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8. Kapitel

Die vornehmste Arbeit des Jagdhundes ist die Arbeit auf der Schweißspur. Das krankgeschossene Stück Wild in die Hand des Jägers zu liefern, damit er es so schnell wie möglich von seinen Leiden erlöst, das ist es, was ein guter Gebrauchshund vor allem können muß, und was doch so wenige leisten.

Manche Stunde der Arbeit hinter dem Schweißkorb, der kleinen Drahttrommel, die, gefüllt mit geronnenem Wildschweiß, über den Boden gezogen wird, um eine künstliche Schweißspur zu schaffen, mußte Duro leisten. Immer länger und schwieriger wurden die Schleppen, bis der Hund dann endlich so weit war, auch auf der lebenden Schweißspur das zu leisten, was er sollte.

Mitunter kam es vor, daß Duro auf solcher Nachsuche beharrlich nach einer Richtung wollte, die nach der Meinung seines Herrn offensichtlich falsch war. So geschah es auch eines schönen Juniabends.

Der Oberförster saß mit dem Rücken gegen einen Weidenbusch und sah über das Luch hinüber zum Kiefernwalde, vor dem drei Birken still und schön im Dunst des Abends standen. Dort drüben, über den dunklen Kronen des Nadelholzes, ruderten ein paar Krähen ihren Schlafbäumen zu. Ihre Silhouetten zogen schwarz vor dem Feuer des Abendhimmels dahin. Eine Bekassine kreiste über der Wiese. Eigenartig und warm drang der Laut herab, der ihr den Namen »Himmelsziege« gegeben hat.

Da trat drüben rechts aus der Kiefernschonung ein Bock und zog vertraut die leichte Senkung hinab zur Wiese. Das war der Bock, dem zuliebe der Oberförster ansaß. Ein paar Tage, bevor die Jagd auf den Rehbock aufging, hatte ihn der Oberförster durch sein gutes Glas genau in Augenschein genommen. Das Gehörn, beinahe fertig gefegt gefegt = vom Bast befreit., nur an den Rosen hing noch etwas Bast, war knuffig, hatte die gewünschte Becherform und war wundervoll geperlt. Dafür waren die Enden, obwohl gut vereckt und weiß, etwas kurz, wie man es bei sehr starken Gehörnstangen mitunter findet. Dem Jäger wurde ganz wehmütig zumute, denn noch waren drei Tage Schonzeit, und solch ein Gehörn hatte der Oberförster in den fünfunddreißig Jahren seiner Jägerlaufbahn erst einmal erbeutet.

Heute würde es klappen, wenn der Bock noch fünfzig Schritt näher kam. Doch da bog er etwas rechts ab, trat auf eine leichte Erhöhung der Wiese, zog über sie fort und war nach wenigen Augenblicken in der dahinterliegenden Senke verschwunden. Das Büchsenlicht verlor sich rasch, und so hatte sich Diana wohl wieder einmal abgewandt. Aber noch gab der Jäger seine Sache nicht verloren. Es war ja möglich, daß der Bock in der Senke weiterzog, dann mußte er links wieder auftauchen, und zwar in guter Schußnähe.

Der Oberförster saß unbeweglich wie aus Holz. Mücken und vor allem die Gnitzen trieben es toll. Der Mann half sich mit einem Weidenzweig. Die Hand, die ihn hielt, lag auf dem Schoß und bewegte sich nur ganz leise, während die Blätter an der Spitze des Zweiges sachte das Gesicht umwedelten. Auf diese Weise waren die Plagegeister erträglich, und das Wild wurde nicht durch Bewegungen mit der Hand vergrämt vergrämt = verscheucht..

Das Licht nahm immer mehr ab. Es mochte zur Not noch fünf Minuten gehen, dann konnte der Oberförster einpacken.

Doch da – stand der Bock. Die Büchse mit dem guten Glas hob sich langsam, aber stetig. Dann der Kolben an die Schulter und das Fadenkreuz des lichtstarken Glases auf das Blatt Blatt = Schulterblatt. des Bockes. Grau und unbestimmt erschien das Stück Wild trotz des Glases. Jetzt brach der Schuß!

»Bäo – bäo – bäo!«

Lautes Schrecken eines Rehes und, deutlich hörbar, in dem nassen Teil der Wiese das Planschen eines in voller Flucht abgehenden Stück Wildes.

»Offenbar gefehlt!«

Mit diesen Worten stand der Oberförster auf, klappte seinen Jagdstuhl zusammen, entlud die Büchse, packte seine sieben Sachen, stieg auf das hinter dem Weidenbusch liegende Fahrrad und fuhr nach Hause.

Der Schein der Fahrradlampe tanzte über den schmalen, gewundenen Weg, über Erlenbusch und Kiefernknorren, weißen Sand und Nadelboden. Aufpassen mußte man, sonst kam man auf den weichen Stellen von den Rädern.

Rums! – das war 'ne Wurzel. Aber die extradicken Reifen waren gut aufgepumpt.

Dann hörte der Wald auf, und der Oberförster fuhr auf der Landstraße. Jetzt brauchte er nicht mehr so auf den Weg zu achten, und seine Gedanken wanderten zurück zum Bock und dem Pech von heute abend.

Man soll eben bei so schlechtem Licht nicht mehr schießen. Doch das war nun nicht mehr zu ändern, und obwohl der Bock aller Wahrscheinlichkeit nach gesund abgegangen war, nachsuchen mußte er ihn auf jeden Fall, denn man kann nie wissen.

Und der Oberförster nahm sich vor, morgen in aller Frühe mit Duro den Bock nachzusuchen.


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