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6. Kapitel

Auf der Hasenstreife lernte Duro ebenfalls schnell. Er stand die Langohren vor und apportierte selbst den schwersten Waldhasen auf große Entfernungen im Galopp. Seine Passion half ihm die schwere Last mit Freuden tragen. Er machte es nicht wie einer seiner Vorgänger bei dem Oberförster.

Tell, ein brauner Kurzhaarrüde, war das, was die Jägersprache einen »Totengräber« nennt. Ein Glanzstück seiner Art spielte sich folgendermaßen ab:

Der Oberförster hielt den Hund, der im zweiten Felde stand, also die zweite Jagdsaison im Revier arbeitete, erst einige Wochen, aber er hatte schon Verdacht gefaßt, nur war dem Hund bisher nichts nachzuweisen.

Tatsache war, daß er keinen Hasen brachte, der angeschossen außer Sicht des Jägers kam, sondern in allen Fällen, in denen er auf der Fährte des kranken Hasen dem Auge seines Herrn entschwunden war, immer ohne den Hasen, also ergebnislos zurückkam. Blieb der Hase dagegen im Feuer, oder kam er nur noch ein kleines Stück weiter, dann brachte ihn Tell vorschriftsmäßig dem Oberförster.

Eines Tages wurde seine besondere Methode offenbar. Der Oberförster war mit Tell – die Felder waren schon öde und Baum und Strauch kahl –dahin gegangen, wo die Wiesen an die Feldmark grenzten, um einen Küchenhasen zu schießen.

Ein unfreundlicher Wind wehte, und der Jäger glaubte schon, er werde ohne Hasen nach Hause gehen müssen, da er mit Recht annahm, die Hasen lägen bei dem rauhen Wetter in den Schonungen und im Walde. So wollte er nur noch eine Ecke mitnehmen, die durch zwei sich schneidende Gräben gebildet wurde, und dann umkehren. Gerade beschrieb er den Bogen, da er glaubte, den letzten Zipfel nicht auch noch abtreten zu müssen, als ein Hase aufstand. Der Oberförster schoß, der Hase rollierte und blieb im Feuer. Im Schuß aber stand in dem äußersten Zipfel noch ein Hase auf. Anbacken, mitgehen und drücken war eins, aber da machte es »klick« – ein Versager.

Der Hase, der nicht über die von Sumpf umgebenen Wassergräben wollte, fuhr einen halben Bogen um den Schützen herum. Der holte in fliegender Hast Patronen aus der Tasche, lud neu und war verhältnismäßig schnell wieder schußfertig. Doch der Hase war reichlich weit, als der Schuß aus dem Rohr fuhr. Er ging mit unverminderter Schnelligkeit über die Felder, obwohl es dem Jäger nicht entgangen war, daß Lampe im Schuß zusammenruckte. Jedenfalls ging Tell in beträchtlichem Tempo hinterher.

Lange konnte der Oberförster der Jagd mit den Augen folgen. Der Hund, erst weit zurückgeblieben, holte langsam auf, ein untrügliches Zeichen dafür, daß der Hase angeschweißt angeschweißt = verwundet. war. Dann aber, in einer Entfernung von etwa fünfhundert Metern, schwanden Hase und Hund aus der Sicht des Oberförsters, durch Buschwerk gedeckt. Der Jäger hatte noch sehen können, daß Tell dem immer kränker werdenden Hasen dicht auf den Läufen war.

Der Jäger hatte sich in Bewegung gesetzt und ging dem Hund und dem Hasen nach, jeden Augenblick damit rechnend, den einen laufend, den anderen getragen zurückkehren zu sehen. Zehn Minuten waren vergangen, längst hätte Tell, den Hasen im Fang, auftauchen müssen, aber nichts war zu sehen. Dem Oberförster schwante etwas.

Er ging immer weiter über die Äcker und kam endlich bei den Büschen an, ohne seines Hundes oder des Hasen ansichtig zu werden. Drüben, in der Nähe eines jetzt kahlen Erlenwäldchens, arbeitete ein Bauer. Auf den zu setzte sich der Oberförster in Marsch, als er seinen Tell bemerkte, der mit leerem Fang, aus einer Geländefalte auftauchend, seinem Herrn in mäßigem Trott zustrebte. Der ließ ihn ruhig herankommen, streichelte ihn auch, sah aber dabei Hasenwolle am Fang des Hundes. »Na warte!« dachte der Oberförster. Er leinte Tell an und ging hinüber zu dem Bauern.

»Guten Tag, Meister, na, wieder mal den guten Mist aufs Feld gebracht?«

»Gu'n Tag ok, joa, wenn wir den Mist nich hätten, dann wier't schlimm!«

»Doch, das glaub ich. Was ich sagen wollte: haben Sie nicht den Hasen gesehen, hinter dem der Hund her war?«

»Joa doch, den het he griepen und denn dor hinger de Kaupen in den Groaben fallen loten.«

»I, da soll doch gleich!«

Der Oberförster ging an den ihm bezeichneten Ort. Nach einigem Suchen fand er den Hasen. Wo der schmale Graben tief einschnitt und an den Rändern verdorrtes Unkraut stand, dort lag er. Aber wie!

Der ganze Hase hatte keinen heilen Knochen mehr. Der Hund hatte ihn vom Kopf bis zu den Hinterläufen regelrecht zermalmt. Das Wildbret des Hasen war mit den Splittern zertrümmerter Knochen durchsetzt, so daß das Stück Wild unverwertbar war.

Es zuckte dem Jäger gewaltig in den Fingern, doch er schlug den Hund nicht. Das war ein Verbrecher, dessen man sich so schnell wie möglich entledigen mußte. Ein Hund, der aus purer Bequemlichkeit so mit einem Stück Wild umging, der taugte nicht zur Jagd, wie gut er auch sonst sein mochte.

Schon am nächsten Tage wurde Tell für geringen Preis als Wachhund verkauft. Denn einen Jäger mochte der Oberförster mit dem Hund nicht behängen.


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