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12. Kapitel

Oben auf dem First des Daches sang der Rotschwanz sein Morgenlied, als die beiden Hunde und Heinrich Windholz erwachten. Es war erst vier Uhr morgens, die Wiesen waren noch naß vom Tau, und gerade stieg drüben hinter den Kiefern die Morgenröte auf.

Hände und Gesicht wusch sich Heinrich im nassen Gras, ehe er und die Hunde frühstückten. Ein gutes Stück kaltes Bratenfleisch von einer Bauernhochzeit, auf der Heinrich mit seiner Ziehharmonika die Musikkapelle gewesen war, fand sich noch in seinem Rucksack. Weißbrot und ein sehr guter, alter Korn waren auch da. Die Hunde bekamen jeder eine derbe Tafel Hundekuchen, den der wandernde Musiker für seinen Pfeffer immer bei sich führte. Duros Kopf war noch verschwollen, jedoch schon nicht mehr ganz so schlimm.

Die drei saßen und lagen vor dem Gerätehaus, nahmen ihren Morgenimbiß ein, und der Mann überlegte, was mit Duro anzufangen wäre. Wenn er genau gewußt hätte, daß der Hund von dem Kerl, der ihn hatte totschlagen wollen, dem rechtmäßigen Herrn entführt und hier in der Nähe zu Hause war, dann würde er im nächsten Ort beim Bürgermeisteramt nachgefragt haben. Auch konnte man nicht wissen, ob der Hund da, wo er herkam, gut aufgehoben war. Gerade das glaubte Windholz nicht so recht. Es war schon das beste, er nahm ihn mit zu einem Bauern, den er gut kannte und dem er zu Dank verpflichtet war. Der Bauer war ein ordentlicher Mann, außerdem Jäger, da würde der Jagdhund gut aufgehoben sein.

»Will doch gleich mal sehen, ob er Dressur hat.«

Mit diesem Gedanken stand Windholz auf, sperrte den Schnauzer in das Gerätehaus und wandte sich Duro zu. Er streichelte ihn, dann sagte er festen Tones: »Setz dich!« Duro setzte sich. Er mochte denken: Einem so anständigen Menschen kann man den Gefallen schon tun. Der anständige Mensch klopfte dem Hund die Seite, stellte sich wieder vor ihn hin und sagte: »Down!« Zögernd, denn dieses Kommando führte er sehr ungern aus, legte sich Duro.

Zeichnung: Hans Hyan

»Na also, mein Hund, du hast ja Erziehung«, meinte der Mann.

Er lobte ihn aufs neue, holte einen Stiefel aus dem Rucksack, warf ihn ein Ende fort und rief freundlich, aber auch energisch: »Apporte!«

Apportieren kam Duro immer gelegen. Freudig brachte er den Schuh, setzte sich und gab aus. Nun war Windholz sicher, daß er einen geschulten Hund vor sich habe, und sein Entschluß, ihn dem bewußten Bauern zum Geschenk zu machen, stand fest. Schnell war der Rucksack gepackt, und in Begleitung der beiden Hunde, Duro an der Leine, der Schnauzer frei laufend, brach Heinrich Windholz auf.

Er kannte die Marken wie kein anderer, so brauchte er nicht die Landstraßen zu nehmen, die oft Umwege machten. Waldstege waren ihm bekannt, die den Weg um die Hälfte abkürzten und lange nicht so ermüdend waren wie die Chausseen. Nach einmaliger Rast waren die drei um elf Uhr vormittags auf dem Hof des Bauern. Doch leider war er selbst nicht da, nur seine Frau und seine Kinder waren zu Hause. Die Bäuerin schien nicht begeistert von dem Jagdhund, sie versprach aber, ihrem Mann den Hund zu übergeben und das Nötige auszurichten. Windholz wäre es lieber gewesen, er hätte den Hund dem Bauern persönlich geben können, aber was war da zu machen.

So zog er denn mit Pfeffer weiter, ohne daß ihm die Frau einen Imbiß angeboten hätte.

Duro sah seinen neuen und doch so schnell wieder verlorenen Freunden wehmütig nach und legte sich traurig unter den Küchentisch.

Die Bäuerin jedoch – Windholz war kaum vom Hof – jagte den Hund rauh aus der Küche. So legte er sich denn im Flur auf die Steine und wartete, was weiter mit ihm werden würde, und ob der neue Herr, den er als gewiß erwartete, besser wäre als die Frau. Doch er sollte den Bauern niemals zu sehen bekommen.

Nach einer Stunde etwa kam ein Geflügelhändler, der, schon seit Jahren hier bekannt, in der Gegend Hühner, Tauben, Enten, Gänse und Kaninchen aufkaufte, um sie in Berlin weiterzuverkaufen. Der sah den guten Hund, und immer auf der Suche nach einem Geschäft, fragte er, ob der Köter wohl zu verkaufen wäre, zehn Mark würde er ausgeben.

Die Frau, der der neue Fresser von Anfang an ein Dorn im Auge war, besann sich keinen Augenblick, sagte ja, und eine halbe Stunde später saß Duro neben dem Händler im Auto und fuhr dahin, von wo er seinen Ausgang genommen hatte, nach Berlin. Dort aber erwartete ihn nicht sein erster Freund und Erzieher »Wäschepaul«, sondern das Ehepaar Horn.

Herr Horn hatte im Westen der großen Stadt ein Hundegeschäft. Dort landete Duro zu seinem Unglück, nachdem der Geflügelhändler zwanzig Mark eingesteckt hatte und fortgefahren war.


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