – –!«

Bald hatte sich »Wilhelm« Gehör verschafft, die Hunde zogen sich einer nach dem anderen zurück, und dann, nach vielem begütigenden »Ho!« und »Ruhig, Hans!« stand auch endlich das Pferd.

Währenddessen war auch Frau Horn gekommen. Sie half »tatkräftig« die Hunde zu beruhigen, denn einzelne wagten noch hin und wieder einen Ausfall.

Das Pferd brauchte vier Wochen, um leidlich wiederhergestellt zu sein, und neben drei Hunden, die verendet waren, ehe der Morgen kam, mußten zwei andere wegen ihrer schweren Verletzungen getötet werden. Vier weitere wurden von Horn zusammengeflickt, als er am Tage darauf von seiner Reise zurückkam.


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