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14. In der Kochschule

Eva saß noch eine Weile sinnend in ihrer Stube. Gretchen kam gar nicht, was hatten sie nur unten noch zu verhandeln? Endlich legte sie sich, aber an Schlafen war nicht zu denken. Warum war nicht Heinz mit Georg ihnen entgegengekommen, wie sonst? Und warum hatte Christian nicht seine Schwester nach Hause geführt, sondern sie? War es zufällig in der Eile geschehen? Wie kam es, daß sie gar nichts gemerkt hatte? Nun so viel ist gewiß, dieser Älteste war ein sonderbarer Mensch, da war Herr Hemsing viel umgänglicher und liebenswürdiger.

Jetzt endlich wurde die Tür geöffnet, Gretchen trat leise ein. Als sie merkte, daß Eva noch wach war, kam sie schnell, setzte sich auf den Rand ihres Bettes, umschlang sie liebevoll und sagte: »Meine arme, liebe Eva.«

»Weißt du es nun auch«, sagt diese, »daß ich ein armes Waisenkind bin?«

»Christian hat es eben unten erzählt, da erst erfuhren wir, daß die Eltern es gewußt. Du hast aber so prächtige Pflegeeltern gehabt und hast noch einen so lieben Vater, an dem du immer einen Halt haben wirst. Und wir wollen dich alle doppelt liebhaben, meine Eva. Du mußt unser Haus immer als Heimat mit ansehen, nicht wahr? Ich bin und bleibe deine Schwester, bin ich nicht immer schwesterlich gewesen?«

»Gewiß, mein Gretchen, ich bin so froh und dankbar, in dir für Lebenszeit eine treue Schwester gefunden zu haben.«

Gretchen schwieg ein Weilchen, dann fuhr sie fort: »Nicht wahr? Du bist Christian auch nicht mehr böse?«

»Nein, ich habe es ihm ja schon gesagt.«

»Es tut ihm so furchtbar leid, daß du sein ungeschicktes Benehmen gegen dich so mißdeutet hast. Sieh, er ist von jeher gegen Fremde zurückhaltend und sonderbar gewesen, aber er ist eine treue, ehrliche Natur, und Hochmut ist nicht in ihm. Daß du meinst, er habe dich verachtet, weil du ein angenommenes Kind bist und nicht weißt, wer deine Eltern waren, das hat ihn gekränkt. Er hatte keine Ahnung davon, so wenig wie wir. Unsere Gertrud ist an allem schuld, sie hat von Mutter tüchtige Schelte bekommen.«

»Nein, das sollte sie nicht. Der Trude sollte deshalb nichts geschehen!«

»Ein Tadel von der Mutter schadet ihr nicht. Sie war alt genug, um zu wissen, daß sie dir Christians unbedachte Worte, die er einmal geäußert hatte, nicht wieder zu sagen brauchte.«

»Liebe Grete, wir wollen die ganze Sache nun ruhen lassen. Es ist alles in Ordnung jetzt, und ich selber habe durch meine Empfindlichkeit ebensoviel Unrecht getan, wie deine Geschwister.«

Die beiden Mädchen versicherten sich aufs neue ihre gegenseitige Liebe und begaben sich dann zur Ruhe.

Eva schlief tief und fest. Durch den Weg nach Langendorf, durch den hereinbrechenden Regen und durch die nachfolgenden Aufregungen war sie wahrscheinlich so müde geworden, daß sie nicht hörte, wie Gretchen sich am anderen Morgen früher als gewöhnlich von ihrem Lager erhob, daß sie erst erwachte, als die Geschwister Christian an den Bahnhof gebracht hatten und er wieder in die weite Welt hinausgefahren war.

Nun nahm das Leben wieder seinen gewöhnlichen Lauf. Es herrschte, wie sonst, die alte Fröhlichkeit und Unbefangenheit zwischen den Geschwistern und Eva, so daß diese sich wieder vollständig zu Hause fühlte und das heitere und muntere Wesen, wie es eben ihr eigen war, bald wieder annahm.

Lieschen kam sehr bald herüber, um sich zu erkundigen, ob die Eltern ihre Zustimmung zu dem von ihr gemachten Vorschlag gegeben hätten, und schien sich sehr zu freuen, daß die beiden Erlaubnis bekommen hatten, an dem Kursus teilzunehmen.

»Das ist fein«, sagte sie »da gehen wir morgens immer miteinander. Dort in der Haushaltungsschule sind eine Menge Pensionärinnen von auswärts, darunter sind viele lustige, ich kenne schon manche davon. Ihr sollt sehen, da gibt es manchen Spaß.«

Und so war es. Die jungen Mädchen kamen immer sehr vergnügt nach Hause, erzählten, was sie Schönes gekocht und gelernt hatten. Sie mußten auch Hausarbeiten für den theoretischen Unterricht machen und waren sehr eifrig bei der Sache. Der Vater neckte mitunter, nannte sie die Kochstudenten und bestellte sich zu seinem Geburtstag eine extra feine Torte.

Da gab es große Heimlichkeiten, als der Geburtstag heranrückte. Rieke wurde verständigt, den Backofen zu heizen, und am Abend vor dem Geburtstag gingen die beiden Mädchen, statt nach oben, in die Küche und dort wurde unter großem Rühren und Schneeschlagen das Werk zustandegebracht. Das Rezept zu einer Torte, die sie in der Kochschule die Woche vorher gebacken, lag vor ihnen, und genau nach Vorschrift wurde verfahren. Das Backen gelang, schön gebräunt kam die Torte aus dem Ofen. Nun, während Gretchen einige von den gebrauchten Sachen in die Speisekammer räumte, überließ sie Eva das bessere Geschäft, die Verzierung der Torte mit Zuckerguß, da Eva im Zeichnen und Malen ihr überlegen war. Auch sollte sie eine kunstvolle 50 in der Mitte anbringen.

»Nun ist sie fertig. Gretchen, sieh, wie fein ich die Linien geschwungen habe und die Sterne dazwischen.« Gretchen kam hinzu und betrachtete das Kunstwerk. Plötzlich stotterte sie erschrocken: »Aber liebste Eva, ich sagte dir, eine 50 zu zeichnen, und du hast den Vater zehn Jahre älter gemacht, hast eine 60 darauf gemacht.«

Eva wurde glühend rot vor Schrecken.

»Was machen wir nun da?« rief sie verlegen.

»Da gibt's nichts zu machen, das läßt sich nicht mehr ändern, der Guß ist ja schon hart geworden. Vater wird dich aber sehr necken, darauf verlaß dich.«

»Hätte ich's dich doch machen lassen«, jammerte Eva, »nun ist der ganze Spaß verdorben.«

»Es ist immer besser, als wenn die Torte verbrannt wäre«, tröstete Gretchen, »aber necken wird der Vater dich.«

So geschah es. »Nun, da habt ihr ja mit einem Male einen sehr alten Vater, gleich zehn Jahre mehr rechnet ihr mir zu.« Eva durfte nicht empfindlich sein, sie hörte es oft am Geburtstag selbst und mußte es später noch oft hören. Aber die Torte war vorzüglich geraten und schmeckte allen herrlich. Zur Strafe aber für ihr Versehen mußte Eva die »6« allein verzehren.

»Mutter«, sagte Herr Dunker zu seiner Frau, »es lohnt sich, die Mädchen in die Kochschule zu schicken, wenn sie mehr solche Sachen lernen, das können wir uns wohl gefallen lassen.«

Aber es kamen leider auch Sachen vor, die nicht der Eltern ganzen Beifall hatten.

Eines Tages kamen die Mädchen mit dem Bescheid, es sollte ein großer Spaziergang unternommen und in Birkenruh, einem Ausflugsort der Städter, Kaffee getrunken werden. Die Bäckereien dazu sollten die jungen Mädchen selbst liefern. Natürlich wurden die Externen, Eva, Gretchen, Lieschen und noch einige andere, auch dazu aufgefordert. Die Eltern überlegten, ob es für ihre Kinder etwas sei, da sie für Eva, als anvertrautes Kind, verantwortlich seien. Da sie aber hörten, daß die Vorsteherin, eine ältere Dame, selbst mitgehen würde, glaubten sie ihre Einwilligung nicht versagen zu dürfen.

Es herrschte große Aufregung unter den Mädchen. Am Tage vorher wurden die Bäckereien großartig betrieben, Topfkuchen, Zuckerkuchen, Kringel und Bretzel, alles mußte von der Jugend selbst gebacken werden. Sämtliche Waren wurden am folgenden Tage in große Körbe gepackt und hinausbefördert. Den Kaffee ließ man sich in der Restauration geben. Es war ein Lachen und Jubeln unter den vielen Mädchen, so daß auch Eva und Gretchen davon angesteckt wurden und ihre Freude ebenfalls laut kundgaben. Das Schönste war, daß man große offene Omnibusse bestellt hatte, deren einer auch die Nachbarskinder im Vorbeifahren abholte, zuerst Eva und Gretchen, dann hielt er vor Kramers Haus, wo Lieschen schon in ausgewählter Toilette seiner harrte. Als sie einstieg und der Omnibus eben abfahren wollte, erschienen Edgar und Otto auf der Bildfläche, grüßten höflich und raunten der Schwester zu: »Um sechs also!«

»Was meinten deine Brüder?« fragte Gretchen.

Lieschen errötete ein wenig und sagte: »Sie holen mich vielleicht ab.«

»Aber es ist doch um sechs noch nicht aus, ich denke um acht Uhr sollen wir zurück sein.«

»Nein, ich weiß es nicht so genau, was sie vorhaben«, entgegnete Lieschen ausweichend.

Nun war der Omnibus auf dem Marktplatz, wo schon andere Wagen waren, die jungen Mädchen aus der Haushaltungsschule, die daselbst ihr eigenes Haus hatte, aufzunehmen.

Unter Lachen, Jubeln und Schwatzen stieg die ganze Gesellschaft ein, und konnte es etwas Schöneres geben, als unter Sonnenschein und blauem Himmel zur Stadt hinauszufahren auf der Landstraße hin, die, zu beiden Seiten von Bergen eingeschlossen, zunächst keinen Fernblick gewährte. Erst als die Berge zurücktraten, erweiterte sich das Tal, man sah schon den Ort liegen, wohin die Gesellschaft strebte. Er lag auf der anderen Seite und war den Mädchen weniger bekannt. Sie hatten aber schon oft den schönen Ausflugsort Birkenruh nennen hören.

Es gab dort außer den Bauernhäusern und kleineren Gasthöfen stattliche Landhäuser, die den Städtern als Sommerwohnungen dienten. In der Mitte von Birkenruh lag dieser Gasthof, von einem schönen, großen Garten umgeben, in dem es allerlei Belustigungen gab. Es konnte Sport getrieben werden, ein Tennisplatz war vorhanden, ebenso ein Platz für Fußballspieler, für Krocket usw.

Im Garten war bereits eine lange Tafel für die angemeldete Kaffeegesellschaft gedeckt. Es entwickelte sich ein buntes Bild mit all den hübschen, in weiß oder andern lustigen Stoffen gekleideten Mädchen, die mit ihrem fröhlichen Geplauder und Lachen den ganzen Garten belebten. Tapfer wurde den Kuchenbergen zugesprochen und herrlich mundete der treffliche Kaffee, der in großen, weitbauchigen Kannen von der freundlichen Wirtin gebracht worden war.

Dann gab es allerlei Spiel im Freien. Als man dessen müde war, erging man sich in dem schön angelegten Park, während die Vorsteherin mit einigen älteren Damen in der Veranda des Hotels sitzen blieb und Handarbeit machte.

Je nachdem die Mädchen sich zueinander hingezogen fühlten, taten sie sich zusammen und durchwanderten Arm in Arm die schönen Laubengänge des Gartens oder setzten sich auf eine der zahlreichen Bänke. Ganz am Ende des Gartens befand sich ein Wäldchen, das im heißen Sommer besonders gerne aufgesucht wurde wegen der schattenspendenden Bäume.

»Dorthin wollen wir gehen«, rief ein lustiges junges Mädchen; sie nannten sie »Lerchlein«, weil sie immer sang und vergnügt war. Zu ihr fühlte sich Eva hingezogen wohl wegen des gleichartigen Temperaments.

»Hier ist es doch auch schön«, meinte Eva, »warum so weit gehen? Wir hören ja kein Wort, wenn Fräulein Herold uns ruft.«

»Gewiß hören wir es, sie hat zudem eine kleine Pfeife, mit der sie uns alle sicher heranholt, komm nur.«

Mit diesen Worten zog sie Eva immer weiter dem Wäldchen zu. Da diese nun vor sich Gretchen mit einer anderen demselben Ziel zustreben sah, so folgte sie um so williger.

Dort war es allerdings schöner als im Garten. Lauter schlanke Birken, die mit ihren weißen Stämmen und den graziös niederhängenden Zweigen sich unter den anderen Bäumen ausnahmen, wie die Jugend unter alten Menschenkindern. Dort wimmelte es bereits von jungen Mädchen, aber was war das? Man spielte von Baum zu Baum, doch unter der weiblichen Jugend erblickte man plötzlich wie aus der Erde gewachsen lauter junge Herren, die flott mitspielten.

»Wie kommen die hierher?« fragte Eva verwundert, »weiß Fräulein Herold das?«

»Ich glaube nicht, es sind Vettern und Brüder von den anderen jungen Mädchen, auch einige Herren aus unseren Tanzstunden. Sie haben sie sich herbestellt.«

»Weiß Fräulein Herold es?« fragte Eva noch einmal.

»Ich weiß nicht, ob sie es ihr gesagt haben. Du brauchst es nicht gerade anzumelden.«

Lerchlein stand schon an einem Baum und machte mit, so blieb Eva nichts anderes übrig, als auch mitzutun, aber sie hatte das Gefühl, als sei nicht alles, wie es sein sollte. »Sieh da, gnädiges Fräulein«, tönte auf einmal eine unangenehme Stimme neben ihr. »Lassen Sie sich auch einmal wieder sehen! Ist der Spaziergang durch die Wiesen gut bekommen?«

»Ja, ganz gut«, erwiderte sie flüchtig, denn eben wurde sie glücklicherweise abgelöst durch ein anderes junges Mädchen und mußte ihren Platz verlassen.

»Glücklicherweise«, denn seit jenem Abend fürchtete sie sich vor diesem Edgar und mied ihn, wo sie konnte.

Sie suchte Gretchen mit ihren Augen, und als sie sie erwischen konnte, sagte sie beklommen: »Du, Gretchen, fühlst du dich wohl in dieser Gesellschaft?«

»Nicht besonders. Es werden recht dumme Redensarten hier geführt und unerlaubte Späße gemacht.«

»Wo sind nur die Herren auf einmal alle hergekommen?« »Da unten, durch jene Tür. Oben, fürchte ich, weiß es niemand.«

Das Spiel hatte aufgehört, die Herren gingen herum und präsentierten den Damen etwas. Jetzt blitzte hier und da ein Feuer auf, und nun gewahrten die beiden, was es war.

Die Herren hatten Zigaretten mitgebracht, und bald sah man die jungen Damen fröhlich und wohlgemut den Dampf in die Luft blasen. Jetzt stand Edgar vor ihnen und bot ihnen von seiner Ware an.

»Wir danken, wir rauchen nicht«, sagte Gretchen ruhig. »Wir verstehen es gar nicht.«

»O, probieren Sie es nur, sehen Sie doch, wie die Liesel es kann.« Er zeigte auf seine Schwester, die nicht weit davon stand mit einem jungen Herrn und mit ihm um die Wette rauchte.

»Nun, nehmen Sie doch, seien Sie nicht so spröde.«

Er drang so lange in sie, bis sie schließlich zugriffen, nur um ihn los zu werden. Sie behielten die Dinger in der Hand, in der Absicht, sie, sobald er den Rücken gewandt, fortzuwerfen. Aber er schien durchaus keine Lust zu haben, schon zu gehen. Eva warf Gretchen einen bitteren Blick zu, den sie verstand. Sie schien sagen zu wollen: »Bleibe bei mir, verlaß mich nicht.«

»Nun, gnädiges Fräulein«, begann Edgar zu Eva gewendet wieder, »Sie machen gar keine Anstalt zum Rauchen. Ja so, Sie haben keine Streichhölzer.« Er zog schnell ein Kästchen aus der Tasche und hatte im Nu Feuer gemacht, das er ihr mit zierlicher Verbeugung hinhielt.

Da, im selben Augenblick sagte eine wohlbekannte männliche Stimme: »Ich glaube gar, man will hier Zigaretten rauchen. Nein, meine lieben Töchter, das wollen wir den Herren überlassen.«

Herr Dunker stand hinter ihnen, und Edgar war wie der Wind von der Bildfläche verschwunden.

»O, Vater, wie gut, daß du gekommen bist«, rief Gretchen, »es gefiel uns gar nicht mehr hier unten, und jetzt, wo das Rauchen anfing, wären wir am liebsten weggegangen.«

»Ihr kommt jetzt mit mir nach Hause. Reinhold hat erzählt, daß seine großen Brüder auch hier sein würden und noch eine Menge anderer junger Leute aus der Stadt. Da beschloß ich, mir die Sache einmal anzusehen. Ist denn keine ältere Dame zur Aufsicht da?«

»Fräulein Herold ist vorn auf der Veranda und unterhält sich mit ihren Freunden.«

»Sie ahnt gewiß nicht, daß eine ganze Herrengesellschaft sich hier eingefunden hat.«

»Verabschieden müßt ihr euch natürlich von der Dame, sagt ihr nur, der Vater sei gekommen, euch abzuholen.«

»Da kommt sie selbst«, riefen die Mädchen.

Die würdige Dame kam mit einer anderen den Weg daher. Sie nahm eine kleine Pfeife an den Mund und pfiff darauf. In zwei Minuten kam der ganze Schwarm herangeflattert wie die Täubchen, harmlos und unschuldig, und umringten die Dame. Sie sagten, daß sie sich herrlich amüsiert, und wurden bald wieder entlassen mit dem Vermerk, nach einer halben Stunde ganz herauf zu kommen.

Gretchen und Eva hatten sich gleichzeitig verabschiedet und der Dame gedankt und eilten nun dem Vater, der diese Zeit des Aufruhrs benutzt hatte, sich still zu entfernen, schleunigst nach.

»Mutter«, sagte Herr Dunker später zu seiner Frau, »das Tortenbacken ist ganz schön, aber immer möchte ich die Mädel nicht in der Gesellschaft wissen. Ich hatte Gelegenheit, mich, eh' ich unsere Kinder mit Edgar entdeckte, ein wenig zu orientieren, und habe Dinge gehört und gesehen, die mir nicht gefallen konnten. Ich war froh, daß ich unsere Töchter in Sicherheit hatte. Es ist jetzt ein zu freies Leben unter der Jugend, das war zu unserer Zeit anders.«

»Die Vorsteherin, eine sehr ehrenwerte Dame, hat davon keine Ahnung gehabt«, erwiderte Frau Maria. »Ich werde Gelegenheit suchen, sie auf diesen Vorgang einmal aufmerksam zu machen. Übrigens, die Nachbarssöhne, die ältesten wenigstens, kommen zum Herbst fort. Edgar macht sein Abiturium, Otto kommt in die Kaufmannslehre. Ich bin recht froh darüber.«

»Wenn nur mit dem Vater die Geschichte nicht einmal schief geht. Man munkelt jetzt schon allerlei in der Stadt, und kürzlich tat der Bankdirektor, mein alter Freund, so eigentümliche Äußerungen über Kramer, die mich erschreckten. Aber laß dir nichts merken.«

»Es wäre traurig, wenn eine unheilvolle Katastrophe über die Familie hereinbräche. Aber sie leben über ihre Verhältnisse, der Luxus ist zu groß, als daß man glauben kann, daß das alles vom Gehalt eines Bankbeamten bestritten werden soll.«

»Darum wollen wir uns immer mehr bemühen, unsere Kinder in der Einfachheit zu erziehen, besonders aber sie zu lehren, in einem christlichen Lebenswandel ihr Glück und ihr Genüge zu finden.«


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