Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

13. Kapitel

Horn hatte die zwanzig Mark so bezahlt, als wenn er ein großes Wagnis damit einginge. Doch hatte er mit einem Blick gesehen, was ihm der Zufall da für einen wundervollen Hund verschafft hatte. Auch die Spuren der grausamen Schläge nahm er augenblicklich wahr. Er stieß einen durchdringenden Pfiff aus.

»Jaaaa!!« – eine Weiberstimme schrie es wütend und rauh.

»Ella, Verbandzeug und Wasser mit essigsauer Tonerde –«.

»Haste schon wieder 'ne Töle gekauft? Und noch dazu 'n Jachthund! Jachthunde kooft doch keena. Na ja, wir hab'n ja ooch bloß dreißig Jachthunde, zwanzig andere jroße Tölen und denn zirka vierzig Teckel. Wobei die Teckel noch des eenzige sind, wat die Leute haben woll'n – – –.«

So vor sich hin brummelnd, war die sehr korpulente Frau doch dabei, alles zu richten, was ihr Mann verlangt hatte.

Der würdigte ihre Einwände keines Wortes. Mit der bei seiner Größe und Breite – er maß 1,90 Meter – merkwürdig hohen Stimme sprach er mit dem neuerworbenen Hund. Übertrieben liebevoll, wie mit einem kranken Säugling, dabei mit unverkennbar ostpreußischem Akzent, zu ihm sprechend, streichelte er ihn kosend, nachdem er ihn verbunden hatte.

»Gebäude, Behaarung, Kopf, über – alles – Lob – erhaben!«

Die letzten vier Worte sprach er scharfbetont mit wirkungsvollen Pausen.

»Heute abend werd' ich dir einen sehr guten Stammbaum zusammenstellen, morgen nehm' ich dich gleich mit raus nach Liebenwalde, und da woll'n wir mal sehen, ob du was kannst. Wenn ja, setzen wir 'ne Annonce auf, die soll etwa so heißen:

›– Ajax von der Hubertushöhe –‹, zeig mal die Zähne, na – artig, so. Aha, etwa im dritten Jahr, sehr gut. Also – von der Hubertushöhe. ›Beide Eltern ...sieger mit vielen ersten und zweiten Preisen. Ajax steht im zweiten Felde, ist prima Verlorenapporteur, Totverbeller. Als rabiater Raubzeugwürger hat er erste und zweite Preise auf Gebrauchshundprüfungen erhalten. Ajax ist kinderlieb, geflügelfromm, feinnasig, apportierfreudig zu Wasser und zu Lande. Er erhielt im Vorjahre Ehren- und Schönheitspreise auf der großen Internationalen Ausstellung in Berlin. Fester Preis fünfhundert Mark. Georg Horn, Züchter von Gebrauchshunden zur Jagd und Berufsjäger.‹

Ich denke, das wird ausreichen. Na, also morgen werden wir ja sehen.«

Während nun Duro so im Mittelpunkt stand, soll man nicht glauben, daß er der einzige Hund im Zimmer gewesen wäre. Unterm Schreibtisch lag eine rauhhaarige Teckelhündin, die vier Welpen säugte. Am Bettgestell angeleint lag ein sehr schöner, aber offenbar kranker Schäferhund. Ein französischer Bully und ein Glatthaarfoxterrier schliefen auf dem Sofa. Das war der einzige Wohnraum, den das Ehepaar Horn hatte, wenn man von einer Schlafkammer absehen wollte.

Das Grundstück des Hundehändlers hatte drei Höfe, die hintereinander lagen. Um diese Höfe erhoben sich Mietskasernen, und außerdem stand in unmittelbarer Nähe ein Gasturm. So sah die Welt aus, die nun Duros Heimat geworden war.

An die drei Höfe grenzten Hundezwinger. Außerdem befand sich am letzten der Höfe ein Pferdestall, in dem Hans, der braune Wallach, stand. Er diente dazu, die sehr beträchtlichen Küchenabfälle eines großen Hotels herbeizuschaffen. Ein billiges zusätzliches Hundefutter. Auf den Dächern des winzigen verbauten Wohnhauses und der Stall- und Zwingergebäude saßen weiße Pfautauben, etwa dreißig an der Zahl. Sie rucksten und buhlten da oben und zeigten stolz ihre Schwanzfächer, die der Rasse den Namen gegeben haben.

Die drei durchaus nicht großen Höfe aber waren der Lebensraum für hundert bis hundertfünfzig Hunde. Die Zahl schwankte infolge der neugewölften Welpen, der ständig dazuerworbenen Hunde sowie der Verkäufe.

Wie Frau Horn schon sagte, Jagdhunde aller Rassen, vor allem aber deutsche Vorstehhunde der drei Haarvarianten herrschten vor: Deutsch-Kurzhaar, Deutsch-Draht- und Stichelhaar und Deutsch-Langhaar. Der große und der kleine Münsterländer Vorstehhund, Pudelpointer, Dachsbracken, Teckel und Schweißhunde, also so ziemlich alles, was Deutschland an Jagdhundrassen hervorgebracht hat, lief durcheinander. Aber auch die Engländer: Pointer, Setter und Spaniels waren da. Ein Neufundländer, ein Barsoi, ein old-english sheep dog, ein paar Foxterrier und etliche deutsche Schäferhunde sowie zwei Dobermänner vervollständigten die Sammlung, die auf den beiden hinteren Höfen untergebracht war.

Zeichnung: Hans Hyan

Im ersten Hof, im Hause selber und im Vorgärtchen tummelten sich ein paar Foxterrier und die Teckel. Etwa vierzig Exemplare dieser drolligen Kerle waren vorhanden. Was man auch gegen viele der Hunde, die bei Herrn Horn auf ihren Käufer warteten, sagen mochte, die Teckel gehörten zu dem Besten, was es in der Rasse gab. Alle stammten aus der Hornschen Zucht, die er als zwölfjähriger Junge in seiner ostpreußischen Heimat begonnen hatte, zeigten einheitlichen Typ und sehr viel Rasse.

Nur wenige Langhaarige gab es, vor allem Kurz- und Rauhhaar waren vertreten. In der Farbe herrschten die Roten vor, einige Schwarzbraune, und der Rest die bekannten Schwarzen, die rostfarben abgesetzt waren.

Der Teckelzwinger vom Tannengrund war sehr weit und gut bekannt und seine Hunde führten das Blut aller hervorragenden Teckel, die in den letzten Jahrzehnten auf Schönheit und Leistung ausgezeichnet worden waren. Horn war Pächter einer Jagd von siebentausend Morgen, die in der Mark Brandenburg lag und die er fleißig bejagte. Hier arbeitete er auch seine Jagdhunde und seine Teckel.

Dorthin fuhr er, als der nächste Tag gekommen war, mit Duro und einem anderen Jagdhund, einem braunen Kurzhaarrüden.

Die Eisenbahnfahrt von zweieinhalb Stunden wurde Herrn Horn nicht lang. Er war schon, ehe der Zug Berlin verließ, mit zwei anderen Herren, gleichfalls Jägern, ins Gespräch gekommen und hielt sie binnen einer Viertelstunde in Bann, da er über eine seltene Unterhaltungsgabe verfügte.

Sobald sich das Gespräch um Jagd und Hunde drehte, war Georg Horn in seinem Element. Weder seine Zuhörer noch er selbst legten Wert darauf, die Grenze zwischen Wahrheit und Erfindung zu kennen, wenn er erzählte. Er sprach mit Feuer, verstand es, eine Geschichte bis zur Pointe zu steigern, und wenn seinem Vortrag auch immer etwas Übertriebenes in Sprache und Geste anhaftete: man ließ ihn sich wie einen spannenden Unterhaltungsfilm gefallen.

Zeichnung: Hans Hyan

»Der nette Schluß Ihrer kleinen Geschichte bringt mir die Erinnerung an eine Hasenstreife zurück. Ich hatte den Auftrag übernommen, einen jungen Herrn jagdlich zu unterweisen, dessen Vater sehr vermögend war. Er selbst war nicht jagdlich interessiert, doch legte er großen Wert darauf, seinen Sohn durch die Anleitung eines erfahrenen Waidmannes mit der Natur und der Jagd vertraut werden zu lassen. Er wollte wohl gewisse Einflüsse der Großstadt unschädlich machen. Ich fuhr nun einmal in der Woche in der Begleitung des jungen Herrn in mein damaliges Revier und hatte die Freude zu sehen, wie der junge Mensch mit jedem Male passionierter wurde. Ich darf wohl sagen, daß dieser schnelle Erfolg nicht zum wenigsten meinen Bemühungen zuzuschreiben war, dem angehenden Jäger in jeder Hinsicht die Welt des Waidmannes zu erschließen.

So befanden wir uns eines Tages auf der Hasensuche. Es war ein etwas windiger Tag, Anfang November, und ich hatte bereits mit zwei Schuß zwei Hasen erlegt, während mein junger Begleiter bisher nicht zu Schuß gekommen war. Er schoß übrigens besser, als man bei seiner Unerfahrenheit hätte glauben sollen.

Links von uns stieß das Feld an einen mäßig steilen, nicht sehr hohen Hang. Ich forderte den Hubertusjünger auf, über den Sturz zu gehen und den Hund mitzunehmen. Doch entgegen seiner sonstigen Bereitwilligkeit lehnte er mein Ersuchen ab.

Ich stellte ihm nun in Aussicht, daß er dort mit einiger Wahrscheinlichkeit auf einen Hasen zu Schuß kommen würde. Als auch das nichts half, ging ich selber hinüber. Ich war etwa zwanzig Schritt am Fuße des Hanges entlanggegangen, während mein Hund in dem dürren Grase suchte, als er plötzlich bombenfest vorstand. Im nächsten Moment rutschte der Hase aus der Sasse, und zwei Sekunden später ließ ich ihn rollieren.

Der junge Herr war platt. Er war erst etwas beschämt, dann wollte er wissen, woran ich gemerkt hätte, daß an dem Hang ein Hase liegen mußte. Ich ließ ihn aber im ungewissen, schon um ihn auf sein unkorrektes Verhalten gegenüber seinem Lehrprinzen Lehrprinz = jagdlicher Lehrer. hinzuweisen. Es kam das nächste Wochenende. Wir gingen wieder hinaus und kamen an den bewußten Hang.

Mein jagdlicher Schüler wollte seinen Fehler vom vorigen Mal gutmachen und wandte sich, ohne ein Wort zu verlieren, dem Hange zu.

Doch ich rief ihn zurück mit dem Bemerken, daß meiner Meinung nach heute kein Hase dort liegen würde. Der junge Mensch lächelte ungläubig, und sich gewissermaßen entschuldigend, ging er dennoch hinüber. Nach zehn Minuten kam er wieder zurück, ein Hase war, wie ich es vorausgesagt hatte, nicht aufgestanden. Der junge Herr schüttelte den Kopf, und wir suchten weiter. Es vergingen etwa drei Wochen, als wir wieder in der Nähe des Hanges waren.

›Herr Donald, sie haben heute eine Chance. Meiner Überzeugung nach dürfte heute ein Hase an dem Hange liegen.‹ Der junge Mann sah mich an, als ob er nicht wüßte: wollte ich ihn verspotten oder meinte ich es ernst? Dann ging er hinüber.

Ich sah ihn sorgfältig den Hang abschreiten, und selbst als nur noch etwa zehn Meter übrig waren, blieb ich felsenfest davon überzeugt, daß ein Hase aufstehen würde. Ich behielt recht: zwei Meter weiter fuhr der Hase aus seinem Lager, und mein junger Zweifler schoß ihn. Er faßte ihn etwas kurz, der Hund brachte ihn nach längerer Hatz.

Schon von weitem fragte der junge Herr, wie es zuginge, daß ich mit solcher Sicherheit voraussagen könnte, ob an diesem Hang ein Hase läge oder nicht.

Nun endlich gab ich ihm die Erklärung. Der Beobachtung des Windes, als des Jägers nie versagender Hilfe, verdankte ich das Wissen, ob dort ein Hase läge oder nicht. Beim ersten Male stand der Wind so, daß der Hase, wenn er sich am Hang ins Lager schlug, unter Wind lag. Beim zweiten Male stand der Wind direkt auf den Hang zu, so daß dort kein Hase zu finden sein konnte, und beim dritten Male war es wieder umgekehrt. Jedenfalls war der angehende Jünger Dianas von diesem Tag an gegen mich und meine Ratschläge von größter Aufmerksamkeit.«


 << zurück weiter >>