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20. Kapitel

Weit entfernt von glücklicher Befreiung lebte Duro weiter auf dem Berliner Hundehof. Er hatte eine Reihe wüster Beißereien bestanden. Stark und mutig, ließ er sich nicht unterkriegen und erteilte den verschiedenen Angreifern, vor allem einem Dobermann, der ein heimtückischer Beißer war, eine böse Abfuhr.

Horn, der Duro immer beobachten konnte, weil er ihn im ersten Hof untergebracht hatte, sah wohl, wie schwer es dem Rauhhaar in der ersten Zeit wurde. Doch befreite er den edlen Hund, der ja nicht zum Raufen mit Hunden herangezogen worden war, keineswegs von der schlimmen Gesellschaft, obwohl er seine hohen jagdlichen Qualitäten erkannt hatte. Nein, Georg Horn wollte, daß jeder Hund sich seinen Platz eroberte, daß er sich »durchkämpfte«. Wenn dabei auch ein Behang oder eine Pfote zerbissen und ein wertvoller Hund möglicherweise entwertet wurde, für Horn gehörte das mit zum Sport. Er betrieb seine ganze Hundewirtschaft mit einer merkwürdigen Mischung von fanatischem Ernst und oberflächlicher Spielerei. Der unablässige Wechsel der Tiere, der im Wesen seines Berufes lag, ließ diesen Phantasten jeden Tag neue Sensationen empfinden. Dazu kam das lebhafte Gefühl für die Tatsache, daß er lebende Wesen kaufte, verkaufte, ihnen unter Umständen den Tod gab und andererseits neue Generationen von Hunden durch züchterische Tätigkeit entstehen ließ. Georg Horn kam sich vor wie ein Gott unter seinen Hunden.

So passioniert er für die Jagd war und so blendend er schoß – züchten zu können, schien ihm doch das Höchste im Leben.

Seine Teckel waren vorzüglich. Er hatte das beste Material, das es gab, und viele Preise bewiesen die Erfolge, die er mit den kleinen Langohren auf Ausstellungen errungen hatte. Schönere und jagdlich brauchbarere als die Hornschen Teckel waren nirgends zu finden, und sie blieben auch durch Jahrzehnte hindurch auf der Höhe.

Wenn er sich damit nur zufrieden gegeben hätte! Doch er züchtete auch Vorstehhunde, und auf diesem Gebiet konnte er der Konkurrenz vieler anderer Züchter nicht standhalten. Die unermüdliche Arbeit, die man leisten muß, wenn die Gebrauchshunde wirklich brauchbar werden sollen, schmeckte dem immer das Neue Suchenden nicht. So produzierte Horn eine Menge Jagdhunde, die später keineswegs das waren, was die Käufer, die sie erwarben, bei ihnen voraussetzten. Auch Horn half mit, das unübersehbare Heer von Hunden, die keinen Schuß Pulver wert sind, zu vermehren.

Doch das genügte seinem Schöpferdrange nicht, denn hatte er eine Hündin einer wertvollen oder gar seltenen Rasse, so ließ er sie, wenn irgend möglich, belegen. Doch nur die schon gebahnten Wege der Zucht zu wandeln, das war nicht nach Horns Geschmack. Er schuf auf neuen Wegen bereits vorhandene Rassen!

So erkundigte sich einmal ein Besucher nach der Rasse eines knapp mittelgroßen Hundes von rotbrauner Farbe und rauhem Haar. Horn überlegte keinen Augenblick, wie aus der Pistole geschossen kam die Antwort: »Dachsbracke, Vater Airedaleterrier, Mutter Teckel!«

Der Besucher nickte nur verständnisvoll mit dem Kopf. Er sah, dieser Mann war der alten Regel nicht zugänglich, daß ein Hund erst dann Rassehund genannt werden kann, wenn er von vielen Generationen gleichartiger Hunde abstammt.

Aber der phantasievolle Mann ging noch weiter. Er erzüchtete einen neuen Hund, den Riesenspitz.

Nicht etwa, daß aus irgendeiner Ecke der Welt Nachfragen nach einem solchen Überhund gemeldet worden wären. Aber Horn, in seiner Sucht nach dem Neuen, noch nicht Dagewesenen, ging fröhlich ans Werk. Er war, Gott weiß wie, zu einer weißen Samojedenspitzhündin gekommen, und die war von einem Kuwatsch, einem der weißen ungarischen Hirtenhunde, gedeckt worden, die in einzelnen Exemplaren die Größe eines Neufundländers erreichen.

Die für einen Spitz recht große Hündin brachte einen Wurf von neun Jungen. Alle waren reinweiß wie die Eltern, und Horn, der erst sehr ungehalten gewesen war, kam, als er den in der Farbe so ausgeglichenen Wurf sah, auf den Gedanken, abzuwarten, wie sich die blinden weißen Dinger entwickeln würden. So ließ er, trotz des wütenden Einspruchs seiner Ehefrau, alle neun Bastarde am Leben. Schon nach einem Vierteljahr mußten fünf von den possierlichen Wollknäueln das Rennen aufgeben, denn sie zeigten alle möglichen Formen, nur nicht die eines Spitzhundes. Horn brachte sie an den Mann für zehn Mark das Stück.

Von den übrigen vier wurden nach einem weiteren Vierteljahr abermals zwei für geringes Geld abgestoßen, denn schneeweiße Junghunde gehen immer, mögen sie noch so rasselos sein.

Die nun allein übriggebliebenen beiden Exemplare dieses Wurfes sahen wirklich aus wie rassereine Hunde. Es mußte einer schon wirklicher Kenner sein, wollte er an ihnen den zweifelhaften Ursprung erkennen. Doch der eine war ein ungarischer Hirtenhund, der andere ein Samojedenspitz.

Den Ungarn verkaufte Horn für den vollen Preis mit Stammbaum! Er erzielte zweihundertfünfzig Mark für den Hund, und der Käufer war froh, ein Tier dieser seltenen Rasse erworben zu haben. Da er in der Folge niemals mit ihm züchtete, blieb Paschas Ruf als einwandfreier Rassehund unangefochten, solange er lebte.

Der andere Hund, der nach seiner Mutter geratene, hatte bei allem spitzartigen Aussehen in Form und Behaarung doch etwas vom Vater mitbekommen, die Größe. Der Rüde war tatsächlich ein Riesenspitz. Dieses Zufallsprodukt war es, das in seinem Erzüchter den Gedanken an eine neue Rasse wachrief.

»Prinz« war ein in jeder Hinsicht imponierender, ja sogar schöner Hund. Er benahm sich auch, seiner stattlichen Erscheinung entsprechend, stets würdevoll. Als er etwa ein Jahr und drei Monate alt war, wurde seine Mutter wieder heiß. Kurz entschlossen paarte Horn den Sohn an die Mutter zurück. Das bedeutete Inzucht und konnte hervorragende, aber auch besonders schlechte Resultate zeitigen.

Als die dreiundsechzig Tage währende Tragezeit erfüllt war, warf »Betsi«, die Schlittenhündin, sieben Junge, von denen überraschenderweise neben fünf weißen zwei mehrfarbig waren, wahrscheinlich ein Rückschlag auf Vorfahren der Mutter, denn die Samojedenspitze sind nicht alle weiß. Die beiden farbigen und drei der weißen tötete Horn gleich nach der Geburt, denn sie waren erheblich kleiner als die beiden überlebenden Welpen.

Denen kam nun die ganze Muttermilch zugute, und sie wuchsen prächtig heran. Doch nur das erste Vierteljahr hielten sie miteinander Schritt, dann blieb die kleinere Hündin im Wachstum zurück, während der Bruder mit einem Dreivierteljahr so groß wie der Vater war und ihn im Laufe des nächsten Vierteljahres noch um eine Kleinigkeit übertraf. Außerdem wirkte er stattlicher durch reichere Behaarung, stärkere Knochen und größeren Brustumfang. Jetzt verkaufte Horn den Vater als Riesenspitz für dreihundert Mark.

Zeichnung: Hans Hyan

Riesenspitz, Wolfsspitz und Zwergspitz

Der gutgläubige Käufer nahm den Stammbaum, dem doch die amtlichen Beglaubigungsstempel fehlten, stolz in Empfang und führte seinen ja tatsächlich sehr vorteilhaft aussehenden Hund im Triumph nach Hause.

Horn erwarb nun zwei Schwestern einer sehr schönen spitzähnlichen Rasse, des pommerschen Hütehundes. Auch diese Hunde sind weiß und für einen Spitz ziemlich groß, wenngleich sie lange nicht die Höhe haben, wie sie der junge Riesenspitzrüde hatte.

Diese beiden schönen Schwestern paarte Horn an seinen »Rolf«, und zwar jahrelang.

Viele Junghunde dieser Nachzucht entsprachen nicht in der Größe, etwa zwei Drittel wurden nicht größer als die Mütter, manche sogar kleiner. Ein Drittel aber sah prachtvoll aus. Groß, herrlich in der Behaarung und gut im Typ waren sie. Sie verdienten den Namen Riesenspitz voll und ganz, das unangenehme war nur, daß die gesamte Nachzucht dieser Hunde nicht größer wurde als ein normaler Spitz. Selbst wenn Horn ehrlich gewesen wäre und seine Züchtungen, sagen wir, zehn Generationen fortgesetzt hätte, niemals hätte er den »Riesenspitz« als Rasse konstant gemacht, denn die Spitzform ist an eine höchstens gute Mittelgröße gebunden, und nur in einzelnen Exemplaren oder in einer Generation läßt sich die Natur davon abbringen.

Horn hatte das selbst im dritten Jahr seiner Bemühungen halb und halb eingesehen, was ihn jedoch nicht hinderte, immer weiter »Riesenspitze eigener Zucht« für teures Geld, selbstverständlich mit Stammbaum, zu verkaufen, denn die Dummen werden nicht alle.


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