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9. Kapitel

Es war ein trüber Morgen. Ein feiner Schleierregen fiel, und es gehörte das ganze Pflichtgefühl des alten Jägers dazu, um fünf Uhr morgens hinauszufahren, obwohl die Wahrscheinlichkeit, daß der Bock etwas abbekommen hatte, sehr gering schien. Doch wenn man erst in fester Regenkleidung auf dem Rade sitzt, die Deckelpfeife einem die Nase wärmt und der gute Hund bald vor, bald neben dem mäßig schnell fahrenden Rade einherläuft, dann hebt sich die Laune schon, und man sieht rüstig voraus auf das, was man sich vorgenommen hat.

In den regentropfenden Zweigen hingen Meisen und Goldhähnchen, ein Amselhahn überflog warnend den Waldweg, und in der Ferne klopfte der Specht drei oder vier Takte.

Die Sache war so gut wie aussichtslos, bei der Nässe versagt jede Hundenase. Aber man muß es wenigstens versucht haben. Nach einer guten halben Stunde war der Ort erreicht.

Der Oberförster führte Duro dahin, wo seiner Meinung nach der Anschuß sein mußte, und ermunterte ihn: »Such verwundt, mein Hund!« Die Langschäfter waren gut geölt, sie würden die Nässe in der halb im Wasser stehenden Wiese abhalten. Nur diese Richtung konnte der beim Abgehen laut planschende Bock genommen haben, denn rechts und links stand kein Wasser.

Duro schnupperte etwas herum, blieb dann stehen, hob den Kopf, machte eine scharfe Schwenkung nach rechts und zog, die Nase immer hoch erhoben, los. Doch ein energischer Ruck an der Leine ließ ihn einhalten.

»Unsinn, alter Junge, da doch nicht – –«, und der Herr führte seinen Hund zurück und ließ ihn in der Richtung, die der flüchtende Bock genommen hatte, suchen.

Aber Duro zog unlustig vor seinem Herrn her und versuchte dann deutlich wieder nach rechts abzubiegen. Der Oberförster bemerkte es mit Kopfschütteln. Dieser sonst so gute Hund versagte heute offenbar vollkommen. Wer weiß, was dort in der Richtung lag, möglicherweise Ente oder Fasan. Doch er wollte dem Burschen den Dickkopf schon austreiben. Wieder dirigierte der Oberförster seinen Hund durch die nasse Wiese dem Walde zu.

Duro hatte gerade das zweite Jahr vollendet, da macht ein sonst guter Hund schon noch manchmal eine Dummheit. So dachte der Mann.

Drüben am Walde angekommen, setzte sich Duro. Das war dem sonst geduldigen Oberförster zuviel. Er gab dem Hund einen derben Schlag mit dem Leinenende und forderte ihn energisch auf zu suchen. Duro jedoch duckte sich, kniff die Rute ein, legte die Ohren an und machte down.

Der Oberförster war ratlos. Hier half ganz offenbar kein Schlagen, der Hund unterlag irgendeiner Störung. So löste denn der Jäger seinen Hund und überließ ihn sich selbst. Der Bock war sowieso gefehlt, mochte der Hund laufen wie er wollte.

Das tat er denn auch. In immer schnellerer Gangart lief Duro auf der eigenen Spur zurück bis zum Ausgangspunkt der Suche. Dort folgte eine scharfe Schwenkung, wieder hob sich die Nase in den Wind, und in gerader Richtung, wie an einer Schnur gezogen, lief Duro etwa dreißig Schritt am Rande der Wiese entlang. Er bellte zwei-, dreimal kurz. Seinem Herrn fiel es auf, doch konnte er noch nicht wissen, daß es das erste Anzeichen des künftigen Totverbellens war. Dann stürmte er mit allen Anzeichen der Freude seinem sich schnell nähernden Herrn entgegen. Sowie er ihn erreicht hatte, lief er wieder zurück zu der bewußten Stelle. Gleich darauf war auch der Oberförster da und fand, tief im Grase liegend, den verendeten Bock.

Der erste Griff galt dem Gehörn. Es war jämmerlich kurz, ohne Perlung und hatte kaum Ansätze zu Enden. Das Gehörn eines Kümmerers. Auch an Wildbret war der Bock schwach. Es war ersichtlich kein junger, sondern ein alter, zurückgesetzter Bock. Später, nach dem Zerlegen, stellte es sich heraus, daß der Bock an einem Leberegel gelitten hatte. Daher das geringe Gewicht und das verkümmerte Gehörn. Hier lag der Kümmerer, und am Abend vorher hatte der Oberförster ihn durch das Glas als kapitalen Bock angesprochen. Auch war dieser Bock nicht durch das Wasser abgesprungen. Er war außerhalb des Wassers auf dem Trockenen die dreißig Gänge geflüchtet, ehe er zusammenbrach. Also war der Bock, der in der Senke verschwand, und der, der aus ihr wieder auftauchte, nicht derselbe gewesen.

Der Bock, den der Oberförster durch die nasse Wiese hatte abspringen hören, war der Starke, und der Kümmerer hatte schon in der Senke gestanden, als der Oberförster den Ansitz bezog.

Immerhin, dieser Bock mußte weg, und der Kapitale konnte so, wenn ihn nicht etwa der Nachbar schoß, noch ein Jahr sein Bombengehörn vererben, denn so bald würde man ihn ja nicht wieder vors Rohr kriegen.

Was aber Duro anging, so hatte es sich wieder einmal erwiesen, daß eine gute Hundenase menschlicher Kombination überlegen ist.


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